Der Mensch braucht dringend Eisen – für Wachstum, Energie und gesunde Entwicklung. Je nach Alter, Ernährungsstil oder Krankheit kann es bei der Versorgung zu Problemen kommen.
Autorin: Ingrid Zehnder, 01.19
Das Spurenelement ist lebensnotwendig. Winzigste Mengen entscheiden über Wohlbefinden oder Mangelerscheinungen. Es wird nicht im Körper produziert, sondern muss von aussen zugeführt werden. Im Normalfall über die Ernährung. Erste Anzeichen für einen Eisenmangel äussern sich als Blässe, Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Grössere Defizite können zu Konzentrationsstörungen, Schwindel und Infektanfälligkeit führen. Auch trockene Haut, Haarausfall, brüchige Nägel, rissige Mundwinkel und Zungenbrennen können auf Eisenmangel hinweisen. Doch sind diese Symptome so unspezifisch, dass nur geeignete Blutuntersuchungen im Labor klarstellen können, ob es sich tatsächlich um ein Eisendefizit handelt.
Eisenmangel gehört zu den häufigsten Mangelerscheinungen auf der Erde. 25 bis 30 Prozent der Menschen sollen betroffen sein, besonders häufig in Afrika, Südostasien und im Nahen Osten.
Einen interessanten Blick auf mögliche Ursachen geben zwei Studien von Juli und August 2018. Forscher der Stanford Universität und Wissenschaftler der Harvard Universität stellten fest, dass der Anstieg des Kohlendioxids (CO2) in der Atmosphäre aufgrund des Klimawandels die Ursache dafür ist, dass Getreidepflanzen wie Weizen, Reis und auch Mais weniger Eisen und Zink einlagern. Von den Mangelerscheinungen seien vor allem ärmere Menschen betroffen, die sich einen Ausgleich durch den Verzehr von Fleisch, Gemüse und Obst nicht leisten können.
Um im Normalfall eine wirksame Nutzung von Eisen und eine ausgeglichene Bilanz des essenziellen Spurenelements sicherzustellen, besteht im Körper ein äusserst komplexes, fein reguliertes System von Aufnahme, Transport, Speicherung und Ausscheidung. Stoffwechsel ist zwar ein gebräuchlicher, aber eigentlich falscher Begriff. Fachlich genau handelt es sich um Homöostase, was soviel bedeutet wie selbstregelnde Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen, konstanten Zustands im Körper.
Die Spanne zwischen zu geringer Versorgung und Überdosierung bei dem schwierigen Spurenelement ist so klein, dass alle Experten raten, sich nicht aufgrund käuflicher Eisenmangel-Schnelltests auf eigene Faust mit Eisenpräparaten zu behandeln.
Von einer guten Versorgung mit Eisen hängen die körperliche und geistige Fitness und auch die Stärkung der Abwehrkräfte ab. Das Mineral wird für die Blutbildung benötigt: Gibt es nicht ausreichend davon, kann der rote Blutfarbstoff Hämoglobin nicht genügend gebildet werden.
Die wichtigste Aufgabe besteht im Sauerstofftransport. Der über die Lungen aufgenommene Sauerstoff wird mithilfe des Eisens in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) an den Blutfarbstoff Hämoglobin gebunden. Mit dem Blut wird der zwingend benötigte Sauerstoff im Körper verteilt, wo er in den Organen bzw. allen Zellen zur Energiegewinnung genutzt wird. Ein kleinerer Teil des Eisens befindet sich im Muskelfarbstoff Myoglobin, dem Sauerstoffspeicher des Muskelgewebes. Zudem sind einige, für den Stoffwechsel wichtige Enzyme von Eisen abhängig.
Eisen aus dem Blut bindet an ein in der Leber gebildetes Eiweiss, das sogenannte Transferrin, welches für den Transport in die Organe und Gewebe zuständig ist. Wird Eisen gespeichert, kommt Ferritin ins Spiel. Dabei handelt es sich um einen Proteinkomplex, der Eisen speichern kann. Ferritin, auch Depot-Eisen genannt, befindet sich hauptsächlich in der Leber, der Milz und im Knochenmark.
Der Eisengehalt von Transferrin und Ferritin kann im Blutserum gemessen werden und wird – neben dem Eisen- und Hämoglobinwert – in der Diagnostik genutzt.
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Die täglich im Körper zirkulierende Eisenmenge ist wesentlich grösser als der Eisenverlust oder die Eisenaufnahme. Bei einem gesunden Mann sind das ca. vier Gramm, bei einer gesunden Frau zwischen zweieinhalb und drei Gramm. Geringe Verluste entstehen täglich durch die natürliche Abschilferung von Hautzellen, über Schweiss, Urin und Stuhl.
Aufgenommen wird Eisen über die Nahrung und vorwiegend im Magen und Dünndarm extrahiert. Allerdings wird nur ein Bruchteil – man rechnet mit 10 bis 15 Prozent – des in der Nahrung enthalten Eisens tatsächlich aufgenommen. Während des Wachstums und in Mangelsituationen wird die Eisenaufnahme jedoch gesteigert – man rechnet mit etwa 20 bis 30 Prozent. Wie gross der Anteil des im Körper verwerteten Eisens ist, hängt von der Art der Ernährung, vom akuten Bedarf und der Füllung der Eisenspeicher ab. Durch verstärkte bzw. verminderte Aufnahme kann sich der Körper normalerweise einige Zeit selbst vor einem Mangel bzw. einem Zuviel an Eisen schützen. Dies geschieht u.a. durch das Peptid Hepcidin, dessen Produktion in der Leber je nachdem gesteigert oder gedrosselt wird.
Das Spurenelement liegt in tierischer und pflanzlicher Nahrung in zwei verschiedenen chemischen Verbindungen vor. Am wirkungsvollsten wird zweiwertiges oder auch Häm-Eisen resorbiert; es kommt in einer leicht verfügbaren Form vor allem in Fleisch, Fleischwaren und Fisch vor. Bei sonst ausgewogener Ernährung reichen ein bis zwei Fisch- oder Fleischmahlzeiten pro Woche aus, um einem Eisenmangel vorzubeugen.
Pflanzen enthalten dreiwertiges Eisen, auch Nicht-Häm-Eisen genannt, welches im Darm erst zu zweiwertigem Eisen umgebaut (in der Fachsprache: reduziert) werden muss und weniger gut verwertbar ist. Doch auch vegetarisch oder vegan lebende Menschen müssen einen Eisenmangel nicht befürchten. Es gibt Nahrungsstoffe, welche die Eisenaufnahme verbessern, falls sie gleichzeitig mit den pflanzlichen Lebensmitteln verzehrt werden. Eine bedeutende Rolle spielt Vitamin C (in Früchten, Gemüsen, Fruchtsäften), welches die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Pflanzen erheblich steigern kann. Weitere, sogenannte stimulierende Faktoren sind Milchsäure, Zitronensäure, Vitamin A und Betacarotin.
Auch Pflanzenextrakte (Brennnesseln) und homöopathische Mittel können eine bessere Eisenverwertung unterstützen. Vegetarierinnen und Veganer, die ihre Lebensmittel geschickt wählen und kombinieren, haben meist Eisenwerte im gesundheitlich unbedenklichen, wenn auch unteren Normbereich.
Bei gesunden Menschen und ausgewogener Mischkosternährung ist die Aufnahme von Eisen normalerweise ausreichend. Besonders viel Eisen benötigen Frauen mit starken Regelblutungen, schwangere und stillende Frauen sowie Kinder im Wachstum. Zwar kommen Säuglinge mit einem beachtlichen Vorrat an Eisen zur Welt, doch sind diese Reserven nach etwa sechs Monaten erschöpft, da Muttermilch nicht besonders viel (dafür aber gut verwertbares) Eisen enthält. Flaschennahrung enthält kleine Eisenmengen; in beiden Fällen sollte die Beikost nach dem ersten Halbjahr dann eisenhaltige Lebensmittel enthalten. Da Eisen eine wichtige Rolle bei der Hirnreifung im Kindesalter hat, wird sogar darüber spekuliert, ob zu wenig Eisen in den ersten Lebensjahren zu Hyperaktivität und mangelnder Aufmerksamkeit (ADHS) im weiteren Leben führen kann.
Die gesundheitlichen Vorteile einer vegetarischen oder veganen Ernährung sind vielfältig und unbestritten. Es gibt allerdings in pflanzlicher Nahrung leider auch bestimmte Stoffe, welche die Eisenabsorption behindern. Dazu gehören Polyphenole/Tannine in Kaffee, grünem und schwarzem Tee, Hülsenfrüchten, Trauben und Wein; Phytate/Phytinsäure (besonders viel:) in Getreidekleie, Vollkornprodukten, Haferflocken, Erdnüssen, Weizenkeimen, Sojabohnen, weissen Bohnenkernen; Calcium in Milch und Käse; künstliche Phosphate, z.B. in Fertiggerichten, Cola und Limonade, sowie Oxalsäure, z.B. in Rhabarber, Mangold oder Sommerspinat.
Die Rolle von Phytaten, sekundären Pflanzenstoffen, als «Mineralstoffräuber» wird seit langem kontrovers diskutiert. Man kann aber davon ausgehen, dass speziell Vitamin C deren negative Wirkung auf die Eisenaufnahme abschwächt. Wenn Vegetarier diese -Getränke und Lebensmittel nicht im Übermass verzehren bzw. einen Abstand von zwei Stunden zur eisenhaltigen Mahlzeit einhalten, ist auch ihre Eisenversorgung nicht in Gefahr. Ein Glas Orangen-, Karotten-, Johannisbeersaft oder Molkenkonzentrat zum fleischlosen Essen verbessert die Aufnahme von Eisen signifikant.
Der bedeutendste Grund liegt in (chronischen) Blutverlusten: starken Periodenblutungen, häufigen Blutspenden, Blutungen aus dem Verdauungstrakt (Krebs, Geschwüre, Entzündungen), nach Unfällen/Operationen. Die zweite Ursache liegt in Lebenssituationen mit höherem Bedarf. Schwangere brauchen mehr Eisen zum Aufbau der Plazenta und zur Versorgung des Embryos. Leistungssportler (Ausdauersportarten) bilden mehr Hämoglobin, da der Energie- und Sauerstoffumsatz sowie die Schweissbildung erhöht sind.
Probleme mit der Aufnahme entstehen nach Magenoperationen/-verkleinerungen oder infolge chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn. Auch arzneiliche Mittel, z.B. Abführmittel, bestimmte Antibiotika, Calcium-/Zink-/Magnesiumpräparate bzw. Multivitaminpräparate mit diesen Mineralstoffen oder magensäurebindende Medikamente, behindern die Eisenaufnahme.
Eine zu geringe Aufnahme betrifft manche ältere Menschen, die aus mangelndem Appetit oder wegen Schluck-/Zahnproblemen insgesamt zu wenig essen oder unter chronischen Entzündungen/Erkrankungen leiden.
Ursache für zu wenig Nahrungseisen sind auch einseitige Diäten und Essstörungen.
Ohne nachgewiesenen Eisenmangel sollten Eisenpräparate niemals vorbeugend eingenommen werden.
Ein Speichereisenmangel (Stadium I) liegt vor, wenn durch eine zu geringe Aufnahme bzw. erhöhte Verluste auf die Eisenspeicher (Ferritin) zurückgegriffen wird. In einem solchen Fall sind kaum Symptome zu erwarten, und eine eisenreichere Ernährung wird angeraten.
Beim funktionellen Eisenmangel oder Eisenmangel ohne Anämie (Stadium II) reicht die Eisenversorgung der Vorläuferzellen zur Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark nicht mehr aus; die Körperzellen erhalten zu wenig Eisen. Allerdings sind die Hämoglobinwerte (Hb-Werte) noch normal, was bedeutet, dass genug Sauerstoff verteilt werden kann. Auf ärztlichen Rat kann in diesem Fall auf oral einzunehmende Eisenpräparate zurückgegriffen werden; sie müssen über längere Zeit und genau nach Vorschrift eingenommen werden.
Eisenmangelanämie (Stadium III) oder Eisenmangel mit Blutarmut: Die Eisenspeicher reichen nicht mehr aus für die normale Bildung und Entwicklung der roten Blutkörperchen. Die ungenügende Eisenversorgung der Körperzellen ist bereits so ausgeprägt, dass letztendlich auch der Hämoglobinwert sinkt. Schwere Eisenmangelanämien sind selten und meist auf eine gravierende Erkrankung zurückzuführen. Zunächst müssen mögliche Grunderkrankungen diagnostiziert und behandelt werden.
Die Standardbehandlung besteht in der Gabe von Eisenpräparaten (Filmtabletten, Dragées, Tropfen). Nur bei Unverträglichkeit oder fehlender Wirkung, bei Schwangeren, bei chronischen Darm- und Nierenerkrankungen sollten Injektionen (kleinere Mengen) oder Infusionen (grössere Mengen) gegeben werden. Eisenbehandlungen haben nicht selten Nebenwirkungen. Der schwarz gefärbte Stuhl bei den Präparaten ist völlig harmlos, doch kann es auch zu Magenschmerzen, Durchfall oder Verstopfung kommen. Infusionen können zudem schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen hervorrufen.
Tatsache ist, dass es in der Wissenschaft keine Einigkeit über einen fixen Ferritin-Grenzwert zur Feststellung eines Eisenmangels gibt. Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) schrieb 2015: «Das Protein Ferritin gilt als Standardmessgrösse für die Menge an gespeichertem Eisen ... Zur Frage eines Ferritingrenzwertes, der einen Eisenmangel (ohne Anämie) ausschliessen könnte, existiert offenbar kein wissenschaftlicher Konsens.» Einen Richtwert gibt die WHO vor: Bei einem Ferritinspiegel unter 15 Mikrogramm pro Liter Blut spricht sie von Eisenmangel.
«Müdigkeit ist ein häufiger Konsultationsgrund in der ambulanten Praxis und heute wohl in der Schweiz die häufigste Indikation zur Eisentherapie ...» konstatierte schon 2009 der Internist Dr. Ferdinand Martius in Swiss Medical Forum, der medizinischen Fortbildungszeitschrift.
Besonders umstritten sind Infusionen von Eisen bei Menschen, die unter Müdigkeit (Fatigue), Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen leiden, aber Ferritinwerte im Normbereich bzw. in einem «Graubereich» zwischen 15 und 50 Mikrogramm/Liter haben. Federführend sind hier die sogenannten «Eisenärzte», die sich in der Swiss Iron Health Organization (SIHO) zusammengeschlossen haben. Als Indikation gilt bei ihnen ein «Eisenmangelsyndrom», welches – auch bei Frauen mit Regelblutungen – darauf beruht, dass jeder Mensch seine eigene «Eisenschwelle» habe.
Nicht zuletzt deshalb stieg in der Schweiz die Zahl der (sehr teuren) Eiseninfusionen zwischen 2010 und 2016 um 70 Prozent; und es wurden 2015/2016 vier Mal mehr Eiseninfusionen verabreicht als in Deutschland und gar nahezu neun Mal mehr als in Österreich. Die Schweizer Presse schrieb von «Millionengeschäft mit Eiseninfusionen» (Hausarztmedizin an der Uni Zürich), «lukratives Geschäft mit umstrittener Infusion» (Saldo/Ktipp), «Paradebeispiel für umstrittene und unnötige Therapien» (Blick), «um wissenschaftliche Belege foutieren sich die ‹Eisenärzte›» (Beobachter). Zahlreiche Kritiker halten die vielen Infusionen für unnötig und schreiben die ausserordentlich hohen Zahlen und Gewinne dem geschickten Marketing des Schweizer Pharmaunternehmens zu, welches die beiden einzigen in der Schweiz zugelassenen Injektions-/Infusionsprodukte herstellt.