Bei einem Harnverhalt im Rahmen einer Prostatahyperplasie kann der Urin sehr schlecht oder gar nicht abgegeben werden. Passiert das ganz plötzlich, ist es ein urologischer Notfall, denn die Blase könnte platzen. Es muss sofort Hilfe geholt werden. Es gibt aber auch chronische Verläufe, die auf Dauer die Nieren schädigen können. Hier die wichtigsten Informationen für betroffene Männer.
Autorin: Annette Willaredt, 11/19
Ist bei einem Mann die Blase voll, aber er kann sie nicht willentlich leeren, sprechen die Mediziner von einem Harnverhalt oder einer Ischurie. Unterschieden wird zwischen der akuten und der chronischen Form. Zu einem akuten Harnverhalt kommt es, wenn sich die Harnwege ganz plötzlich stark verengen. Die Blase füllt sich dann zunehmend, aber der Urin kann nicht mehr abgegeben werden. Bis zu zwei Liter Urin können sich in der Blase der Patienten ansammeln – drei- bis fünfmal so viel wie bei Gesunden. Die Betroffenen haben starke Schmerzen und ein unangenehmes Druckgefühl im Unterbauch. Auch Kreislaufstörungen können auftreten. Da die Blase zu reissen droht, sollte bei diesen Symptomen immer sofort der Notarzt gerufen werden. Die einzige Behandlungsmöglichkeit ist in diesem Notfall der Blasenkatheter, um die Blase schnell zu entlasten. Dafür wird ein dünner Kunststoffschlauch bis zur Blase vorgeschoben und der dann abfließende Urin in einem Beutel aufgefangen. Nach zwei bis drei Tagen wird dieser üblicherweise wieder entfernt, um zu überprüfen, ob es ohne geht. Klappt das nicht, muss meist operiert werden. In manchen Fällen können auch Medikamente helfen.
Die häufigste Ursache für einen akuten Harnverhalt ist eine gutartige Vergrösserung der Prostata. Diese Drüse umschließt den oberen Teil der Harnröhre unterhalb der Blase. Mit steigendem Alter vergrössert sie sich sehr oft. Dann kann es passieren, dass sie die Harnröhre plötzlich quasi abklemmt. Seltener können Nieren- oder Blasensteine, die die Harnwege blockieren, einen solchen Urinstau auslösen. Die Wanderung dieser Steine führt fast immer zu heftigen kolikartigen Schmerzen im Unterbauch und in der Nierenregion und lässt sich deshalb vom Arzt leicht diagnostizieren. Tumore in der Blase sind ein weiterer möglicher Grund für einen solchen Stau. Gefährdet, einen akuten Harnverhalt zu erleiden, sind ausserdem Männer, deren Harnröhre von Geburt an verengt ist. Solche Verengungen können ausserdem erworben werden, z.B. durch Verletzungen oder Entzündungen der Harnröhre oder wenn schon häufiger ein Blasenkatheter gelegt wurde. Eine weitere Ursache können Störungen der Nerven im Unterleib sein. Manchmal tritt z.B. nach einem Bandscheibenvorfall ein Harnverhalt auf. Zudem kann ein schlecht eingestellter Blutzucker bei Diabetikern die Nerven angreifen, welche die Funktion der Blase steuern. Eine mögliche, wenn auch seltene Folge ist dann, dass die Blase nicht mehr entleert werden kann.
Bei der chronischen Form des Harnverhaltes spielt die Prostata ebenfalls eine wesentliche Rolle. Durch ihre Vergrösserung leiden die Männer an häufigem Harndrang. Doch auf der Toilette gehen nur Tropfen ab. Nach dem Wasserlassen haben die Betroffenen nie das Gefühl, dass sie ihre Blase vollständig entleeren konnten. Mit der Zeit dehnt sich das Gewebe der ständig gefüllten Blase zu sehr, dadurch sind die Schliessmuskeln überfordert. Eine mögliche Folge ist Inkontinenz, also die Unfähigkeit, den Urin kontrolliert abzugeben. Hier kann sich noch ein weiteres Problem entwickeln. Weil die Blase immer voll ist, kommt es häufig zu einem Rückstau Richtung Niere. Das schädigt diese.
Ein chronischer Harnverhalt ist zwar fast nie schmerzhaft. Er sollte aber immer behandelt werden, denn er birgt ein hohes Risiko, akut und damit ein medizinischer Notfall zu werden. Der Arzt wird nach einer genauen Befragung zu Art und Dauer der Beschwerden den Unterleib abtasten. Eine gefüllte Blase ist gut zu erspüren. Bei einer rektalen Untersuchung klärt der Mediziner, ob eine Vergrösserung der Prostata vorliegt. Ganz wichtig ist auch eine Ultraschalluntersuchung. Damit lassen sich Nieren und Blase schmerzlos überprüfen. Auch Steine in den Harnwegen oder Tumore können so aufgespürt werden. Eine Blutprobe gibt Aufschluss über den PSA-Wert (Prostata spezifisches Antigen, es ist bei einer Prostatavergrößerung oft erhöht) und darüber, ob die Nieren richtig arbeiten. Eine Urinprobe zeigt, ob eventuell eine bakterielle Infektion vorliegt oder Blut im Urin ist. Macht die volle Blase Beschwerden, kann sie der Arzt mit einem Katheter schnell entlasten. Ist die Blase leer, kann der Arzt auch eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) durchführen. Dabei führt er eine Minikamera an einem dünnen Kabel die Harnwege hoch zur Blase. So lassen sich Einengungen und krankhafte Veränderungen finden.
Ist die Ursache des Harnverhalts erkannt – was nicht immer ganz einfach ist – wird je nach Diagnose behandelt. Eventuell müssen Steine entfernt oder eine Entzündung mit Medikamenten bekämpft werden. Ist der Auslöser eine vergrösserte Prostata, kann in manchen Fällen eine Operation nötig sein, um die Gefahr eines akuten Harnverhaltes zu bannen. Ist der Harnverhalt chronisch, aber nicht sehr ausgeprägt und tritt nur gelegentlich auf, können betroffene Männer verschiedenes tun, um die Beschwerden zu verringern. Empfohlen wird, entwässernde Getränke wie Kaffee oder Cola zu meiden. Ein Blasentraining kann helfen, den häufigen Harndrang besser zu kontrollieren. Dabei versucht man, nicht sofort zur Toilette zu gehen, wenn sich dieses Bedürfnis meldet. Man bemüht sich hingegen, es erst einige Minuten hinauszuzögern, indem man sich etwas ablenkt. In Schritten von jeweils rund einer Woche vergrößert man diesen Zeitabstand immer um einige Minuten. Außerdem ist es ratsam, aufrecht auf der Toilette zu sitzen, nicht nach vorne gebeugt.