Essen und Trinken werden oft in einem Atemzug genannt. Doch im Grunde genommen sind es zwei ganz verschiedene Dinge: Essen liefert Energie, Trinken führt dem Körper mit dem Wasser einen Stoff zu, der die Basis jeder lebenden Materie ist und alle anderen Prozesse (auch den der Energiegewinnung) erst ermöglicht.
Autorin: Ingrid Zehnder-Rawer
Als Erwachsene bestehen wir (je nach Geschlecht und Alter) zu 55 bis 60 Prozent aus Wasser; der Wasseranteil im Körper eines Neugeborenen beträgt 80, der eines drei Monate alten Säuglings 75 Prozent.
Im Alter vertrocknen wir zunehmend, der Prozentsatz an Wasser sinkt bei 85-jährigen auf 50 Prozent. Wir müssen täglich trinken, weil wir täglich Wasser verlieren, im Durchschnitt etwa zwei bis zweieinhalb Liter pro Tag: 1 bis 1,5 Liter Urin, 0,5 Liter unsichtbaren Wasserdampf, der bei der Hautatmung verlorengeht, 0,4 Liter Wasserdampf, der durch die Atmungsluft abgegeben wird, 0,1 Liter Wasser beim Stuhlgang und schliesslich eine je nach Temperatur und körperlicher Tätigkeit unterschiedlich grosse Menge beim Schwitzen.
Jede Zelle ist innen und aussen von Flüssigkeit umgeben. Wasser ist das wichtigste Lösungs- und Transportmittel, denn die in den Körperzellen benötigten Nähr- und Wirkstoffe werden über die Blut- und Lymphflüssigkeit an die Zelle gebracht. Wasser ist auch verantwortlich für die Regelung der Körpertemperatur. Bei hohen Aussentemperaturen oder Fieber kühlen wir die Haut durchs Schwitzen ab. Wenn wir über längere Zeit zu wenig trinken, kann es sein, dass wir zu wenig schwitzen und dadurch nicht genug abkühlen. Das ergibt Kreislaufprobleme, wie nicht nur Liebhaber von heissen Stränden und Saunabesucher wissen. Ein Mangel an Wasser führt zu ungenügenden Ausscheidungen der Abfallprodukte des Körpers, die über die Nieren, die Lungen und den Darm mit Hilfe von Wasser eliminiert werden. Trinken wir zu wenig, bleiben Abbauprodukte im Körper zurück und können mit der Zeit zu Gelenk- und Muskelbeschwerden führen.
Durst ist eine Frage der Druckverhältnisse. Klingt seltsam, ist aber so: Das Durstzentrum ist im Gehirn, genauer im Hypothalamus, lokalisiert und reagiert auf den osmotischen Druck des Blutes. Der wiederum hängt in der Hauptsache von zwei Faktoren ab. Befindet sich zu wenig Wasser im Blut oder ist die Konzentration der gelösten Substanzen, in erster Linie Kochsalz, zu hoch, steigt der osmotische Druck.
Kurz, Flüssigkeitsverluste durch Schwitzen (auch durch Erbrechen und Durchfall) und eine vermehrte Aufnahme von Kochsalz führen zu einer Erhöhung des osmotischen Drucks. Dies veranlasst das Durstzentrum, die Speichel- und Schleimabgabe zu verringern (trockenes Gefühl im Mund) und den gesamten Organismus aufzufordern, nach Wasser zu verlangen (Durst). Ein gesunder Mensch, dessen Durstzentrum normal funktioniert, muss etwas zum Trinken haben, wenn der osmotische Druck im Blut erhöht ist oder wenn zwei Prozent der Flüssigkeitsmenge im Körper verloren gegangen sind. Angenommen, der Durst würde nicht beachtet und ein Flüssigkeitsverlust von fünf bis zwölf Prozent entstünde, würde sich bei fortschreitender Austrocknung der quälende Durst dramatisch steigern: über Kopfschmerzen, brennende Augen, Fieber bis zu Nierenversagen und Verlust der Schweissabsonderung. Fehlen 15 bis 20 Prozent des Körperwassers, führt dies zu tiefer Bewusstlosigkeit und schliesslich zum Tod.
Durst ist ein Warnsignal, und daher ist es wichtig, immer dann auch wirklich etwas zu trinken, wenn man durstig ist. Leider ist es beim Durst oft wie beim Essen. Man isst nicht, weil man Hunger hat, sondem weil es Mittagszeit ist oder weil alle anderen essen. Gewöhnt man sich an, das Trinkbedürfnis zu unterdrücken, ist das eine schlechte Angewohnheit, die gesundheitliche Nachteile im Sinne einer zeitweisen Austrocknung zur Folge hat.
Eine besondere Situation besteht beim alten Menschen. Sein Durstzentrum «altert» wie der Gesamtorganismus. Das heisst, die Reize aus dem Blut werden nicht mehr so schnell verarbeitet, der osmotische Druck muss durchschnittlich etwa dreimal höher sein. Dadurch entsteht weniger Durstgefühl, und dieses wird auch noch zeitlich verzögert, mit dem Resultat, dass viele ältere Menschen viel zu wenig trinken. Weist man sie daraufhin, hört man immer wieder das Argument: ich habe ja gar keinen Durst. Und genau das ist das Verhängnis. Obwohl der Durst im Alter nachlässt, darf die Trinkmenge nicht verringert werden! Für viele ist es eine Belastung, nach einem bestimmten Schema trinken zu müssen; manche betrachten es geradezu als Quälerei, zu trinken, wenn sie gar nicht durstig sind. Vielleicht hilft es ihnen, sich bewusst zu machen, dass es gerade jetzt wichtig ist, den Kreislauf zu entlasten, die Nieren zu entgiften und das Blut zu verdünnen, um damit Thrombosen und Embolien vorzubeugen.
"Eine 70 kg schwere Person benötigt eine regelmässige Gesamt-Flüssigkeitszufuhr (also Getränke plus Nahrung) von rund 2 bis 2.5 Liter." Schweizerische Gesellschaft für Ernährung
Unter normalen Bedingungen sollen Erwachsene anderthalb bis zwei Liter pro Tag trinken (zusätzlich wird durch feste Nahrung und als Oxidationswasser ungefähr ein Liter zugeführt). Ist der Urin hell-gelb, ist das ein gutes Zeichen. Eine dunkelgelbe Färbung zeigt, dass der Körper bereits stark ausgetrocknet ist. Menschen, die viel Fleisch essen (Obst und Gemüse haben einen höheren Wassergehalt) und alle, die ihre Mahlzeiten kräftig salzen, sollten noch etwas mehr trinken.
Grosse Hitze, starkes Sehwitzen, gesteigerte körperliche Bewegung erfordern natürlich eine weit höhere Flüssigkeitszufuhr.
In den Ernährungsempfehlungen der Schweizer Lebensmittelpyramide werden bereits mehr als 1 Liter Wasser allein durch die Aufnahme der fünf Portionen Gemüse (bis zu 95 % Wasser) und Früchte (80–95 % Wasser) geleistet.
Bei Velorennen gibt es nicht umsonst sogenannte «Wasserträger». Denn bei länger anhaltender, intensiver Betätigung braucht man einfach viel Flüssigkeit. Bei mehr als einer Stunde Training oder Anstrengung muss man auch daran denken, die mit dem Schweiss ausgeschiedenen Salze und die verbrauchte Energie zu ersetzen. Ein solcher «Sportdrink» lässt sich leicht selbst herstellen: pro Glas einen Esslöffel Zucker und eine Prise Salz in etwas heissem Wasser auflösen, dazu zwei Esslöffel Orangen- oder Zitronensaft und mit (kühlem) Wasser auffüllen.
Bei Fieber, Erbrechen, Durchfällen, starken Blutungen, Diabetes, erhöhter Schilddrüsenfunktion und einigen Nierenproblemen kann eine erhöhte Trinkmenge nötig sein. Bei hohem Blutdruck und gewissen Nierenerkrankungen kann das Gegenteil der Fall sein. Fragen Sie dann Ihren Arzt, welche Trinkmenge am günstigsten ist. Auch bei der Parkinson-Krankheit besteht die Gefahr der Austrocknung.
Wo Leitungswasser eine gute Qualität hat, sollte es das Hauptgetränk sein. Als Alternative bieten sich sprudelnde oder stille Mineralwasser an. Wer davon nicht zwei Liter pro Tag trinken mag, kann Frucht- und Gemüsesäfte verdünnen, Kräuter- oder Früchtetees, Milch und Milchgetränke trinken.
Cola-Getränke, gesüsste Limonaden und fertige Eistees liefern vor allem dickmachenden und schädlichen Zucker.
Wer oft vergisst zu trinken, kann mit ein paar einfachen Tricks nachhelfen. Auf den Bürotisch oder unter den Ladentisch gehört eine Flasche Wasser, die bei Arbeitsschluss leer sein sollte. Zu Hause mahnt ein Krug Tee an regelmässiges Trinken. Trinken Sie kleinere Mengen über den Tag verteilt, so wird der Körper stetig mit Flüssigkeit versorgt, und die Nieren können kontinuierlich arbeiten.