Dass unser Antlitz mit zunehmendem Alter Falten bekommt, lässt sich leider nicht ändern. Unsere Mimik aber schon. Was es mit «natürlichem Lifting» auf sich hat und wie wir für Gesichtsharmonie sorgen können. en.
Autorin: Andrea Pauli, 06.18
Strecken Sie mal die Zunge raus und rollen Sie danach mit den Augen. Ihre Familie meint, Sie schneiden komische Grimassen? Von wegen: Sie üben sich im faltenglättenden «Lifting»! Wer sich nicht mit hängenden Mundwinkeln, eingegrabenen Zornesfalten, einem verkniffenen Mund und geschwollenen Augen abfinden möchte, kann einiges tun – ohne Botox, ohne Schönheitschirurgie.
Dass Bewegung gut ist für den Körper, weiss man, dazu rät die Hausärztin bei jedem Besuch. Dass Fitness auch unserem Gesicht dienlich sein kann, ist eine logische Konsequenz. Denn die Haut gewinnt durch tägliches Training an Elastizität, Vitalität und Ausstrahlung. Wie für «Bauch, Beine, Po» gibt es auch für Hals, Kinn, Mund, Wangen und Augenpartie gezielte Übungen. «Wenn man regelmässig übt und dran bleibt, kann man sicher schon nach vier bis sechs Wochen mit einem sichtbaren Ergebnis rechnen», weiss Heike Höfler aus Erfahrung. Die agile Sport- und Gymnastiklehrerin und Buchautorin widmet sich seit Mitte der 90er-Jahre dem Thema und gibt zahlreiche Kurse dazu.
Die Gesichtshaut ist mit den Gesichtsmuskeln direkt verbunden, sie muss deren Bewegungen folgen. «Dadurch entsteht auch der mimische Ausdruck des Gesichts», so Höfler. Nimmt die Spannkraft dieser Muskeln ab, verkümmern sie – die Haut wird schlaff. Bilden sich auch die kollagenen und elastischen Fasern des Bindegewebes der Lederhaut zurück und verlieren an Volumen, fällt eine weitere Stütze des Gesichts «in sich zusammen». Durch gezielte, durchblutungsfördernde Gesichtsgymnastik lässt sich das verhindern bzw. aufhalten. Die Muskel- und Bindegewebsfasern bleiben länger erhalten und regenerieren sich schneller. Auch die Lymphzirkulation wird durch die Kontraktionsübungen positiv beeinflusst.
mit dem Gehirn verbunden. «Unsere Gesichtsmuskeln reagieren auf jedes Gefühl und besonders auf Stress, Anspannung, Ärger und Sorgen, aber natürlich auch Freude», so Höfler.
Emotionen prägen sich in die Muskulatur ein. Umgekehrt beeinflusst unsere Mimik aber auch unser emotionales Erleben, wie Forscher nachweisen konnten. Nehmen wir (bewusst) entspannte, angenehme Gesichtsausdrücke an, aktiviert dies positive Gefühle in uns. Darum lohnt es, achtsam zu sein für die eigene Mimik. Diese Achtsamkeit lässt sich gezielt fördern, etwa mit Vorstellungsbildern: «Innere Bilder sind Verschaltungsmuster von Nervenzellen, die sich einmal herausgebildet haben und auf die man zurückgreifen kann», so der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther. Mithilfe der Vorstellungsbilder wird der ältere Gehirnteil, das limbische System, angesprochen, der spontane Reaktionen auslöst. «Nur über das limbische System kann wirkliche, langanhaltende Veränderung geschehen. Es geht schliesslich nicht nur darum, einmal oder auch öfters eine Übung auszuführen, sondern die Veränderung, die wir herbeiführen wollen, zu erspüren und im Gehirn zu verankern», erläutert Höfler. Dass man mit einem entspannten Äusseren auch sein Inneres positiv beeinflussen kann, «das ist für mich ein Erfahrungswert durch viele Kurse», sagt die Gesichtsgymnastik-Trainerin.
Wie bei jedem Sport, so sind auch beim Gesichtstraining Aufwärm- und Lockerungsübungen sinnvoll, z.B. leichtes Auf- und Abhüpfen, Armkreisen, im Sitzen Beine ausstrecken etc. Danach richtet sich die Konzentration auf den Atem. «Viele Menschen haben das tiefe Atmen verlernt», so Höfler. Sie rät dazu, die Bauchatmung (Zwerchfellatmung) zu üben, «die gehaltsvollste Atemart, durch die wir genügend Sauerstoff aufnehmen und tiefe Entspannung erleben können.» Eine der besten natürlichen Atemübungen sei auch das bewusste Gähnen.
Ebenfalls eine gute Vorbereitung: Das Gesicht locker mit den Fingerkuppen abklopfen oder sich selbst eine sanfte Zupfmassage geben.
Dann kann es losgehen mit dem gezielten Training. Es gibt eine Fülle an Übungen, drei davon stellen wir hier beispielgebend vor.
Den Augenbereich und die Augenmuskeln entspanen Sie folgendermassen: Die Daumen beider Hände in die inneren Augenwinkel unterhalb des inneren Endes der Augenbrauen legen und nach oben gegen den Augenknochen drücken. Den Druck zehn bis 30 Sekunden lang halten. Dann die Hände in den Schoss legen und der Wirkung nachspüren. Die Akupressurübung vier- bis sechsmal wiederholen.
Akupressur im inneren Augenwinkel, regt den Energiefluss und die Durchblutung an, wirkt positiv aufs Sehen.
Oberlippenfältchen entstehen schnell, wenn man den Mund zu oft kräuselt. Bei Übungen gegen diese Fältchen geht es darum, die Haut von innen aufzupolstern und den Mundringmuskel so zu kräftigen, dass keine neuen Fältchen entstehen. Legen Sie einen Zeigefinger unter das Kinn, den anderen auf den unteren Teil der Oberlippe. Öffnen Sie den Unterkiefer ein wenig gegen den Widerstand des unteren Fingers und straffen Sie gleichzeitig die Oberlippe, indem Sie diese über die oberen Zähne ziehen. Dabei mit dem Zeigefinger auf der Oberlippe zur Nase hin streichen. 15- bis 20-mal wiederholen.
Kräftigung des Mundringmuskels, strafft den Kinnboden und glättet Oberlippenfältchen.
Die Haut am Kinnboden wird mit zunehmendem Alter immer schwächer. Leichte Druckmassagen und Kälte können hier für eine Straffung der Haut und Stärkung der Muskulatur sorgen. Ein prima Hilfsmittel dabei sind zwei Teelöffel, die man kurz im Gefrierfach gekühlt hat. Legen Sie die beiden Löffel mit der bauchigen Seite rechts und links an den Kinnboden am Halsansatz. Drücken Sie die Löffel etwas nach oben. Dann strecken Sie acht- bis zwölfmal die Zunge raus und wieder zurück. Klopfen Sie danach den Kinnboden nochmals mit den Löffeln ab.
Zwei kalte Löffel und ein fröhlicher Zungeneinsatz, ideal gegen das Doppelkinn.
«Natural Lifting» von Heike Höfler, Trias Verlag 2017, Fotos: Holger Münch
Je konsequenter man seine Gesichtsgymnastik verfolgt, desto besser. Der Zeitaufwand ist überschaubar: Täglich genügen fünf bis zehn Minuten, morgens oder abends. Am besten übt man anfangs vor dem Spiegel. Bei manchen Übungen kann es nützlich sein, die Finger auf die zu bewegenden Gesichtspartien zu legen, damit während des Trainings kaum Mimikfalten entstehen. Die Anspannung darf gerne kräftig erfolgen, etwa sechs Sekunden lang, dann lässt man die Spannung langsam und bewusst wieder los. Man sollte förmlich spüren, wie die Muskulatur sich lockert und die Haut glatt wird. Wichtig: Nie an der Haut
zerren – bleiben Sie stets sanft und liebevoll!
Tipp: In der Schweiz gilt Marietta Heldstab als eine Pionierin des Gesichtstrainings. Sie beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem speziellen Muskeltraining und entwickelte das Facies-Programm, das aus neun Grundübungen besteht. www.facies.ch