Bei uns eine beliebte Nascherei, anderswo geradezu ein Grundnahrungsmittel, geschätzt seit Tausenden von jähren: Die Dattel ist ein kraftvoller Energiespender und ungeheuer vielseitig in der Küche zu verwenden.
Text: Glorija Schönsleben
Sie gilt als eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt: Die echte Dattelpalme (Phoenix dactylifera) wird seit gut 5000 Jahren in Vorderasien angebaut. Neue archäobotanische Untersuchungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Kuwait haben sogar 7000 Jahre alte Dattelkerne zutage gefördert. Die Kerne, so zeigte sich, waren damals deutlich grösser als später in der Bronzezeit oder auch als heute. Aus Mesopotamien gelangte die Dattel erst nach Ägypten, Pakistan und Marokko. Vor ca. 1300 Jahren, also verhältnismässig spät, erreichte die Dattelpalme auch Europa, als sie von den Mauren nach Südspanien importiert wurde. Botanisch gehört die Familie der Dattelpalmen (Phoenix) zu den Palmengewächsen. Nur die Früchte der echten Dattelpalme werden zum Verzehr verwendet, die anderen meist für das Vieh. Die Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis) wiederum bringt zwar keine essbaren Datteln hervor, von ihr aber wird Sirup abgezapft, welcher eingedickt als Palmhonig bekannt ist.
Denkt man an Palmen, kommt einem gerne das Bild einer Oase mit Dattelpalmen mitten in der Wüste in den Sinn. Tatsächlich ist das trockenheisse Klima sehr vorteilhaft für die Palmenkrone, wobei die Wurzeln jedoch viel Wasser benötigen - sie geben sich sogar mit Salzwasser zufrieden! Der widerstandsfähigen, robusten Pflanze können weder Sandstürme noch starke Wüstensonne etwas anhaben. Die Dattelpalme wird bis zu 30 Meter hoch und bis zu 100 Jahre alt. Ihre ersten Früchte trägt die Pflanze mit acht bis zehn Jahren; die höchsten Erträge sind von ungefähr 30-jährigen Palmen zu erwarten. Die Ernte beginnt im August und kann sechs Monate dauern, wobei ein Ertrag von bis zu 100 Kilo pro Palme erreicht werden kann. Die bedeutendsten Anbaugebiete liegen heute in Ägypten, Iran, Saudi-Arabien, Mittel- und Lateinamerika, Südafrika und Australien. Europäische Datteln wachsen in den Palmengärten Südspaniens und auf einigen griechischen Inseln.
Die Dattel-Ernte erfolgt rund zehn Mal pro Jahr, bei der Schwindelfreie auf die Palme klettern. Die Ernte erfolgt von Hand. Die Datteln hängen traubenförmig an Rispen, welche einzeln bis zu 20 Kilo auf die Waage bringen können. Danach erfolgt das Aussortieren und die Selektion der Früchte. Rund 1500 verschiedene Dattelsorten soll es weltweit geben; ihre Farbnuancen gehen von gelb-rötlich bis fast schwarz-dunkel, in der Form von rundlich bis oval und in der Konsistenz von schmelzend weich bis hart. Grob unterscheidet man weiche, trockene und halbtrockene Kategorien. Auf unserem Markt sind die häufigsten Sorten Deglet Nour, Khidri und die Medjoul oder Medjool.
Nicht umsonst sagen die Araber, dass «es für die Dattelpalme so viele Verwendungsmöglichkeiten gibt, wie das Jahr Tage hat». Dies gilt insbesondere für die Früchte. Als wichtiger Bestandteil orientalischer Gastfreundschaft wird diese süsse Knabberei pur zu Kaffee oder Tee serviert. Aus Datteln werden auch Wachs, Zucker, Öl, Sirup und Schnaps gewonnen. Die Küche des Nahen und Mittleren Ostens verarbeitet sie zu Pasten unterschiedlichster Art sowie zu Konfitüre und Butter. Sogar von den für Menschen nicht essbaren Teilen der Dattel wird nichts verschwendet: Dattelkerne können als Futter für Kamele dienen. Neben den Früchten werden die Palmblätter für Flechtkörbe, Hausdächer und zur Verkleidung von Innenwänden eingesetzt; Palmenholz wird im Bau benutzt. Die robuste Dattelpalmenfaser eignet sich z.B. für die Herstellung von Seilen, Schnüren, Takelwerk und Bürsten.
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Dattelsirup, ein Produkt, das auch unseren Markt erobert hat, ist eine vitalstoffreiche Alternative zu anderen Süssungsmitteln. Dabei handelt es sich eigentlich um nichts Neues. Ursprünglich wurden in den arabischen Ländern Datteln in grossen, schweren Säcken aus Palmblättern dicht aufeinander gelagert; durch den starken Druck der je bis zu 70 Kilo wiegenden Säcke trat der natürliche Fruchtsaft aus, welcher darunter in einem Gefäss aufgefangen wurde. Dieser konnte als Dattelsaft, in Milchgetränken verwendet oder zum Süssen eingesetzt werden. Heute kann man den fertigen Sirup kaufen oder unter Zugabe von Wasser mit einem leistungsfähigen Mixer selber herstellen. Diese Methode ist im Vergleich zum traditionellen Einkochen schneller und einfacher, wobei allerdings das selbst gemixte, dickflüssige Endprodukt nicht so lange haltbar bleibt.
In fester Form werden Datteln als sogenannte Dattelsüsse angeboten, eine Zuckeralternative aus getrockneten, vermahlenen Datteln. Im Gegensatz zu gekochtem Dattelsirup bleiben die Nährstoffe dabei meistens erhalten. Die Dattel erregte während einer Reise in der Nähe der Ruinen von Babylon in Mesopotamien die Aufmerksamkeit von Alfred Vogel. Besonders die gesunden Zähne der dortigen jungen Bewohner, die nur Datteln als Süssigkeit kannten, fielen ihm auf. Dem Naturheilkunde-Pionier zufolge sind Datteln nicht nur Naturzuckerlieferanten bzw. Kohlenhydratspender, sondern «enthalten auch lebenswichtige Mineral- und Vitalstoffe, die Krankheiten zu verhüten vermögen».
Datteln weisen einen hohen Energiewert auf. Sie enthalten zwar 60 bis 70 Prozent Zucker, bieten aber weitere gesunde Nährstoffe. In ihnen stecken die Mineralstoffe Kupfer (24 % je 100 g), Kalium (16 %), Magnesium (15 %) und Eisen (15 %), was sie zu einem beliebten Snack bei körperlichen Anstrengungen für Sportler macht, insbesondere wenn durch starkes Schwitzen Mineralien ausgeschieden werden. Getrocknete Datteln enthalten sehr viel Kalium, mit bis zu 650 mg Kalium/100 g sogar fast doppelt so viel wie Bananen, die ihrerseits schon als die Kaliumlieferanten schlechthin gelten. Dem Kalium wird eine blutdrucksenkende Wirkung zugeschrieben. Es spielt auch eine zentrale Rolle im vegetativen Nervensystem sowie bei der Regulation des Wasserhaushalts. Die WHO empfiehlt als Kalium-Mindestzufuhr für Erwachsene ca. 3500 mg pro Tag, was bedeutet, dass mit 100 g Datteln bereits ein Fünftel des empfohlenen Tages-Mindestwerts gedeckt wird. Dies entspricht ungefähr vier grossen Medjool- oder 12 Deglet-Noor-Datteln, die insgesamt etwa 600 bis 700 mg Kalium enthalten.
Von den Vitaminen sind A, B1, B2, B3 (auch als Niacin bekannt), B6, Folsäure (gehört zur Gruppe der B-Vitamine) sowie Vitamin K enthalten. Oft wird bei Verdauungsbeschwerden zu Datteln gegriffen: Sie enthalten reichlich Ballaststoffe (bis zu 9 g pro 100 g bzw. 27 %) und haben einen positiven Einfluss auf die Verdauung, indem sie für leichteren Stuhlgang und schnellere Sättigung sorgen. Konsumiert man zu viele Datteln auf einmal, wirken sie abführend. Aufgrund des karamellähnlichen Geschmacks und ihrer kleinen Grösse könnte man Datteln generell zu den Süssigkeiten zählen (schon allein angesichts des relativ hohen Zuckergehalts). Sie enthalten kaum Fett (bis maximal 1 Prozent). Datteln dürfen deshalb als eine der gesünderen süssen «Sünden» eingestuft werden, die mit Mass genossen sogar für eine figurbewusste Ernährung in Frage kommen. Im Vergleich zu 100 g Milchschokolade mit 546 kcal etwa ist die gleiche Menge Datteln mit 285 kcal deutlich kalorienärmer.
Frisch
Getrocknet
Im Gegensatz zu den meisten industriell hergestellten Süssigkeiten wirken diese kleinen natürlichen Kraftpakete nicht säurebildend, sondern zählen zu den basischen Lebensmitteln. Auch Diabetiker dürfen bei Datteln massvoll zugreifen. Frische Früchte sind aufgrund ihres niedrigen Glykämischer Index (Gl, dieser zeigt an, wie schnell der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr eines bestimmten Lebensmittels ansteigt) vorteilhafter. Bei getrockneten Früchten, die als Lebensmittel mit hohem Gl gelten, werden nur wenige Stück pro Tag empfohlen.
Für Beduinen sind die Wüstenfrüchte nicht nur Energiespender; manchmal ist es das einzige Nahrungsmittel, das sie durch den anstrengenden Tag begleitet. Sie schätzen auch die beruhigende Wirkung der Früchte und essen abends ein paar Datteln für besseren Schlaf. Das enthaltene Tryptophan ist eine essenziele Aminosäure, die vom Körper nicht gebildet wird, sondern mit der Nahrung aufgenommen werden muss. Im zentralen Nervensystem wird diese Aminosäure in Serotonin (ein «Glückshormon» mit entspannender Wirkung) umgewandelt. Dieses wiederum ist der Ausgangsstoff, aus dem im Gehirn das auch als Schlafhormon bezeichnete Melatonin gebildet wird. Eine Idee zum Ausprobieren: Vor dem Schlafen ein paar Datteln als «Bettmümpfeli» geniessen - ganz ohne schlechtes Gewissen. Zähneputzen aber nicht vergessen.
Wozu passen Datteln?