Die Süsslupine sieht nicht nur hübsch aus, sie kann auch wesentlich zu unserer Ernährung beitragen. Es sind bereits zahlreiche Produkte auf dem Markt.
Autorin: Petra Horat Gutmann
Was macht die Süsslupine so gesund für den Menschen? Zunächst ihr aussergewöhnlicher Eiweissanteil: Mit 30 bis 40 Prozent enthalten ihre Kerne fast so viel Protein wie Soja, mehr als doppelt so viel wie Hühnereigelb und zehnmal mehr als Kuhmilch. Auch Fleisch, Fisch, Geflügel und die eiweissreichsten Käsesorten überholt die Süsslupine. Ausserdem ist die Proteinverdaulichkeit ihrer Kerne so gut wie diejenige von tierischen Proteinen.
Eine weitere Stärke der Süsslupine liegt in ihrem Aminosäureprofil. Die Kerne enthalten 17 Aminosäuren, darunter die acht essenziellen, die der menschliche Körper nicht selber herstellen kann. Beispielsweise Lysin – unerlässlich für das Immunsystem, die Wundheilung und die Gesundheit von Haut und Gefässwänden.
Verglichen mit tierischen Produkten und Hülsenfrüchten ist Getreide arm an Lysin. Durch die Kombination von Süsslupinen-Eiweiss mit Getreide-Eiweiss lässt sich die Bedarfsdeckung an Aminosäuren wunderbar optimieren. Weshalb die Süsslupine – wie auch ihre botanischen Schwestern Erbse und Bohne – nicht nur für Veganer ein Gewinn ist.
Die Lupine hat noch mehr zu bieten, etwa beachtenswerte Mengen von Antioxidanzien, Carotinoiden, Vitamin E, Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen und sekundären Pflanzenstoffen. Gleichzeitig ist sie cholesterinfrei und enthält nur wenig Fett (4 bis 7 g pro 100 g). Weitere Stärken der Süsslupine sind ihrtiefer Kohlenhydratanteil (5 g pro 100 g) und der hohe, gesundheitlich bedeutsame Ballaststoffanteil. Beides ist Balsam für den Blutzuckerspiegel und eine gute Nachricht für Diabetiker.
Die Süsslupine ist glutenfrei und enthält nur einen geringen Anteil an harnsäurebildenden Purinen.
Einziger Wermutstropfen: Allergiefrei sind Lupinenkerne nicht. Wer allergisch auf Erdnuss oder Soja reagiert, sollte sich auch bei der Süsslupine vorsehen.
Auf den landwirtschaftlichen Flächen Deutschlands und der Schweiz wachsen fast ausschliesslich die Schmalblättrige Blaue Lupine (Lupinus angustifolius L.), die Weisse Lupine (Lupinus albus L.) und die Gelbe Lupine (Lupinus luteus L.). Die dekorativen Pflanzen stellen unterschiedliche Ansprüche an Boden und Klima und zeigen auch in puncto Ertrag und Inhaltsstoffe Unterschiede.
Gemeinsam ist den dreien ihre ökologische Bedeutung: Lupinenpflanzen blühen lange und sind für unterschiedlichste Insekten eine reiche Nahrungsquelle. Ihr kräftiges, weit verzweigtes und tiefes Pfahlwurzelwerk lockert die Erde und fixiert Stickstoff im Boden, was die Gabe von mineralischem Stickstoffdünger überflüssig macht. Ausserdem ist die Lupine weniger wärmebedürftig als Soja. Sie gedeiht auf magerem, kalkarmem Boden und übersteht Fröste von mehreren Grad unter Null, weshalb sie bereits Anfang März ausgesät werden kann.
Diese Eigenschaften machen die Süsslupine zu einer hochinteressanten Pflanze auch für die Forschung. Seit rund 30 Jahren versuchen Wissenschaftler, Käse-, Milch- und Fleisch-Alternativen aus der Lupinenpflanze zu gewinnen. 2014 gelang Forschern des Fraunhofer Instituts im deutschen Freising ein Durchbruch: Sie entwickelten ein Isolat aus der Schmalblättrigen Blauen Süsslupine mit mehr als 85 Prozent Protein. Die gut emulgierfähige Innovation wurde zur Grundlage zahlreicher Lupinenprodukte, die heute in den Regalen der Bioläden und Supermärkte stehen: Lupinentofu, -mayonnaise, -nudeln, -milch bis zu -joghurt (alias «Lughurt») sowie Lupinenkäse und Speiseeis aus Lupineneiweiss. Auch Lupinenburger, -schnitzel und -würstchen sowie koffeinfreier Kaffee aus Lupinenkernen kann man in Supermärkten und Bioläden kaufen. Darüber hinaus wird Lupinenprotein zusehends in der Tierfütterung eingesetzt, etwa in der Forellen- und Lachszucht.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Wer selbst mit der Süsslupine experimentieren möchte, findet im Reformhaus Basiszutaten wie Lupinenmehl, Lupinenflocken und Lupinenkerne. Letztere werden am einfachsten durch längeres Garen im Dampfkochtopf weich. Danach kann man sie wahlweise mit süssen, salzigen, sauren oder pikanten Zutaten zubereiten. Beispielsweise mit Salz, Pfeffer, Knoblauch, Zwiebeln, Hefeflocken, Gemüsebrühe, Gartenkräutern und einem Schuss Zitronensaft.
Ideale Begleiter sind auch Tomatensugo, Kokosmilch und Reismilch. Sie runden den etwas strengen Geschmack der Lupinenkerne ab.
Da das Aminosäurenprofil der Süsslupine dasjenige von Getreide (Weizen, Reis, Mais, Roggen, Dinkel, Hafer) prima ergänzt, kann man die gegarten Kerne beispielsweise in einen Getreidenudelauflauf geben. Oder man mischt etwas Lupinenmehl mit Weizenmehl und backt daraus ein besonders eiweiss- und ballaststoffreiches Brot oder eine kohlenhydratreduzierte Pizza.
Die Lupine hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Ihr Potenzial als Nahrungspflanze für den Menschen wird insbesondere in der ökologischen Landwirtschaft als vielversprechend betrachtet. Noch sind die einheimischen Erträge an Süsslupinen in der Schweiz bescheiden. Schuld daran ist vor allem die Pilzkrankheit Anthraknose, die bei feuchter Witterung hohe Ernteausfälle verursacht. Aus diesem Grund führt das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL in Frick seit Jahren Feldversuche mit Lupinensorten durch, die mit der Anthraknose besser zurechtkommen.
Wird es gelingen, die Erträge zu stabilisieren und die Konsumenten für die Süsslupine zu gewinnen? Falls ja, könnten die Kerne des hübschen Schmetterlingsblütlers eines Tages auch die hiesige Landwirtschaft und den Speisezettel zahlreicher Menschen gesund bereichern.