Gesunde Menschen erledigen das kleine Geschäft so nebenher. Funktioniert aber irgendetwas mit dem Wasserlassen nicht, haben wir gleich ein grösseres Problem.
Der Fachbegriff für die Entleerung der Harnblase heisst Miktion. In der Umgangssprache gibt es eine ganze Menge mehr oder weniger «anständige» Begriffe dafür, die regional unterschiedlich häufig verwendet werden. Die Deutschschweizer «brünzle», und die Engländer waschen sich ganz zurückhaltend nur die Hände.
Autorin: Judith Dominguez, 12.15
Männer schlagen ihr Wasser ab, und kleine Mädchen machen pipi. Es wird uriniert, geharnt, geseicht, gepieselt, geschifft oder, etwas diskreter ausgedrückt, ausgetreten. Vielleicht hat diese Körperfunktion deshalb besonders viele Bezeichnungen, weil wir sie mehrmals täglich ausüben. Niemand kann sich ihr entziehen, und niemand vermag sie über längere Zeit zu unterdrücken. Das ist auch gut so und biologisch begründet, denn die Wasserausscheidung über die Harnblase ist lebensnotwendig. Mit dem Urin werden wir Abbauprodukte wie Harnstoff los, eine tödlich giftige Substanz, wenn sie in zu hohen Werten im Blut herumschwimmt.
Die Blase sammelt den von der Niere produzierten Urin – eine wunderbare Erfindung. Denn nur dank diesem Sammelbehälter können wir willentlich und an dafür geeigneten Orten das Wasser ausscheiden. Die Menge des Urins und die Häufigkeit der Ausscheidung sind von Mensch zu Mensch verschieden, es dürften aber im Durchschnitt etwa vierhundert Milliliter mehrmals täglich sein, abhängig nicht nur von der Trinkmenge, sondern auch von vielen anderen Faktoren.
Auch auf die Lebensphase kommt es dabei an. Föten scheiden laufend Urin aus – dieses Wasser nennt man dann Fruchtwasser. Kleinkinder sammeln zwar auch Urin in der Blase, aber sie beherrschen den Schliessmuskel noch nicht, deshalb nässen sie ein. In den ersten Jahren ist das ganz normal und gehört zum Entwicklungsprozess. Im hohen Alter wird die Muskelkraft schwächer, was auch für den Schliessmuskel der Blase gilt, der dann nicht mehr ganz dicht zumachen kann. Auch das ist völlig normal.
Gesunde Erwachsene scheiden innerhalb von 24 Stunden durchschnittlich etwa 1500 Milliliter Urin aus und verspüren ab ungefähr 300 Milliliter das Bedürfnis, sich zu entleeren. Je mehr Flüssigkeit in der Blase ist, desto stärker werden die Rezeptoren in der Blasenwand durch die Dehnung gereizt und senden ein Nervensignal ans Gehirn, das zum Austreten drängt.
Die Häufigkeit und die Urinmenge sind von der Trinkmenge abhängig sowie von der Ausscheidung von Flüssigkeit durch die Haut. Aus diesem Grund müssen wir bei heissem Wetter mehr trinken: Durch das Schwitzen wird bereits eine grössere Menge Wasser ausgeschieden, die dann nicht mehr zur Entfernung der Abfallprodukte über die Blase zur Verfügung steht. Die Entleerung erfolgt willentlich, aber sobald die Ausscheidung begonnen hat, läuft sie fast automatisch ab, wie ein Reflex.
Millionen von Menschen leiden unter Schwierigkeiten beim Wasserlösen. Wie viele, weiss niemand genau, denn Funktionsstörungen, die mit der Blase zu tun haben, sind mit Scham verbunden. Wir alle werden streng zu Reinlichkeit und Sauberkeit erzogen. Sich mit dem eigenen Urin zu beschmutzen, ist deshalb eine enorme Belastung. Zudem ist alles, was sich unter der Gürtellinie befindet und in enger Beziehung zur Sexualität steht, von Tabus belegt.
Verlieren Kinder, die schon älter als vier Jahre sind, oder Jugendliche ihren Harn unwillkürlich, geschieht das vor allem nachts. Bettnässen nennt man in der Fachsprache Enuresis. Geht bei erwachsenen Menschen unwillkürlich Urin ab, spricht man von Harninkontinenz. Auch das Gegenteil ist eine Miktionsstörung, wenn sich nämlich der Harn in der Blase staut und nicht oder nur mit grosser Mühe ausgeschieden werden kann.
Etwa zehn Prozent der Sechsjährigen nässen regelmässig ein, und bei den über Zwölfjährigen sind es immer noch drei Prozent. Die Ursachen für dieses unangenehme Phänomen sind nicht immer einfach zu finden. Das «Trockenwerden» ist das Ergebnis eines biologischen Reifungsprozesses, der unterschiedlich abläuft.
Möglich sind eine verzögerte Entwicklung im Bereich des zentralen Nervensystems, Vererbung und hormonelle Einflüsse. Nach neuerer Erkenntnis sind psychische Probleme kaum Ursache, sondern eher Folgen des Einnässens. Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind das Zubettgehen am Abend mit Angst und das Aufwachen am Morgen geradezu mit Panik verbunden. Sich nass zu machen, fördert die soziale Isolation, denn das Übernachten bei Freunden oder die Fahrt ins Ferienlager wird zum Problem. Oft möchten die Betroffenen vor Scham im Boden versinken. Früher haben die Eltern die Bettnässer bestraft und dadurch die Schuldgefühle noch vermehrt.
Die erfolgreichste Methode ist das Training. Die Kinder stellen sich den Wecker, sobald der läutet, gehen sie zur Toilette. So gewöhnt sich die Blase an den Rhythmus, und mit der Zeit erwacht das Kind bei voller Blase ganz von selbst und rechtzeitig.
Die häufigste Miktionsstörung ist die Dranginkontinenz, das Verlieren von Harn, von der ältere Frauen besonders häufig betroffen sind. Die Harnblase kann ihre Speicherkapazität nicht mehr voll ausschöpfen und schickt dem Gehirn schon bei geringer Füllung das vereinbarte Zeichen für «volle Blase». Die Betroffenen verspüren einen plötzlichen, heftigen Harndrang, der kaum zu unterdrücken ist. Die Blase ist überaktiv, und nicht immer reicht es noch rechtzeitig bis zur Toilette.
Die Ursachen können schwere Erkrankungen wie Parkinson oder multiple Sklerose sein. Bei beiden Krankheiten sind die Nerven beeinträchtigt, weshalb die Signale der Blase nicht korrekt ans Gehirn weitergeleitet werden. Im Verlauf einer demenziellen Entwicklung oder einer Zuckerkrankheit kommt es ebenfalls öfters zu einer Dranginkontinenz.
Verliert man nur unter besonderen Bedingungen Wasser, wie z.B. während des Niesens, Hustens oder Lachens, nennt man dies Belastungs- oder Stressinkontinenz.
Auch hier sind vor allem Frauen betroffen, deren Beckenbodenmuskeln zu schwach sind, um auch unter Anstrengung das Wasser zurückzuhalten. Im fortgeschrittenen Stadium, das oft im höheren Lebensalter auftritt, läuft der Urin bereits beim Aufstehen und Gehen die Beine hinunter. Unangenehm, aber leider nicht immer behandelbar: In leichten Fällen helfen Toilettentraining und Beckenbodengymnastik ganz gut.
Heute gibt es zudem operative Möglichkeiten, die mindestens unter besonders günstigen Voraussetzungen Abhilfe schaffen. Doch gerade im fortgeschrittenen Alter ist die Inkontinenz eine natürliche Schwäche, gegen die kein Mittelchen gewachsen ist. Zum Glück gibt es angenehme, saugfähige Einlagen für Erwachsene auf dem Markt, die das Sichtbarwerden der Schwäche effektiv verhindern.
Andere wären froh, das Wasser würde laufen, wohin auch immer. Sie spüren die volle, die übervolle Blase, und trotz Drücken und Pressen kommen kaum einige Tropfen heraus. Davon können besonders ältere Männer ein schmerzvolles Liedchen singen.
Hauptursache sind gutartige Prostatavergrösserungen. Je nach Umfang der Vorsteherdrüse wird die Harnröhre mehr oder weniger stark zusammengedrückt. Anfänglich ist der Urinstrahl schwach, dann tropft es nur noch, bis eines Tages nichts mehr läuft. Das ist eine akute Situation, weil der Rückstau sehr schmerzhaft ist und über längere Zeit die Nieren schädigt. Mit Hilfe eines Katheters, der durch die Harnröhre in die Blase geschoben wird, kann der Urin abgelassen werden. Bereits im Mittelalter kannte man diese Technik, nur dass man sich damals mit einem dünnen Schilfrohr begnügte.
Zu Harnverhalten kann es auch durch Blasensteine kommen, die in der Harnröhre stecken geblieben sind, oder wenn bösartige Tumore wachsen. Deshalb ist bei diesem Leiden immer eine sorgfältige medizinische Abklärung notwendig. Bei gutartigen leichten Prostatabeschwerden helfen übrigens die Früchte der Sägepalme gut.
Verschiedene Krankheiten sind an der Urinmenge erkennbar. Wird viel zu wenig Wasser gelöst, ohne dass die Blase prall gefüllt ist, so deutet dies auf ein lebensbedrohliches Nierenversagen hin. Wird sehr viel mehr Urin ausgeschieden, könnte die Ursache vielleicht Diabetes sein. Zuckerkranke trinken literweise, um mit Hilfe von Wasser den Blutzucker zu verdünnen. Herzkranke mit Ödemen müssen nachts mehrmals aufs Häuschen.
Unter häufigem Harndrang leiden teilweise auch werdende Mütter, wenn das Ungeborene auf die Blase drückt. Das ist ganz normal, aber es könnte sich auch um eine Blasenentzündung handeln.
Die Blase ist über die Harnröhre mit der Aussenwelt verbunden, und auf diesem Weg gelangen unerwünschte Mikroorganismen in sie hinein. Entzündungen der Blase sind schmerzhaft und von dauerndem Harndrang begleitet. Unbehandelt besteht die Gefahr, dass die kleinen Biester bis in die Niere hochkriechen.
Besonders anfällig sind junge Frauen, demenzkranke Menschen und alle anderen, die ein beeinträchtigtes Immunsystem haben. Die Entzündungen der Blase können so stark sein, dass die oben beschriebene Inkontinenz als Symptom auftritt.
Wie so oft ist Vorbeugung die beste Heilung. Menschen, die anfällig für Blasenentzündungen sind, ist penible Sauberkeit im Intimbereich zu empfehlen, zum Beispiel nach jedem Geschlechtsverkehr. Zudem sollte man viel Wasser trinken, damit die Blase mehrmals täglich so richtig durchgespült wird.
Diuretisch, also harntreibend wirkende Kräutertees aus Birkenblättern, Löwenzahn oder Brennnesseln unterstützen die Ausscheidung. Das Kraut der Echten Goldrute (Solidago virgaurea) ist ein pflanzliches Arzneimittel mit harntreibender und entzündungshemmender Wirkung. Es wird unter anderem bei Blasenentzündungen zur Durchspülungstherapie angewendet. Preiselbeer- bzw. Cranberrysaft wirkt sowohl schützend als auch behandelnd, da die Beeren entzündungshemmende Inhaltsstoffe enthalten. Zitrusfrüchte sollten unbedingt gemieden werden: Die Säuren von Zitronen und Orangen rauen nämlich die Blaseninnenwände auf und machen sie dadurch anfälliger für Infektionen.