Bereits seit 2000 Jahren wird Andorn (Marrubium vulgare) in der Naturheilkunde verwendet, doch heute ist die zu den Lippenblütlern gehörende Heilpflanze nur Fachleuten bekannt. Schon im alten Ägypten hat der Weisse Dorant oder Weisse (Gemeine) Andorn eine grosse Rolle bei der Bekämpfung von Krankheiten der Atemorgane gespielt.
Dioskurides erwähnt ihn in seiner «Materia medica» und auch Walahfrid Strabo, Abt des Klosters Reichenau, nennt ihn in seinem berühmten Werk «Hortulus». Denn in der Klostermedizin gehörte der Andorn zu einer der wichtigsten Pflanzen bei Magenproblemen und Erkältungen.
Auch heute werden Extrakte des Andorns zur Schleimlösung bei Husten eingesetzt. Als Arzneimittel wird das Andornkraut verwendet: die getrockneten Blätter und oberen Stängelteile (Marrubii herba), sobald die Blüten voll entfaltet sind.
Ursprünglich stammt der Andorn aus dem Mittelmeerraum. Er bevorzugt nährstoffreiche, mässig trockene, sonnige Böden. Er gedeiht aber auch nördlich der Alpen von Schottland bis nach Südschweden – meist als Auswilderung aus dem früher weit verbreiteten Anbau für Heilzwecke. Und so kommt der Andorn ausser in Europa auch in Australien, Zentralasien, in Nord- und Südamerika sowie auf den Kanarischen Inseln vor. Nur dort, wo es zu kalt (im Gebirge) oder zu feucht (an vielen Küstenstrichen) ist, kann man das Kraut nicht finden.
Die mehrjährige Pflanze mit dem vierkantigen behaarten Stängel, der 40 bis 60 Zentimeter hoch wird, blüht von Juni bis September. Die weissen, sehr kurzstängeligen Blüten bilden in den Blattachseln kleine, fast kugelige Büschel. Die Blätter sind graugrün und auffällig geädert.
Das Kraut, das scharf schmeckt, enthält viele Bitter- und Gerbstoffe, ausserdem Harze und ätherische Öle. Der für den Andorn typische Bitterstoff Marrubiin (daher der Name, von lat. marrium = bitter) ist für die Heilwirkung verantwortlich. Bitterstoffe aktivieren Rezeptoren, die auf den glatten Muskelzellen des Bronchialsystems, auf der Zunge und im Mund sitzen. Es gibt 25 verschiedene Bitter-Rezeptoren und werden diese aktiviert, erweitern sich verengte Bronchien, was wiederum zu einer verbesserten Sauerstoffaufnahme und einer erleichterten Schleimentfernung führt. Ausserdem wird die Gallenproduktion angeregt.
Obwohl es an klinischen Daten für die medizinische Nutzung fehlt, kommt Andorn aufgrund der langen traditionellen Verwendung als Heilmittel für folgende Anwendungsgebiete infrage:
Fertigarzneimittel aus Andorn in Form von Bronchialtropfen sowie Frischpflanzenpresssäfte wirken schleimlösend, antientzündlich sowie krampflösend. Gegenanzeigen und Nebenwirkungen sind nicht bekannt.
Die getrockneten Blätter können aber auch als Tee getrunken werden. Für einen besseren Geschmack empfiehlt sich, das Kraut mit anderen Pflanzen zu mischen oder mit Honig zu süssen. Denn obwohl der Andorn süss duftet, hat er einen scharfen Geschmack.
1 Teelöffel Andornkraut mit 1 Tasse kochenden Wasser übergiessen, 5 bis 10 Minuten ziehen lassen und abseihen. Bei Magen-Darm-Beschwerden jeweils 1 Tasse vor den Mahlzeiten, als schleimlösendes Mittel bei Husten mehrmals täglich eine Tasse trinken. Zur Appetitanregung bis zu dreimal täglich 1 Tasse vor den Mahlzeiten trinken.
Der Andorn wurde von der Arbeitsgruppe «Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde» der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2018 gekürt.