Giftfilter, Müllabfuhr, Gallelieferant, Vitaminspeicher, Hormonproduzent, Energiereservoir, Kontrollbehörde – die Leber arbeitet unermüdlich und reguliert die Gesundheit auf vielfältige Weise. Lernen Sie Ihre Leber kennen und erfahren Sie, was sie gesund hält.
Die Leber ist mit durchschnittlich 1,5 Kilogramm das grösste und schwerste Organ des Menschen und wird von anderthalb Liter Blut pro Minute durchflossen. – Kommt das Herz aus dem Rhythmus, wird einem schon mal angst und bange. Schmerzt der Magen oder grummelt der Darm, überlegt man sich, was die Ursache sein könnte. Doch wer denkt schon über die Gesundheit und das Glück seiner Leber nach? Eine kranke Leber tut nicht weh, sie verzeiht ziemlich lange ziemlich viele Sünden, und ihre Fähigkeit zur Regeneration grenzt an ein Wunder.
Autorin: Ingrid Zehnder, Andrea Pauli
Wir essen zu üppig und zu fett, wir trinken Alkohol, wir rauchen. Beim kleinsten Unbehagen schlucken wir Medikamente. Statt auf die Qualität und den kontrolliert biologischen Anbau achten wir bei Lebensmitteln eher auf die Preise. Wir infizieren uns mit Bakterien und Viren. Aus Unkenntnis oder Leichtsinn essen wir die falschen Pilze. Wir ärgern uns ständig und tun nichts gegen ungesunden Stress. Sind wir uns eigentlich darüber im Klaren, wer das alles ausbaden muss?
Die Leber befindet sich grösstenteils im rechten Oberbauch unterhalb des Zwerchfells, mit dem sie teilweise verwachsen ist. Man spricht von einem rechten und einem linken Leberlappen, wobei der rechte wesentlich grösser ist. Eine gesunde Leber hat eine glatte Oberfläche und sieht aufgrund der starken Durchblutung rötlich-braun aus. Sie besteht aus Milliarden von Leberzellen sowie aus Blutgefässen und Stützsubstanz. Die Leberarterie führt sauerstoffreiches Blut zur Eigenversorgung von der Hauptschlagader heran. Aus der Pfortader kommt das (zu verarbeitende) Blut, das zuvor den Magen- und Darmtrakt sowie die Milz durchflossen hat. Abgeleitet wird das Blut über die Lebervene, die in die untere Hohlvene mündet, welche direkt zum Herzen führt.
Die Leber reinigt und filtriert das Blut, ähnlich wie ein Kaffeefilter bei der Kaffeezubereitung.
Das schwergewichtige Organ hat zahlreiche, lebensnotwendige Aufgaben, denn es beeinflusst die Verdauung, den Stoffwechsel, den Blutkreislauf und den Hormonhaushalt.
Die Leber ist ein wichtiger Teil des Verdauungssystems. Im Magen und Dünndarm wird die aufgenommene Nahrung in ihre verwertbaren Bestandteile zerlegt, welche vom Blut aufgenommen werden. Das Blut fliesst dann in der Pfortader von den Verdauungsorganen zur Leber. Das Organ verarbeitet Eiweisse, Kohlenhydrate und Fette, die der Körper erst dann nutzen kann. Aus einem Überschuss an Kohlenhydraten bildet es Glykogen und Fett. Für Energieengpässe legt es diese Stoffe als Reserven an. Zusätzlich speichert es Vitamine, Eisen und Spurenelemente.
Die von der Leber produzierte Gallenflüssigkeit gelangt über das Gallengangsystem in den Darm. Auf diese Weise werden einerseits Abbauprodukte und Giftstoffe in den Darm abgeleitet und zum anderen die Fettverdauung unterstützt.
Als Klärwerk des Körpers ist sie zusammen mit der Niere für die Entgiftung zuständig. Sie entsorgt und beseitigt, so gut es geht, Schadstoffe aus Nahrung, Umwelt, Medikamenten und Genussmitteln wie Alkohol und Zigaretten. Sie neutralisiert auch das körpereigene giftige Ammoniak, das beim Abbau der Proteine anfällt. Entlang der Lebergefässe finden sich hochspezialisierte, nach dem Entdecker benannte Kupffersche Sternzellen, die das Blut von allen Fremdstoffen, beispielsweise Bakterien, befreien. Diese Zellen entfernen zudem die überalterten oder geschädigten roten Blutkörperchen und geben sie zur Weiterverarbeitung an die Leberzellen ab. Auch die Erkennung und Ausschaltung von Tumorzellen gehört zu den Aufgaben der Leber. Dementsprechend ist sie auch ein wichtiges Organ für das Abwehrsystem.
Die Leber baut den roten Blutfarbstoff ab und produziert Albumin, ein lebenswichtiges Protein, das u.a. das Blut in den Gefässen hält und Substanzen wie Fettsäuren, Vitamine und Medikamente (z.B. Penicillin) im Blut transportiert. Albumin bindet auch viele wasserunlösliche Giftstoffe. Leberzellen bilden die Gerinnungsfaktoren für das Blut und ein besonderes Eiweiss (C-reaktives Protein), das für die Infektabwehr eine wichtige Rolle spielt. Zusätzlich stellt die Leber Hormone her, baut sie auf oder ab.
Wir sehen, viele lebenswichtige Funktionen werden ausschliesslich von der Leber wahrgenommen.
Würde die Leber ausfallen oder in ihrer Arbeit ausserordentlich behindert sein, käme es zu einem Abfall des Blutzuckers und infolgedessen zur Schädigung der Hirnzellen. Das Versagen der Eiweissherstellung würde zu Störungen des Hormon- und Enzymaufbaus führen. Wegen des Mangels an Gerinnungsfaktoren im Blut käme es schon bei geringfügigen Anlässen zu Blutungen. Die nicht abgebauten Stoffwechselgifte würden zu einer raschen Schädigung sämtlicher Körperzellen führen.
Bei lebensbedrohlichen Schädigungen ist, anders als bei den Nieren, eine Dialyse bei der Leber nur kurzfristig möglich. Während die Entgiftungsfunktion heutzutage kurze Zeit maschinell aufrechterhalten werden kann, gelang es bisher nicht, die Aufbaufunktionen künstlich nachzuahmen.
Mangelnde «Vorverdauung» im Mund durch zu hastiges Essen, denn gründliches Kauen und Einspeicheln erleichtern der Leber die Arbeit.
Schwere Lebererkrankungen sind: Tumore, Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen, Virusinfektionen (Hepatitis B und C), toxische Erkrankungen durch Pilzvergiftungen, Umweltgifte und Medikamente sowie die alkoholisch bedingte und die nicht-alkoholisch bedingte Leberentzündung. Letztere betrifft hauptsächlich Übergewichtige und Diabetiker (Typ 2) und wird immer häufiger festgestellt. Die durch Viren hervorgerufenen Leberentzündungen werden mit den Buchstaben A – G bezeichnet. Am häufigsten sind Hepatitis A und B. Wenn auch Ursachen und Verlauf dieser Krankheiten sehr unterschiedlich sein können, die Spätfolgen gleichen sich. Es kommt zu einer Zerstörung der Leberzellen, die kranke Leber vernarbt und schrumpft. Medizinisch heisst das Zirrhose. Schwerwiegende Folgen einer Zirrhose: Wasserbauch, Störung der Hirnleistung, Blutungen aus Krampfadern in Magen oder Speiseröhre, in sehr ungünstigen Fällen auch Leberkrebs. Durch geeignete frühzeitige Therapien lässt sich ein solcher chronischer Verlauf oft erfolgreich verhindern.
Die Hepatitis A, auch als Reisehepatitis bekannt, weil sie durch schlechte hygienische Verhältnisse und fäkal-verunreinigtes Wasser, Lebensmittel oder Personen vor allem in der 2. und 3. Welt verursacht ist, wird nicht chronisch und führt zur lebenslangen Immunität. Eine Hepatitis A oder B lässt sich auch durch Impfung vermeiden, eine Hepatitis C nicht. Leberentzündungen werden durch Blutuntersuchungen des Arztes diagnostiziert und sollten ärztlich behandelt werden.
Die Hepatitis A bricht in einem Zeitraum von drei Tagen – 5 Wochen nach der Ansteckung aus. Beschwerden sind: Müdigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Widerwille gegen fette Speisen, Alkohol und Nikotin. Sie heilt meist nach 2 – 4 Wochen wieder aus.
Die Ursache der Hepatitis B, einer weitaus ernsteren Erkrankung, ist ein völlig anderer, äusserst ansteckender Virus. Übertragen wird er durch Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Vaginalschleim oder Speichel. Ein häufiger Ansteckungsweg besteht durch kontaminierte Nadeln beim Spritzen von Drogen. Durch den weltweiten Tourismus haben sich die Erkrankungszahlen in den letzten Jahren dramatisch erhöht.
Symptome: ähnlich wie bei Hepatitis A. Abrupte Wechsel zwischen Appetitlosigkeit und Heisshungerattacken. Chronisch Kranke leiden vor allem unter Leistungsschwäche, Müdigkeit, Druck- und Völlegefühl im Oberbauch. Die Inkubationszeit (Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit) beträgt zwischen 6 Wochen und 3 Monaten.
Gelbsucht ist keine Krankheit, sondern das Symptom einer Funktionsstörung oder einer Schädigung der Leber. Auch Gallensteine, Entzündungen der Gallenwege oder Tumore können zu einer Gelbsucht führen.
Ursache der Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Augenbindehaut ist ein Stau des gelben Bilirubins, eines Stoffes, der beim Abbau roter Blutkörperchen in der Leber entsteht und normalerweise zu einem sehr kleinen Teil über die Nieren und den Urin, zur Hauptsache jedoch mit der Gallenflüssigkeit über den Darm und den Stuhl entsorgt wird.
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Sie ist weit verbreitet, wird jedoch noch viel zu selten bemerkt: Die nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) ist mittlerweile die häufigste Lebererkrankung in westlichen Ländern. Experten zufolge entwickelt sie sich zu einer Volkskrankheit. Von den stark Übergewichtigen und den Diabetikern haben rund 85 Prozent eine Fettleber, und bereits jedes dritte übergewichtige Kind leidet an dieser Krankheit.
Man unterscheidet drei Stufen der Erkrankung.
Lange Zeit wurde die Fettleber hauptsächlich mit übermässigem Alkoholkonsum in Verbindung gebracht. Doch das Bild hat sich gewandelt: Höheres Alter, Adipositas, Bewegungsmangel, Insulinresistenz und/oder Diabetes mellitus gelten gleichfalls als Risikofaktoren. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer nicht-alkoholischen Fettleber spielt offenbar der Konsum fructosehaltiger Softdrinks, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Der Fruchtzucker steckt ohnehin in zahllosen industriell hergestellten Lebensmitteln. Der Fructosegehalt natürlicher Quellen (z.B. Äpfel, Bananen) ist unproblematisch, wenn man sich an die empfohlenen zwei Portionen täglich hält. Ein Fructoseüberschuss kann jedochim Dünndarm nicht resorbiert werden und gelangt so in den Dickdarm. Dort beeinflusst er das Mikrobiom ungünstig, infolgedessen entzündliche Prozesse Einfluss auf den Leberstoffwechsel nehmen. Ausserdem aktiviert Fructose direkt die Speicherung ungenutzter Nahrungsenergie in der Leber, was zusätzlich zur Leberverfettung beiträgt.
Eine Fettleber können allerdings nicht nur Übergewichtige, sondern auch schlanke Menschen entwickeln und zwar aufgrund von Eiweissmangel. Auslöser dafür kann z.B. Unterernährung sein. Das Risiko erhöht sich auch während einer Schwangerschaft, nach einer teilweisen Leberentfernung oder nach Operationen, die Teile des Dünndarms ausschalten.
Das Tückische an einer Fettleber ist: Die Krankheit kann über Jahre unbemerkt verlaufen und bereitet erst mal keine Schmerzen. Die Leber indes lagert Fett ein und schwillt an – mitunter bis auf die doppelte Grösse. Das macht sich allenfalls in Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten bemerkbar. Im ersten Stadium geben nicht mal die allfällige «Leberwerte» (GOT, GPT) bei einer Blutuntersuchung einen Hinweis. Die Leberwerte steigen erst, wenn die Fettleber sich entzündet. Mitunter treten dann auch Symptome einer Gelbsucht auf. Allmählich entgleisen dann schliesslich die Blutzucker- und Blutfettwerte, da eine verfettete Leber ihren Aufgaben bei der Stoffwechselkontrolle nicht mehr im erforderlichen Masse nachkommen kann.
Meist kann die Ärztin eine vergrösserte Leber (Hepatomegalie) ertasten. Die Bestätigung eines Verdachts erfolgt mittels Ultraschall des Oberbauchs. Per Blutentnahme werden die Leberenzyme bestimmt: Erhöhung der Gamma-GT (GGT) bei reiner Fettleber (Stufe 1) und Erhöhung von GPT und GOT bei bereits entzündeter Fettleber.
Alkoholverzicht respektive ein massvoller Umgang mit Alkohol steht an vorderster Stelle. Wichtig in Bezug auf die nicht-alkoholische Fettleber sind eine Gewichtsreduktion, viel Bewegung und gesünderes Essen. Schon bei einem Gewichtsverlust von 5 Prozent verbesserten sich die Laborwerte und Gewebebefund; bei 10 Prozent Gewichtsverlust kann sich die Fettleber innert eines Jahres fast vollständig erholen, sagen Wissenschaftler. Voraussetzung ist allerdings, dass die NAFLD frühzeitig erkannt, der Lebensstil konsequent umgestellt und eine dauerhafte Gewichtsreduktion erzielt wird.
Experten empfehlen:
Tückisch an Lebererkrankungen ist, dass die Leber keine Schmerzen macht und keine eindeutigen Warnzeichen abgibt.
Mögliche Beschwerden im Anfangsstadium wie Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Ekel gegen bestimmte Speisen (Fleisch), Druckgefühl im rechten Oberbauch, häufige blaue Flecken, die nur langsam wieder verschwinden, sind eher unspezifisch. Schreitet die Krankheit fort, äussern sich die Symptome allerdings schwerwiegender: Juckreiz am ganzen Körper, Gelbfärbung der Haut oder Augen, heller Stuhl und bierbrauner Urin, Übelkeit und Erbrechen, Blähbauch.
Zwar trägt sie bei dauerhafter Überlastung bleibende Schäden davon, doch kann die Leber sich nach einer Phase der Überforderung auch rasch wieder erholen. Das Leberzellgewebe hat eine grosse Kapazität und entsprechende Reserven. Selbst der Ausfall grosser Areale durch Verletzung oder Erkrankung kann kompensiert werden. Etwa ein Drittel der Lebermasse kann ausreichend sein, um noch alle Pflichten zu erfüllen.