Als es noch keine Tiefkühltruhen und Kühlschränke gab, konservierten die Menschen ihre Nahrung durch Fermentieren. Heute ist das Verfahren populär, weil damit gesundes Essen und intensive Aromen entstehen.
Text: Gisela Dürselen, Heike Mühldorfer, Tino Richter
Fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, aber auch eingelegte Gurken oder Zwiebeln haben aber nicht nur ganz spezielle Aromen, sie versorgen uns auch in der kalten Jahreszeit mit Vitaminen und einer Vielzahl von Enzymen und sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. «Fermentum» ist lateinisch und bedeutet Gärung: Ein natürlicher Prozess, bei dem Mikroorganismen organisches Material zersetzen. Die Fermentation hat eine lange Geschichte, und je nach Klima und regionalen Pflanzen entwickelten die Menschen überall auf der Welt ihre Spezialitäten.
Die beiden wichtigsten Arten der Fermentation sind die Gärung mit Hilfe von Hefepilzen, die Kohlenhydrate in Alkohol verwandeln, oder die Gare (Zeitraum bei der Teigzubereitung) von Brot in die Wege leiten, und die Milchsäuregärung mit Bakterien. Diese dient der Produktion von Sauermilcherzeugnissen und fermentiertem Gemüse und ist in Europa die gängigste.
So wie beim Fermentieren von Sauerkraut, das gehobelt, gesalzen und gestampft im eigenen Saft liegt, und bei dem sich Stärke und Zucker in Milchsäure verwandeln. Die Milchsäure erzeugt ein saures Milieu, in dem schädliche Keime, die das Gemüse verderben würden, nicht gedeihen. Auch in Sauermilcherzeugnissen entsteht Milchsäure, und bei diesem Vorgang bauen Mikroorganismen den Milchzucker teilweise ab. Dies ist der Grund, warum viele Menschen mit Laktoseintoleranz Sauermilchprodukte besser vertragen als Milch.
Während die Mikroorganismen das jeweilige Lebensmittel bearbeiten, zerlegen sie grosse Moleküle in kleine – und verdauen das Essen quasi vor. Dadurch wird es bekömmlicher, weil der Körper viele Inhaltsstoffe besser aufnehmen kann als im rohen Zustand. Verdaulicher werden die Speisen auch durch den Abbau schädlicher Substanzen. Dazu gehören die sogenannten Antinährstoffe wie Oxalsäure, die den Körper bei der Aufnahme von Mineralstoffen behindern. Manchmal reduzieren sich sogar Gift- und Bitterstoffe, etwa die Blausäure bei der Fermentation von Maniok und bei Schokolade die Bitterstoffe der Kakaobohnen.
In fermentierten Produkten finden sich jedoch auch Stoffe, die bestimmten Menschen wenig zuträglich sind: Patienten mit Bluthochdruck sollten wissen, dass sie mit fermentiertem Gemüse aus einer Salzlake auch eine Extra-Portion Salz zu sich nehmen – und die Schweizerische Interessensgesellschaft Histamin-Intoleranz weist darauf hin, dass sich bei einer Gärung Histamine entwickeln. Dieser Effekt könne jedoch auch während langer Lagerung, etwa in Konserven, entstehen.
Im Gegensatz zum Kochen bleiben Mineralstoffe und Vitamine während des Fermentationsvorgangs weitgehend erhalten. Durch die Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen entstehen sogar zusätzlich Enzyme und Vitamine. Rafael Järmann spricht darum von «Veredelung». Der Ernährungscoach und zertifizierte Fermentationist gibt in Luzern Kurse für Rohkost, gesundes und schmackhaftes Essen und natürlich fürs Fermentieren. Besonders gefällt ihm an dem Verfahren, dass es einfach ist und es jeder zu Hause machen kann, ferner dass sich die Speisen bei richtiger Lagerung sehr lange halten und er immer einen schmackhaften Vitaminlieferanten zur Verfügung hat.
Bei den Vitaminen handelt es sich vor allem um Vitamin C und um jene des B-Komplexes. Das für Veganer so wichtige Vitamin B12 allerdings, das in keinem pflanzlichen Lebensmittel vorkommt, ist Järmann zufolge nur ein sogenanntes Analogon: ein Pseudovitamin, das für den Körper so aussieht wie Vitamin B12, aber nicht so wirkt. Es ähnelt in seinem Aufbau dem echten Vitamin B12 und wird darum aufgenommen, kann aber nicht verwertet werden.
Die guten Milchsäurebakterien brauchen zum Gedeihen eine möglichst sauerstofffreie Umgebung. Järmann verweist auf einen typischen Anfängerfehler, bei dem das Fermentiergut nicht vollständig von Flüssigkeit umschlossen ist. Luft aber bietet den schädlichen Keimen beste Bedingungen. Darum müssen Gemüsesorten wie Karotten, die beim Stampfen nicht ausreichend Saft geben, von einer zugesetzten Salzlake bedeckt sein. Das Salz ist dabei entscheidend, weil es dem Gemüse Flüssigkeit entzieht und die Gärung in Gang setzt. Falls im Glas Teile des Gemüses an der Oberfläche schwimmen, rät Järmann, zum Schutz vor Sauerstoff ein Kohlblatt auf die Oberfläche zu legen. Ein sauerstofffreies Milieu, Flüssigkeit und Salz: Dies sind die Zutaten, mit denen die Fermentation von Gemüse praktisch immer gelingt. Darum eignet sich laut Järmann Gemüse zum Fermentieren für Einsteiger.
Ist die Speise in ihrem Aroma perfekt, wird sie kühl gestellt. Um die guten Stoffe darin zu erhalten, sollte das Essen möglichst nicht erhitzt werden. Doch das sei bei Produkten aus dem Handel manchmal schwierig, sagt Järmann. Gerade Sauerkraut werde häufig pasteurisiert und in Plastik eingeschweisst. Das sei deshalb problematisch, weil sich Weichmacher unter dem Einfluss von Säure und Salz aus dem Plastik lösen könnten. «Ein hochindustrielles Produkt» ist Järmann zufolge häufig die konventionelle Sojasauce: «Anstatt wie traditionell über mehrere Monate oder sogar Jahre, wird diese heutzutage nur über wenige Tage fermentiert.»
Die Milchsäurebakterien aus fermentierten Speisen sind deshalb so wertvoll, weil sie zu den sogenannten Probiotika gehören. Genau solche Bakterien finden sich im menschlichen Verdauungssystem, und da zwei Drittel aller Immunzellen im Darm sitzen, unterstützen sie auch die Immunabwehr. Wissenschaftliche Nachweise medizinischer Wirkungen gibt es für einige Probiotika: bei der Prävention und Therapie von Durchfall, zum Beispiel nach einer Antibiotikatherapie, und bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis. Allerdings weisen die Studien auch darauf hin, dass Mikroorganismen nicht vergleichbar und positive Effekte des einen Bakteriums nicht auf ein anderes übertragbar seien. Das erschwert allgemeingültige Aussagen, so dass therapeutische Anwendungen nur mit medizinischer Anweisung und ausgewählten Bakterienstämmen erfolgen sollten.
Zutaten:
1. Feste Zutaten in ein Glas schichten (ca. 4/5 voll), kräftig andrücken und beschweren (z.B. mit einem sauberen, abgekochten Stein oder einem amerikanischen Bell Glas).
2. Wasser und Meersalz verrühren und über die Gurken geben. Die Lake soll gut 2 cm überstehen. Mit einem Stück Käseleinen oder lose aufgelegtem Deckel verschliessen, damit Kohlendioxid entweichen kann, das beim Fermentieren entsteht.
3. Etwa 5 bis 7 Tage an einem warmen Ort stehen lassen. Danach an einem kühlen dunklen Ort (ca. 16° C) weitergären lassen. Wenn sich keine Bläschen bilden, die Gläser fest verschliessen und kühl lagern.
Milchsaures Gemüse hält sich etwa 6 Monate. Statt Gurken können Sie auch andere mundgerecht portionierte oder fein geschnittene rohe Gemüsesorten mit passenden Gewürzen oder Kräutern einlegen.
Weitere Fermentier-Rezepte:
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Süss-salzige Schalotten, Möhren und Pilze
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Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.