Viele kennen dieses Phänomen: Sie nehmen das vom Arzt verschriebene Antibiotikum ein und bald darauf leiden sie an Durchfall. Dies soll aber kein Antibiotika-Angriff sein, sondern vielmehr ein Plädoyer für eine sorgfältige Pflege der strapazierten Darmflora.
Autorin: Katja Hongler
Tatsache ist: Antibiotika werden sehr häufig verschrieben und können bei bakteriellen Infekten wichtige Lebensretter sein. Antibiotika haben den Auftrag, Bakterien zu töten oder diese zumindest in ihrem Wachstum zu hemmen. In ihrer Vernichtungskampagne kennen sie keinen Unterschied zwischen «bösen» und lebensnotwendigen Bakterien – und das kann zu Durchfall führen und das gesunde Gleichgewicht der Darmbakterien zerstören.
Im Normalfall sollten keine Beschwerden auftreten, die Verträglichkeit von Antibiotika ist aber nicht bei allen Menschen gleich. Kann sich die Darmflora nur schwer regenerieren oder ist sie gar geschädigt, ist die körpereigene Abwehr geschwächt und unser Gesundheitszustand in Gefahr. Mit ein paar einfachen Massnahmen kann er seine Vitalität wiedererlangen. Der Aufbau der Darmflora lohnt sich, denn ein gesunder Darm bedeutet ein gesundes Leben.
Es gibt zwei prägnante Aussagen, die die gesundheitliche Bedeutung des Darms herausstellen. «Im Darm sitzt der Tod oder das Leben» lehrte Paracelsus bereits im 16. Jahrhundert. Folgen wir dieser alten Weisheit, müssen wir aber auch dem ebenfalls jahrhunderte-alten Sprichwort «Die Wurzeln der Gesundheit liegen im Darm» Recht geben. So oder so: Der Darm spielt eine ganz entscheidende Rolle im gesamten Körpersystem. Deswegen sollten wir ihm die gebührende Aufmerksamkeit schenken.
Der Darm ist nicht nur wichtig, er ist auch riesig: Er umfasst eine Fläche von 300 Quadratmetern – dies entspricht der Grösse eines Tennisplatzes. Diese immense Oberfläche ist notwendig, um genügend Flüssigkeit und Nährstoffe aufzunehmen.
Die Darmschleimhaut ist mit Bakterien besiedelt und mit vielen Immunzellen ausgestattet. Ohne eine ausgewogene Darmflora gerät der gesamte Stoffwechsel durcheinander, und nur eine gesunde Darmflora garantiert eine intakte Immunabwehr. Sie bildet eine Barriere gegen die Ansiedelung von Krankheitserregern, die durch die Darmschleimhaut in den Körper eindringen können. Ist die Darmflora in einem schlechten Zustand, besteht ein erhöhtes Risiko, krank zu werden. Der Körper ist generell geschwächt, Heilprozesse verlaufen nur zögerlich und alltägliche Funktionen werden immer anfälliger für Störungen.
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Der Apotheker von Appenzell kennt ein simples Mittel gegen diese unangenehme Nebenwirkung aus seiner früheren Krankenhauszeit: «Erhielt ein Patient bei uns im Spital ein Antibiotikum, bestellte man ihm zugleich täglich ein Jogurt zum Abendbrot.»
Jogurt besitzt eine natürliche probiotische Wirkung. Das heisst vereinfacht: Es unterstützt die Darmflora und wirkt somit gegen Durchfall. Unter «probiotisch» fasst man verschiedene Bakterienarten zusammen, die einer Fehlbesiedlung mit Darmkeimen entgegenwirken sollen. Die bekanntesten Organismen, die als Probiotika angewendet werden, sind die Milchsäurebakterien.
Natürlich vorkommende Milchsäurebakterien sind wichtige Keime unseres Verdauungsorgans. Spezifische probiotische Produkte enthalten mehr Keime als herkömmliche Jogurts und gelten daher als besonders günstig für die Darmflora. In dieselbe Kategorie gehören auch die probiotischen Nahrungsmittel: Sie enthalten im Gegensatz zu den probiotischen keine lebenden Keime, sondern sollen das Wachstum der erwünschten «guten» Darmbakterien fördern.
Milchsäurebakterien werden schon seit langer Zeit genutzt, um Lebensmittel herzustellen und um sie länger haltbar zu machen. Die erste Entdeckung und Isolierung der Milchsäure aus saurer Milch geht auf den Schweden Carl Wilhelm Scheele im Jahr 1780 zurück. Auch unser Körper kann Milchsäure produzieren. Um die Darmflora wieder auf Vordermann zu bringen, können die natürlichen Milchsäurebakterien nützliche Helfer sein. Sie scheiden eine Substanz aus, die schädliche Bakterien absterben lassen. Zudem sorgen sie für ein saures Milieu im Darm, was insbesondere eingeschleppten Bakterien, die ein neutrales oder ein basisches Milieu bevorzugen, wenig behagt.
Milchsäure ist eine chemische Verbindung, die ein wichtiges Zwischenprodukt im Stoffwechsel darstellt. Vielleicht haben Sie schon mal auf dem Etikett eines Jogurts gelesen, dass es verschiedene Milchsäuren gibt? Sie werden jedenfalls aufgrund ihrer unterschiedlichen optischen Aktivität in D(-)-linksdrehende und L(+)-rechtsdrehende Milchsäure unterschieden. Der menschliche Körper produziert sowohl L(+) wie auch D(-); Milchsäuren sind für die «guten» Darmbakterien vorteilhaft – sie siedeln sich bevorzugt im sauren Darmmilieu an. Alfred Vogel erkannte die Bedeutung der Milchsäurebakterien und beschäftigte sich daher schon sehr früh mit einer haltbaren Version der gesunden Molke.
Die diplomierte Ernährungsberaterin Silvia Niederberger kennt viele «Darmgeschichten» aus ihrer Beratungstätigkeit im Spital. Aus ihrem Arbeitsalltag zieht sie die generelle Bilanz, dass die Gelüste in den meisten Fällen mit den Bedürfnissen des Darms übereinstimmen. Daher sollte man auf diese Körpersignale achten.
Bei akutem Durchfall empfiehlt sie in erster Linie, Gekochtes dem Rohen vorzuziehen: «Allenfalls lohnt es sich sogar, gekochtes Essen zu pürieren, da die geschwächten Bakterien mit den groben Fasern auch wieder Mühe haben könnten. Das ‹Baby-Menu Kartoffelpüree und Karottenbrei› schmeckt dem geschädigten Darm auf jeden Fall!»
In der Regenerationsphase helfen, wie gesagt, probiotische Jogurts, die Darmflora wieder aufzubauen, da ein Teil der hauseigenen Darmflora aus wichtigen Milchsäurebakterien besteht, die wir uns mit diesen Produkten direkt zuführen können. Laktosefreie Milch und Jogurts sind leichter zu verdauen als laktosehaltige Produkte.
Grundsätzlich sollte man nach einer Verdauungsstörung auf eine leicht verdauliche Ernährung achten. Alles, was im Darm nicht verarbeitet werden kann, wird in Form von Durchfall wieder ausgeschwemmt. Kohlenhydrate kann der Darm schnell und einfach verdauen: so etwa Reis, Teigwaren, Zwieback, Brot ohne Körner, Griess oder Polenta. Zu meiden sind grosse Mengen an Käse und Wurstwaren sowie Frittiertes. Zudem lohnt sich ein vorübergehender Verzicht auf Kohlsorten und Steinfrüchte, da diese leicht zu Blähungen führen können.
Und das Trinken nicht vergessen: Die über den Stuhl verlorene Flüssigkeit sollte unbedingt ersetzt werden. 2,5 Liter pro Tag können diesen Verlust kompensieren. Silvia Niederberger kennt ein altes Grossmutterrezept für einen Tee mit stopfender Wirkung: Getrocknete Heidelbeeren mit heissem Wasser aufgiessen und die Beeren anschliessend gut kauen.
Je nach Schweregrad der ursprünglichen Störung sollte eventuell auch eine gründliche Darmsanierung in Betracht gezogen werden. Ist der Darm ernsthaft geschädigt und die Verdauung über längere Zeit beeinträchtigt, besteht die Gefahr, dass die ganze körperliche Verfassung darunter leidet.
Bei einer Darmsanierung wird, wie beim «Computer Reboot», das gesamte System heruntergefahren und anschliessend wieder neu programmiert. Das bedeutet, dass der Darm in einem ersten Schritt entleert und gereinigt wird. Danach werden die Darmbakterienkulturen sorgfältig wieder aufgebaut. Im Reinigungsprozess soll den schlechten Bakterien der Nährboden entzogen beziehungsweise eine günstige Ausgangslage für eine gesunde Neubesiedlung geschaffen werden.
Den Darm kann man auf unterschiedliche Art und Weise sanieren. Individuelle Beratung und Informationen finden Sie am besten bei der Ärztin oder dem Apotheker Ihres Vertrauens.