Man soll reichlich Wasser trinken, das ist bekannt. Aber wie steht es um die Qualität? Was man über Hahnenwasser, Mineral- und Heilwasser wissen sollte.
Text: Anja Rech
Ohne Nahrung halten wir einige Tage lang durch, doch trinken wir nichts, wird es schnell kritisch. Kein Wunder: Unser Körper besteht zu rund 60 Prozent aus Wasser, und wir müssen ihm täglich 1,5 bis zwei Liter Flüssigkeit zuführen, damit der Stoffwechsel reibungslos funktioniert. Am besten – und nebenbei auch gänzlich kalorienfrei – ist reines Wasser. Die einen schwören dabei auf Hahnenwasser, andere auf Mineralwasser. Was unterscheidet die beiden Typen?
Trinkwasser hat hierzulande jeder verfügbar, es fliesst einfach aus dem Wasserhahn – und das sogar preisgünstig. Es wird streng kontrolliert und zählt nach Angaben von Paul Sicher vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) zu den reinsten Lebensmitteln der Schweiz. 40 Prozent stammen aus Quellen, 40 Prozent aus Grundwasser und 20 Prozent aus Seen. «Wir sind in der komfortablen Situation, dass wir 70 Prozent des Grundwassers nicht aufbereiten müssen, sondern direkt ins Leitungsnetz verteilen können», betont er. Der Rest sowie Seewasser wird – je nach Notwendigkeit – in mehreren Stufen bearbeitet.
Als Erstes fliesst es langsam durch Sand, der grössere Partikel und mikrobielle Keime herausfiltert. Anschliessend wird es mitunter desinfiziert, meist mit Ozon, seltener mit einer Chlorverbindung. Dies tötet Keime ab. Seewasser wird oft noch durch einen Aktivkohle-Filter geleitet, der kleinste organische Fremdstoffe wie Arzneimittel-Rückstände herausnimmt. Alternativ setzen viele Wasserwerke inzwischen Membranen ein, also Siebe mit mikroskopisch kleinen Poren. «Wir arbeiten dabei fast ohne Einsatz von Chemikalien», fasst Sicher zusammen.
Leider ist Wasser nicht immer von Natur aus sauber. Vor allem in Regionen, in denen viele Menschen leben oder die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, kann das Wasser, aus dem Trinkwasser bereitet wird, verunreinigt sein. So hat man 2019 festgestellt, dass sich Abbauprodukte des Pestizids Chlorothalonil im Trinkwasser nachweisen lassen. «Es ist in diesen Mengen nicht gesundheitsschädlich, doch für solche Stoffe gilt ein vorsorglich strenger Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter», erklärt der Umweltnaturwissenschaftler. Zum Vergleich: Das entspricht der Grössenordnung von einem Millimeter auf 10 000 Kilometer. «Wir haben enorm hohe Ansprüche an die Trinkwasserqualität», ergänzt Sicher. Es wurden verschiedene Vorkehrungen getroffen; so ist das Pestizid seit Januar in der Schweiz verboten.
Auch Nitrat, das vor allem für Babys gesundheitsschädlich sein kann, ist in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft immer wieder in der Diskussion. Nach Angaben des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) wird der Grenzwert von 25 Milligramm pro Liter im Grundwasser an mehr als jeder zehnten Schweizer Messstelle überschritten. Strenge Kontrollen gewährleisten jedoch, dass das Trinkwasser unbedenklich ist. «Unser Qualitätssicherheits-System überwacht sämtliche Prozesse: von der Fassung des Wassers über die Leitung, Speicherung und Verteilung ins Netz», beschreibt Sicher. Zum Schluss wird mit Wasserproben geprüft, ob es hygienisch einwandfrei ist, also keine schädlichen Keime enthält, und ob es frei von unerwünschten Chemikalien ist, beziehungsweise die gesetzlich vorgegebenen Höchstwerte einhält.
Auf welche Substanzen das Trinkwasser dabei untersucht wird, hängt von der Region und den möglichen Risiken ab: «In gewissen Gebieten Graubündens muss man wegen des arsenhaltigen Untergrundes auf Arsen achten, das braucht man im Mittelland nicht», zählt Sicher auf. In dicht besiedelten Regionen mit viel Industrie ist die Liste der untersuchten Stoffe lang. «In Basel oder Zürich suchen die Wasserversorger nach einigen hundert Substanzen», ergänzt er.
Auch die Messhäufigkeit ist individuell verschieden: In Gemeinden mit wenigen Einwohnern, die von Natur aus fast reines Wasser beziehen und ein gutes Versorgungssystem haben, genügt laut Sicher mitunter eine Messung pro Jahr. Eine Stadt wie Zürich nimmt dagegen tausende Male pro Tag Proben und kann dadurch eine hohe Sicherheit garantieren. «Damit eignet sich sauberes, frisches Trinkwasser auch bestens zur Herstellung von Säuglingsnahrung», ergänzt Stéphanie Bieler von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung.
Wir können also darauf vertrauen, dass Hahnenwasser sauber ist – zumindest bis zum Hausanschluss. Auf die Leitungen innerhalb des Hauses hat der Wasserversorger keinen Einfluss. So kann Rost aus alten Leitungen das Trinkwasser braun färben. Kupferrohre können das Schwermetall absondern, wenn Wasser länger darin steht. Diese sogenannte Stagnation kann auch dazu führen, dass sich Bakterien vermehren. Sicher rät daher, Stagnationswasser grundsätzlich ablaufen zu lassen: «Sobald es kühl wird, können Sie es frisch verwenden.» Im Trinkwasser sind immer auch Mineralien enthalten – in unterschiedlicher Menge. So ist Leitungswasser in kalkhaltigen Gebieten reich an Kalzium und Magnesium, also hart, in kalkarmen dagegen weich. Auch andere Mineralien wie Natrium, Kalium, Chlorid, Sulfat oder Fluorid finden sich darin. Ihre Mengenverhältnisse schwanken, weil Hahnenwasser aus verschiedenen Quellen vermischt wird. Eine Übersicht bietet: www.wasserqualitaet.ch
Mineralwasser wird direkt aus der Quelle abgefüllt. Es gilt als besonders rein, denn es wird aus grossen Tiefen gewonnen. So stammt Eptinger Mineralwasser aus 417 Metern, Valser aus 1000 Metern Tiefe. Beim langsamen Versickern wird es durch den Boden und das Gestein gefiltert. Bis es schliesslich aus der Quelle austritt, vergehen mehrere Jahre, manchmal sogar Jahrhunderte. Die verschlossene Flasche garantiert, dass es bis zum Verbraucher sauber bleibt. Er nimmt dafür in Kauf, dass er Glas- oder PET-Flaschen nach Hause tragen muss.
Ausserdem verbraucht er mit den Flaschen Ressourcen und produziert Müll. Glas bringt zwar viel Gewicht auf die Waage, verändert den Geschmack von Wasser jedoch nicht. Anders dagegen Kunststoff: Geringe Mengen Acetaldehyd aus der Verpackung können ins Wasser übergehen und für einen leicht fruchtigen Geschmack sorgen – auch weit unterhalb des Grenzwerts. Weil Sauerstoff eindringen kann, ist die Mindesthaltbarkeit hier geringer als bei Glas. Der Verdacht, dass hormonaktive Inhaltsstoffe aus PET-Flaschen ins Wasser übergehen, liess sich laut dem deutschen Bundesamt für Risikobewertung nicht bestätigen.
Die Mineralienzusammensetzung der Mineralwässer darf laut Gesetz nicht verändert werden. Dafür gelten nur wenige Ausnahmen, die auf dem Etikett deklariert werden müssen: «Je nachdem, welches Produkt gewünscht ist, darf Kohlensäure entzogen oder ergänzt werden», sagt Matthias Beckmann vom Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit Graubünden. Oft wird Eisen entfernt, weil es sich als braune Schlieren in der Flasche ablagern würde. «Und sollte natürlicherweise viel Mangan, Arsen oder Fluorid enthalten sein, darf man auch diesen Gehalt verringern.»
Da die Geologie regional verschieden ist, unterscheiden sich die Mineralwässer stark. So enthält Evian 80 Milligramm Kalzium pro Liter, Adelbodner 579. Damit deckt ein Liter über die Hälfte des Tagesbedarfs von 1 000 Milligramm. Verbraucher haben die Wahl, welche Zusammensetzung – die ja auch den Geschmack ausmacht – sie bevorzugen. Wer Mineralwasser bewusst einkauft, kann damit gezielt seine Gesundheit unterstützen. Übrigens sind nicht alle Mineralwässer zur Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet, wie Ernährungsexpertin Bieler betont: «Bei einigen ist der Gehalt an Mineralstoffen zu hoch.»
Für stilles Wasser nutzen Mineralwasserproduzenten oft Quellen mit geringerem Mineralstoffgehalt als für kohlensäurehaltiges, da die Säure Mineralien gelöst hält. In stillem Wasser mit einem hohen Gehalt würden sie ausflocken. Ausserdem haben Mineralien oft einen Eigengeschmack, den Kohlensäure abmildert. Umgekehrt können mineralarme Wässer, die viel Kohlensäure enthalten, leicht säuerlich schmecken. Unter www.mineralwasser.swiss findet sich eine Mineralisierungstabelle, die den Mineralstoffgehalt aller Schweizer Mineralwässer auflistet.
Mit Mineralwasser lässt sich gezielt die Gesundheit fördern: So sollten Menschen, die ihre Knochen stärken wollen, zu kalziumreichen Wässern greifen. Sie bieten sich auch für Menschen mit einer Laktoseintoleranz an, die Milchzucker nicht vertragen und daher auf Milchprodukte (eine unserer wichtigsten Kalziumquellen) verzichten. Magnesiumhaltige Wässer schützen vor Muskelkrämpfen. Sulfat regt die Verdauung an. Hydrogenkarbonat puffert Säuren ab und lindert deswegen Sodbrennen.