Vegane und vegetarische Produkte erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Auf Fleisch zu verzichten oder den Konsum einzuschränken, ist eine wichtige Massnahme im Kampf gegen Klimawandel und dem Verlust an Biodiversität. Welche Rolle spielen dabei Fleischersatzprodukte? Sind sie die Lösung des Problems?
Autor: Tino Richter, 10/21
Als Fleischersatz werden Lebensmittel bezeichnet, die geschmacklich, haptisch oder vom Proteingehalt her Fleisch ähneln, ohne aus Fleisch hergestellt zu sein. Dabei lassen sich traditionelle (wie Tofu, Seitan oder Tempeh) von neueren Produkten wie Quorn, konzentriertes oder isoliertes Sojaprotein sowie Lebensmittel auf der Basis von Erbsen, Lupinen und Ackerbohnen unterscheiden.
Der Trend geht zum Fleischimitat, das in Konsistenz, Geschmack und Aussehen vom Original kaum zu unterscheiden sein soll. Verglichen mit 2016 hat sich der Umsatz mit Fleischersatzprodukten in der Schweiz fast verdoppelt, auch wenn dies im Detailhandel ein Nischenmarkt mit einem Marktanteil von 2,3 Prozent ist. Davon entfallen über 60 Prozent auf Fleischimitate. Doch wie schneiden diese Produkte hinsichtlich Umweltbelastung, Geschmack und Gesundheit ab?
Mykoprotein (z.B. Quorn) ist ein industriell hergestelltes Nahrungsmittel aus dem fermentierten fadenförmigen Geflecht (Myzel) des Schlauchpilzes. Als Bindemittel dient Hühnereiweiss.
Seitan besteht aus Weizen ohne Kleie und Stärke, ist also Gluten pur. Durch Kneten und Auswaschen des Weizenmehlteigs wird ein Grossteil der Stärke entzogen; durch Kochen in einer Marinade entsteht eine fleischartige Konsistenz.
Sojaprotein ist ein Überbegriff für verschiedene Erzeugnisse aus Sojaschrot (z.B. entöltes Sojamehl, Sojaproteinkonzentrat und Sojaproteinisolat). Mittels Pressverfahren kann daraus dann texturiertes Soja hergestellt werden. Verschiedene Verfahren (u.a. Extraktion und Fraktionierung) filtern unerwünschte Bestandteile heraus, so dass nur das Protein übrigbleibt.
Tempeh ist ein traditionelles Fermentationsprodukt aus Indonesien, das durch die Beimpfung gekochter Sojabohnen mit verschiedenen Schimmelpilzen entsteht. Tofu ist seit Jahrhunderten Bestandteil der asiatischen Küche. Er entsteht durch Gerinnung und Ausfällung von Sojamilch. Der so entstandene Sojaquark wird entwässert und anschliessend zu Blöcken gepresst.
Fast drei Viertel der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche dient nur der Produktion von Fleisch; allein 14,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Tierhaltung; fast so viel wie der gesamte Autoverkehr. Pflanzliche Produkte oder Produkte aus Insekten haben grundsätzlich eine bessere Ökobilanz als Rind, Schwein oder Huhn. Wobei die Bewertung aufgrund der vielen neuen Produkte schwierig ist. Fleischersatzprodukte schneiden prinzipiell besser ab, auch wenn die Umweltbilanz von den einzelnen Herstellungsbedingungen und Inhaltsstoffen abhängig ist. Im Jahr 2016 bestanden fast 70 Prozent der weltweit produzierten Fleischersatzprodukte aus Sojaprotein, denn die Bohnen liefern eine ausgewogene Proteinkombination.
Doch der Boom hat auch eine Kehrseite: Oft kommt das konventionell angebaute Soja nicht aus Europa. Die grössten Soja-Produzenten sind die USA und Brasilien. Allein Brasilien hat seine Anbaufläche in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Geopfert wurden dafür artenreiche Regenwald- und Savannengebiete. Auch die Schweiz importiert Soja je zur Hälfte aus Europa und Brasilien. Offiziell sollen davon 95 Prozent aus als nachhaltig zertifiziertem Anbau stammen. Doch daran gibt es erhebliche Zweifel, denn Definition und Kriterien sowie Ausnahmeregelungen bei der Zertifizierung machen die Vergabe intransparent.
Fleischindustrie und Landwirtschaft sind deshalb auch die Haupttreiber für den Verlust an Biodiversität. Für bestimmte Produkte wird zudem viel Wasser verbraucht, und auf dem Transportweg über den Globus entstehen zusätzlich CO2-Emissionen.
Fleischersatzprodukte punkten mit überwiegend hochwertigem Protein. Abhängig vom Erzeugnis, enthalten sie gleich viel oder weniger Fett sowie weniger gesättigte Fettsäuren und geringere Mengen Cholesterol als fleischhaltige Originalprodukte. Ihr Kohlenhydrat- und Ballaststoffanteil ist ebenfalls höher.
Doch Salz- und Zuckergehalt sind im Vergleich zu rohem Fleisch sehr hoch. Manche Produkte enthalten bis zu zwei Gramm Salz pro 100 g – angesichts der empfohlenen maximal 6 g pro Tag eindeutig zu viel. Im Vergleich zu verarbeitetem Fleisch wie z.B. Wurst, sind die Salzmengen geringer: Eine Salami enthält 26 g Fett und bis zu 5 mg Salz pro 100 g.
Fleischersatzprodukte (wie auch verarbeitetes Fleisch) enthalten herstellungsbedingt Zusatzstoffe wie Phosphate, Verdickungsmittel (Methylcellulose E 461 und Maltodextrin), Hefeextrakt (zum Würzen), Gerstenmalzextrakt (zum Süssen), Eisen(II)Gluconat (für die Eisenversorgung) und Natriumacetat (E 262a). Diese sind zwar als Zusatzstoffe zugelassen und in moderaten Mengen unbedenklich, aber für eine weitgehend naturbelassene tägliche Ernährungsweise doch eher keine Option.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungs- und Sportmedizin, Dr. Niels Schulz-Ruhtenberg, Hamburg,urteilt über Fleischersatzprodukte, dass diese aufgrund der vielen Zutaten und des teilweise hohen Salzgehaltes mindestens gleich ungesund seien wie richtiges Fleisch. Man müsse sie zudem aufgrund der starken Verarbeitung eher als Fertiglebensmittel betrachten. Dem pflichtet der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl, ebenfalls aus Hamburg, bei. Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, Farbstoffe und künstliche Aromen bekämen dem Menschen auf Dauer und in grossen Mengen nicht. Ausserdem liesse sich der gesundheitliche Nutzen einer Erbse beispielsweise nicht nur an ihrem isolierten Eiweiss festmachen, sie enthalte auch sekundäre Pflanzenstoffe und wirke in ihrem gesamten Spektrum an Inhaltsstoffen, so der Mediziner.
Und ob diese isolierten Proteine genauso wirken wie jene Proteine, welche im Verbund mit anderen Inhaltsstoffen einer Frucht in den Organismus gelangen, ist noch viel zu wenig untersucht.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Aber können die Produkte wenigstens am Gaumen überzeugen? Die GN-Redaktion hat einige Fleischimitate getestet und hinsichtlich Geschmack, Konsistenz und Zutaten bewertet.
Zunächst wurden Bratwürste zweier Marken verglichen. Das Produkt von «Beyond Meat» besteht aus Erbsen-, Reis- und Ackerbohnenproteinen. Die Konsistenz ist etwas zu weich, die Masse klebt beim Anbraten schnell an. Der Geschmack erinnert an Bratwurst; 16 g Fett und 1,35 g Salz (jeweils pro 100 g) sind jedoch deutlich zu viel für eine gesunde Ernährung. Das Produkt von «Garden Gourmet» besteht hauptsächlich aus konzentriertem Sojaprotein, weist eine bessere Konsistenz als die «Beyond Meat»-Wurst auf, schmeckt aber seltsam, jedenfalls nicht nach Wurst. Mit 1,1 g Salz und 10 g Fett ist sie an der oberen Grenze der Empfehlung.
Auch beim Pouletgeschnetzelten wurden zwei Marken verglichen. Wiederum «Garden Gourmet», das hauptsächlich aus rehydriertem Sojaprotein besteht, eine sehr gute Konsistenz aufweist und auch geschmacklich sehr nahe dran ist. Die 4,7 g Fett sind gut, 1,4 g Salz jedoch zu viel.
Das Produkt von «Planted» besteht aus Erbsenproteinen und -fasern, was sich auch deutlich beim Geschmack zeigt. Die Konsistenz ist gut. Mit 2,9 g Fett und 0,8 g Salz sowie sehr wenig Zutaten empfehlenswert.
Bei den Burgern wurden vier Produkte verglichen.Am besten schmeckte der Burger von «Beyond Meat», der aus Erbsen- und Reisprotein besteht und eine gute Konsistenz aufweist. Besonders fällt das leicht rauchige Aroma auf. 19 g Fett sind jedoch doppelt so viel wie empfohlen wird.
Der «Green Mountain»-Burger besteht ebenfalls aus Erbsenprotein sowie Weizengluten. Die Konsistenz erinnert noch am ehesten an Hackfleisch, der Geschmack jedoch nicht. Mit 1,7 g ist auch zu viel Salz enthalten.
Das Produkt von «Yolo» ist gleich aufgebaut wie das von «Green Mountain», weist eine gute Konsistenz auf, schmeckt aber süsslich nach Getreide. Auch hier sind 1,6 g Salz und 13 g Fett zu viel.
Der Burger von «Garden Gourmet» besteht aus Soja- und Weizenprotein, weckt aber überhaupt keine Assoziation mit Fleisch; der Geschmack ist gut, erinnert allerdings eher an einen Gemüseburger. Enthalten sind lediglich 5 g Fett sowie 1,2 g Salz.
In Bezug auf Geschmack und Konsistenz konnten die Produkte nur teilweise überzeugen. Die Pouletstückchen von «Garden Gourmet» waren geschmacklich zwar sehr nahe am Original dran, die Konsistenz ist bei allen Poulet-Alternativen aber eher trocken bis gummiartig. Bei den Burgern und Würsten schnitten die Produkte von «Beyond Meat» am besten ab. Die Konsistenz erwies sich bei allen zufriedenstellend. Der Proteingehalt war bei den getesteten Produkten mehr als ausreichend.
Bedenklich scheint, dass nur das Produkt von «Planted» gänzlich ohne Zusatzstoffe auskam, es schmeckte aber auch deutlich nach Erbse. Die vielen Zusatzstoffe und der hohe Salz- und Fettgehalt machen die Produkte aus gesundheitlicher wie auch geschmacklicher Sicht nicht wirklich attraktiv. Zudem war keines der Produkte bio.
Wem es dennoch schmeckt, der kann diese Produkte ohne Probleme bis zu zweimal pro Woche konsumieren. Wer sich aber fleischlos und zugleich gesund ernähren möchte, der greift besser auf natürliche Zutaten zurück und kocht selbst. Die vollwertige Pflanzenküche bietet genügend Spielraum für Abwechslung, ganz ohne Fleischimitate. Hausgemachte vegetarische Burger auf Basis von Buchweizen, Dinkel, Hafer und Bohnen schmecken nicht nur, sie sind auch gesünder als die Fertiggerichte aus Proteinen, da sie ohne Zusatzstoffe und mit weniger Salz auskommen. Auch Pilze wie der Austernseitling, Shiitake oder der Steinpilz sind geeignet, sie haben eine fleischige Textur und schmecken aromatisch. Ausserdem wird Müll vermieden, und es ist kostengünstiger.
So lässt sich beispielsweise auch ein vegetarischer Hackbraten aus Grünkern (unreif geernteter Dinkel), Linsen und Erbsen, die über Nacht in Rote-Bete-Saft eingeweicht werden, zubereiten. Der Saft sorgt für eine appetitliche Farbe, enthält zudem Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Grünkern ist reich an Kalium, Magnesium und Eisen. Linsen enthalten Kalzium und Zink, Erbsen reichlich B-Vitamine und Ballaststoffe.