Getränke aus Blüten, Früchten und wilden Kräutern sind einfach selbst herzustellen. Wie wär's mit einer Giersch-Schorle, einer Wiesenklee-Limonade oder einem Verdauungslikör?
Autorin Gisela Dürselen
Für Elisabeth Rechthaler ist keine Pflanze Unkraut. Man muss nur wissen, wie man mit ihr umgeht: Welche Teile nützlich sind, und was man zu welcher Jahreszeit ernten und verwenden kann. Denn es gibt Pflanzen, die zu bestimmten Zeiten heilsam sind, den Rest des Jahres aber giftig, und es gibt andere, von denen nur Blüten oder Wurzeln essbar sind. Elisabeth Rechthaler ist Kräuterpädagogin mit einer Zusatzausbildung in Heilkräuterkunde. Jeden Sommer bietet sie geführte Wanderungen ins Gaißacher Moos oder hoch hinauf auf die «Sunntrat'n» an: auf eine Anhöhe, von wo aus man bei schönem Wetter über das Tölzer Land bis tief hinein ins Karwendelgebirge blickt. In diesem bayerischen Voralpenland mit seinen wiederkäuenden Kühen, den weichen Rundungen der Hügel und den mächtigen Eichen und Linden auf den Weiden ist Elisabeth Rechthaler zu Hause. Als Kind suchte sie mit dem Grossvater nach frischen Kräutern und Blüten. Deshalb kennt sie in dieser Gegend jede Mulde und Biegung und jeden noch so kleinen Steig. Daher weiss sie auch die alten Rezepte und die Geschichten, die sich die Leute früher über die Natur erzählten
Wenn die Kräuterpädagogin mit einer Gruppe auf die Sunntrat'n steigt, kredenzt sie zum Abschluss eine stärkende Brotzeit auf der eigenen Hütte. Alles ist selbstgemacht, auch die Getränke, allen voran die leckeren Kräuter-Schorles, sind aus eigener Produktion. Wer unbedingt möchte, kann auch pures Wasser trinken. Aber darauf verzichten an diesem Tag die meisten: Denn erstens schmecken die Schorles herrlich, und zweitens «schwemmen sie nach anstrengendem Marsch den Körper nicht so aus wie Wasser und geben ausgeschwitzte Mineralien wieder zurück», so Rechthaler.
Sie werden erstaunt sein, wie angenehm würzig und frisch eine Giersch-Schorle schmeckt. Blütenlimonaden macht man aus allerlei Wiesen- und Gartenblumen.
Bis Frühsommer, wenn die Giersch-Blätter noch weich und zart sind, steht bestimmt auch eine Schorle aus dem Doldenblütler (Geissfuss, Aegopodium podagraria) auf dem Tisch. Kaum ein Gärtner kann sich so richtig an der Anmut der kleinen weissen Blüten in seinem Beet erfreuen. Denn Giersch bildet meterlange Wurzeln, die immer wieder nachwachsen. Das hat ihm den Ruf als besonders hartnäckiges Unkraut eingebracht. Nach Elisabeth Rechthalers Grossvater gibt Giersch genau diese Qualität weiter: «Der Giersch verleiht Kraft und Vitalität», erzählte er. Die würzig nach Petersilie duftende Pflanze liebt feuchte, nährstoffreiche Erde und heisst im Volksmund auch Dreiblatt, weil die Drei das Kennzeichen des Giersch ist: «dreikantiger Stengel, jeweils drei Blätter und drei Triebe.»
In der Volksheilkunde wurde Giersch äusserlich bei Rheuma und Gicht eingesetzt, weshalb er früher Gichtkraut hiess. Für eine Giersch-Schorle gibt Elisabeth Rechthaler zwei Hände voll junger, frischer Blätter in einen Liter naturreinen Apfel- oder Traubensaft und gibt zur Entsäuerung den Saft einer halben Zitrone dazu. Zitrone schmecke zwar sauer, werde aber basisch verstoffwechselt, sagt sie. Dann zieht die fertige Mischung zwei Stunden lang und wird vor dem Servieren nach Geschmack mit Mineralwasser verdünnt.
Der individuelle Geschmack und das eigene Gespür sind Elisabeth Rechthaler wichtig, wenn es um Kräuter geht: «Wer öfter durch die Natur geht, bewusst hinschaut, wo was wächst, die jungen Triebe und Blüten in der Hand zerreibt, riecht und schmeckt, schult seine Sinne und merkt sehr bald selbst, was ihm gut tut und was nicht.»
Überall auf den üppigen Wiesen steht im Frühsommer der Wiesenklee, wegen seiner Blüten auch Rotklee genannt. Rotklee enthält Gerbstoffe, aber auch östrogenartige Stoffe wie Isoflavone, weshalb er in Tees gegen Wechseljahrsbeschwerden verwendet wird. Rotklee könne noch viel mehr, sagt Elisabeth Rechthaler und zitiert den bekannten Kräuterkundler Adamus Lonicerus aus dem Jahr 1564: Die Pflanze «... eröffnet die innerlichen Verstopfungen der Leber, Nieren, Milz und macht einen leichten Atem, ein fröhliches Gemüt, gute Esslust und heilet Wunden und Schäden.»
Für eine Blüten-Limonade mit Rotklee nimmt die Kräuterpädagogin zwei Hand voll Blüten, gibt etwas Zitronenmelisse oder Pfefferminze dazu, oder was gerade sonst an Würzigem im Garten wächst, und setzt das Ganze wie die Giersch-Schorle an. Blüten-Limonaden macht sie nie aus nur einer Art. Dabei nimmt sie, wonach ihr gerade ist und was draussen frisch steht: die Blüten von Rosen und Lavendel, Malven, Kamillen und Gänseblümchen, aber auch Ringelblumen und Labkraut. So stehen nie einzelne Wirkstoffe im Vordergrund, sondern die positiven Wirkungen verschiedener Pflanzen ergänzen sich.
Das weiss blühende Klettenlabkraut beispielsweise, das sich beim Spazierengehen an der Kleidung festsetzt und gerne auf trockenen Wiesen und an Wegrändern steht, soll den Körper stärken und Schwermetalle ausleiten. Das Gänseblümchen enthält viel Kieselsäure und Flavonoide; es gilt als entgiftend und stoffwechselunterstützend. Die roten Stellen an den Blüten des Gänseblümchens sind die Flavonoide, sagt Elisabeth Rechthaler. «Sie schützen die Blume vor der Sonne und den menschlichen Körper vor freien Radikalen.» Hat sie einmal zu viel von den kleinen Blüten gesammelt, gibt sie diese in eine Eiswürfel-Form, giesst mit Wasser auf, friert sie ein und verwendet sie später, wenn sie sie braucht.
Zu den kräuterigen und blumigen Gespritzten kredenzt «Lisi» Rechthaler gerne einen kleinen Snack: zum Beispiel hauchzarte Wiesenpralinen. Dazu werden die Blüten des Rotklees oder die Blätter des Gundermannkrauts kurz in Schokoladenkuvertüre eingetaucht und anschliessend zum Aushärten auf Backpapier ausgelegt. Der zart violett blühende Gundermann wächst in Gebüsch- und Heckenstreifen, an Wegrändern und als «Unkraut» in Gärten. Laut der Kräuterpädagogin regt er Blase, Niere und Stoffwechsel an, löst Schleim und lindert Entzündungen. Wer's lieber herzhaft mag, greift zu Brennessel-Chips: Dazu werden Brennesselblätter in Bierteig gelegt und kurz angeröstet.
Für Sirups und Gelees mit Kräutern oder Blüten kocht Elisabeth Rechthaler einen Liter-Messzylinder voll Kräuter oder Blüten mit einem Liter Wasser auf und lässt die Mischung zwölf Stunden ziehen. Dann rührt sie den Saft einer Zitrone ein, giesst das Ganze ab und verarbeitet es für Sirup mit einem Kilo Rohrzucker, für Gelees mit einem Kilo Gelierzucker.
Im Frühjahr verwendet Rechthaler gerne die Blüten des Löwenzahns oder die jungen Triebspitzen der Fichten, im Sommer alles, was an Kräutern blüht. Im Herbst stellt sie Liköre aus Früchten her. Für einen Brombeerlikör braucht sie vier Kilo reife Brombeeren. Diese werden gewaschen, verlesen und mit 500 Gramm Rohrzucker im Dampfentsafter entsaftet. Den gewonnen Saft lässt sie mit einer Stange Vanille und 250 Gramm Rohrzucker leise köcheln, bis der Saft dicklich wird. Zur abgekühlten Brombeermasse gibt sie 0,7 Liter Weinbrand, je einen Teelöffel Pimentkörner und Nelken, dann rührt sie gut um und füllt den Likör in eine Karaffe oder Flaschen. «Brombeeren enthalten sehr viel Vitamin C, Gerb- und Bitterstoffe. Sie helfen bei Verdauungs- und Magenbeschwerden und sind ein sehr gutes Grippemittel.»
Andere Früchte verarbeitet sie genauso wie Brombeeren. Wichtig dabei: Der fertige Likör muss sechs bis acht Wochen ziehen.