Noch immer gilt die Schuppenflechte als unheilbar. Doch die Behandlung hat mittlerweile grosse Fortschritte gemacht. Auch die Naturheilkunde bietet einiges zur Linderung.
Autorin: Andrea Pauli, 09.18
Sie werden angestarrt. Man will ihnen nicht die Hand geben. Sie werden nach Ansteckungsgefahren gefragt. Menschen mit Schuppenflechte haben es schwer – im Alltag, im Berufs- und Beziehungsleben. Die weltweit grösste Schuppenflechte-Umfrage bestätigte 2016: Psoriasis ist nicht nur ein körperliches Handicap, sie macht auch die Seele krank. Mehr als 8300 Patienten mit mittelschwerer und schwerer Schuppenflechte aus 31 Ländern wurden befragt. 54 Prozent weltweit sind der Ansicht, dass die Krankheit negative Auswirkungen auf ihr Berufsleben hat. 44 Prozent halten sich selbst für unattraktiv. 40 Prozent schämen sich für ihre Haut. 43 Prozent machten die Erfahrung, dass intime Beziehungen unter der Erkrankung leiden.
Nicht umsonst forderte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 2015, Psoriasis als globales Gesundheitsproblem wahrzunehmen, die Stigmatisierung zu bekämpfen und die medizinische Versorgung der weltweit rund 100 Millionen Betroffenen zu verbessern.
Der Umfrage zufolge hat die Mehrheit (weltweit 55 Prozent) die Hoffnung auf eine symptomfreie Haut aufgegeben. Dabei gilt die Erkrankung mittlerweile als gut therapierbar – mit den geeigneten Medikamenten. Fachleute sind sich darüber einig, dass die Reduzierung der Beschwerden um 90 bis 100 Prozent als mögliches Behandlungsziel in greifbare Nähe gerückt ist.
Einer von ihnen ist Prof. Alexander Navarini, klinischer Professor für Dermatologie an der Universität Basel und Chefarzt Dermatologie am Universitätsspital Basel. «Wir wissen heute relativ genau, wie die Psoriasis entsteht. Dadurch können wir sehr viel gezielter therapieren. Einen grossen Beitrag dazu leisten die sogenannten Biologika», erklärt er. «Diese werden unter die Haut gespritzt und unterdrücken das Immunsystem, indem sie gezielt in die fehlgeleitete Reaktion der körpereigenen Abwehr eingreifen. Zudem blockieren sie bestimmte Botenstoffe, durch welche die Entzündung ausgelöst und gefördert wird. Sie unterbrechen so den Entzündungsprozess und können die Psoriasis langfristig kontrollieren.» Das Biologikum muss regelmässig angewendet werden, um beschwerdefrei zu bleiben.
Nebenwirkungsfrei ist die Behandlung mit Biologika nicht. Beschwerden verursachen können vor allem die ständigen Injektionen, welche Schmerzen, Schwellungen und Rötungen nach sich ziehen. Gehäufte Infektionen und gewisse immunologische Nebeneffekte sind ebenfalls zu beobachten; bei einem Teil der Patienten kommt es nach einigen Jahren zu einem noch nicht erklärbaren Wirkungsverlust. Manche Biologika können für schwere Darmentzündungen verantwortlich sein oder bisher unentdeckte verschlimmern, warnt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (betroffen sind allerdings weniger als 1 Prozent der Patienten).
Biologika erhält derzeit nur, wer eine sehr ausgeprägte Psoriasis mit mehr als 10 Prozent der Hautoberfläche hat, da die modernen Medikamente jährlich bis zu 25 000 Franken kosten.
«Eine spannende Entwicklung sind die kleinen Moleküle, die als Tablette eingenommen werden können und nicht sehr stark, aber sehr sicher sind», so Prof. Navarini. Die Mini-Moleküle sind so klein, dass sie in eine Vielzahl von Zellen eindringen können. Dabei hemmen sie die Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen durch die Entzündungszellen. Ihre geringe Grösse und der einfachere Aufbau im Vergleich zu Biologika machen sie auch unempfindlich für Verdauungssäfte. Die Stärke der neuen sanften Medikamente sei ihre grosse Sicherheit, so Fachärzte, z.B. das Fehlen von schweren Infekten, wodurch sich eine entsprechende Überwachung erübrige.
Biologika und kleine Moleküle stehen indes erst am Ende einer längeren Reihe von Therapieoptionen – je nach Schweregrad der Erkrankung. Eine leichte Psoriasis wird lokal äusserlich behandelt, ein schwerer Krankheitsverlauf macht eine Photo- und Systemtherapie erforderlich. Behandelnde Ärzte richten sich dabei nach den sogenannten S3-Leitlinien. Kriterium für die Schwere der Erkrankung ist der Prozentsatz der befallenen Hautoberfläche (Body Surface Area, BSA) sowie die Ausprägung der Symptome und die Lokalisation (Psoriasis Area and Severity Index, PASI). Miteinbezogen wird auch die krankheitsspezifische Lebensqualität (Dermatology Life Quality Index, DLQI). Bei einer mittelschweren bis schweren Psoriasis liegen einer bis hin zu allen Werten über 10 Prozent.
Die üblichen Behandlungen der Psoriasis sind vorwiegend entzündungshemmend und führen in der Folge zu einem langsameren Austausch der die Oberhaut betreffenden Keratinozyten (spezialisierte Zellen, welche die Hornsubstanz Keratin produzieren) und zu einer Abflachung der Plaques.
Einem «Stufenschema» folgend, bildet eine sorgfältige rückfettende Hautpflege die Grundlage jeglicher Behandlung; zum Einsatz kommen Salben, Cremes und Lotionen (mitunter auch Gel oder Schaum). Diese können Salizylsäure (zum Ablösen der Schuppen), Urea (entzündungshemmend, juckreizstillend), Polidocanol (juckreizlindernd, kühlend), Teer (bremst die krankhaft gesteigerte Zellteilung) oder Dithranol (normalisiert die übersteigerte Hautzellenvermehrung; komplizierte Anwendung, daher fast nur noch stationär verwendet) enthalten. Ausserdem im Einsatz sind Kortikoide und Vitamin-D3-Präparate. Letztere sind besonders in der Langzeittherapie gefragt; sie lassen sich zudem gut mit anderen Therapien kombinieren, so die Meinung von Fachleuten. Vitamin-A-Abkömmlinge bremsen die zu rasche Bildung der Hornzellen, allerdings treten bei der Verwendung entsprechender Gels relativ häufig Nebenwirkungen wie Jucken oder Brennen auf.
Wenn die Lokaltherapie nicht genügt, wird zusätzlich eine Lichttherapie (UVB, Lasertherapie, Balneophoto: Photosole oder Bade-PUVA) angewendet. Auch wenn sie gute Erfolge zeigt, ist sie nicht unbedenklich. Prof. Hans Meffert, einst Bestrahlungsexperte der Berliner Charité, kritisierte, dass Patienten wie Ärzte mit der UV-Therapie oft zu sorglos umgingen. Als Richtwert empfiehlt er, sich nicht mehr als 50-mal im Jahr einer intensiven UV-Belastung auszusetzen. Er rät dringend davon ab, vorbeugend oder «erhaltend» zu bestrahlen. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Langzeit-Untersuchungen, ob und wie sich regelmässige UV-Therapien auswirken.
Führt die recht zeitintensive (und die Hautalterung beschleunigende) Lichttherapie nicht zum gewünschten Erfolg, wird zur Systemtherapie geraten. «Fumarsäure und Chemotherapeutika in stark reduzierter Dosis haben sich in der Behandlung als sehr wirksam erwiesen. Diese Substanzen hemmen vor allem diejenigen Anteile des körpereigenen Abwehrsystems, die bei der Schuppenflechte für die Entzündungsreaktion verantwortlich sind. Wenn alle Therapie-Optionen versagt haben, kommen schliesslich die Biologika zum Zug», erläutert Prof. Navarini.
Die Balneophototherapie ist letztlich ein der Natur «abgeschautes» Konzept: Salzwasser plus Sonneneinstrahlung – also das, was beispielsweise bei einer Badekur am Toten Meer für abheilende Effekte sorgt. «Die Tote-Meer-Kur hilft ausgezeichnet, auch über Monate danach», erklärt Prof. Bernhard Uehleke, Forscher an der Hochschulambulanz für Naturheilkunde der Charité-Universitätsmedizin Berlin am Immanuel Krankenhaus Berlin.
US-amerikanische Studien bestätigten das Lösen entzündlicher und gewebeschädigender Enzyme durch Meerwasser und -sole aus psoriatischen Hautveränderungen. Es wurde nachgewiesen, dass Meerwasser die Zytokine Interleukin-1D (IL-1-D), IL-6 und Tumor-Nekrose-Faktor-D (TNF-D) signifikant hemmt. Diese Wirkung wird den Strontium- und Selensalzen zugeschrieben.
Der original Tote-Meer-Schlamm sei ein ideales Mittel zur Entschuppung und Verbesserung des Hautzustandes, wie eine Fernstudie zur Wirksamkeit bei äusserlicher Anwendung zeigte. Einen Versuch wert ist auch die Verwendung von Heilerde, z.B. als feuchte Auflage. «Eine kleine Studie zeigte, dass Heilerde für milde Entschuppung sorgt und die Wundheilung fördert», so Prof. Uehleke. «Wenn es allerdings um Psoriasis mit Gelenkbeteiligung geht, nutzt die rein äusserliche Behandlung nichts. Man kann die rheumatologischen Beschwerden dann lediglich ein wenig bessern», so seine Erfahrung. Wer aufgrund Psoriasis arthritis Biologika anwendet, kann den Erfolg mit Schlammbädern noch steigern. Forscher untersuchten das in einer Studie für TNF-D-Blocker. Teilnehmer, die zusätzlich ein Thermalbad inklusive Moorbad erhalten hatten, zeigten weniger Schwellungen an den Handgelenken und litten unter geringeren Schmerzen. Keiner der Patienten erlitt einen Schub, schrieben die Wissenschaftler im Fachjournal «Joint Bone Spine».
Pflanzliche Wirkstoffe können bei der Behandlung von Psoriasis ebenfalls eine Rolle spielen. «Im März 2017 erschien ein systematischer Überblick, der die Studien zu diesem Thema analysiert und bewertet», berichtet Dr. Ute Wölfe von der Uniklinik Freiburg.
Salizylsäure (heute synthetisch hergestellt) wurde ursprünglich aus der Rinde der Silberweide (Salix alba) gewonnen. Sie ist die am stärksten abschuppend wirkende, therapeutisch verwendete Substanz.
Cignolin (heute ebenfalls synthetisch hergestellt) gewann man ehedem aus dem Chrysarobin, einem Bestandteil der Rinde des Araroba- oder Goabaumes (Andira araroba), der im Amazonas-Regenwald wächst. Der Wirkstoff hemmt die Freisetzung von entzündungsprovozierenden Zytokinen und das Wachstum von hornbildenden Zellen.
Die Mahonie (Mahonia), ein bis zu 1,50 Meter hoher, immergrüner Zierstrauch aus Nordamerika, ist Studien zufolge signifikant wirksam zur Behandlung von leichter bis mittelschwerer Schuppenflechte. Die in Zweig- und Wurzelrinde enthaltenen Alkaloide wirken, als Salbe oder Creme, hautpflegend, beruhigend und entzündungshemmend, zudem hemmen sie nachweislich das Zell- und Gewebewachstum.
Mahonia
Es mag paradox erscheinen, doch auch Capsaicin, der in Cayennepfeffer (Capsicum frutescens) enthaltene Wirkstoff, wird zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Psoriasis eingesetzt. Als Creme oder Salbe verwendet, trägt er zu Schuppenreduktion und Linderung des Juckreizes bei, das bestätigen Studien. Bei verletzter Haut und für die Behandlung des Gesichts ist Capsaicin allerdings nicht geeignet. Als Indiens wichtigste «Dorfapotheke» gilt der Niembaum (Azadirachta indica, Bild oben), der mehr als 100 verschiedene Wirkstoffe in seiner Rinde, den Blüten, Blättern, Früchten und Wurzeln trägt. Der aktive Hauptbestandteil der Rinde und Blätter ist Nimbidin. In einer Studie erhielten Psoriasis-Patienten, die äusserlich mit Teerpräparaten und Salicylsäure behandelt wurden, zusätzlich eine Kapsel mit dem Extrakt des Niembaumes zur Einnahme. Nach zwölf Wochen zeigte sich eine deutliche Verbesserung der Symptome; Nebenwirkungen traten nicht auf.
Die Pflanzenfarbe Indigo naturalis setzten Wissenschaftler der taiwanesischen Chang Gung Universität bei einer Studie erfolgreich als Salbe ein. «75 Prozent der Probanden hatten auf der behandelten Seite keine oder fast keine schuppigen Hautverhärtungen mehr», so Mediziner Yin-Ku Lin. Für eine breite Anwendung müsse die pharmakologische Wirkung allerdings noch genauer erforscht werden. Die Versuchssalbe färbte die behandelten Hautstellen vorübergehend blau und roch unangenehm.
«Bei Psoriasis mit Gelenkbeteiligung sind auch Phytopharmaka wie Weidenrinde und Teufelskralle interessant», so die Erfahrung von Prof. Uehleke.
Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gilt Psoriasis als hitzig-trockene Krankheitsentwicklung des Körpers. «Die konstitutionellen Faktoren sind ‹Blutmangel› und ‹Bluthitze›. In Kombination mit auslösenden pathogenen Faktoren, die TCM ‹Wind› zuordnet, führen diese zu ‹Blutstagnation›. Bei Gelenkbeteiligung mit entsprechenden Schwellungen werden diese als ‹Feuchtigkeit› bezeichnet», so Dr. Gerfried Beyl, Facharzt für Anästhesiologie und Akupunktur am Sinomedica Zentrum Basel. «Es herrscht dabei der TCM zufolge ein Yin-Mangel bzw. Yang-Überschuss». Dieses Ungleichgewicht gelte es zu beheben.
Bei Sinomedica setzt man in der Psoriasis-Behandlung vor allem auf Akupunktur. «Die Akupunktur beeinflusst die überschiessende Immunreaktion günstig», so die Erfahrung von Dr. Beyl und Kollegen. «Fast immer zur Anwendung kommen folgende Akupunkturpunkte: Milz 6 (stärkt Yin und Blut) und Milz 9 (leitet Feuchtigkeit aus) sowie die Punkte Herz 7, Blase 15 aufgrund ihrer emotional ausgleichenden Wirkung», erklärt der TCM-Mediziner. Rund 20 Akupunkturpunkte werden pro Sitzung behandelt – zu Beginn wöchentlich, nach ca. zehn Sitzungen dann ausschleichend einmal pro Monat. «Die Ansprechquote der Psoriasispatienten in den Sinomedica-Zentren liegt bei rund drei Vierteln der Betroffenen. Die Kortisongabe kann vermindert und auch sonstige schulmedizinische Medikation reduziert werden», so Dr. Beyl. «Akupunktur bringt bei Psoriasis brauchbare, nachgewiesene Effekte, gerade auch gegen die emotionale Belastung», ist sein Fazit.
Nach ayurvedischer Lehre «kann Psoriasis auf eine Störung jedes der drei Doshas (Dosha = fundamentales Element) zurückzuführen sein – oder auf eine Kombination daraus», so Dr. Syal Kumar von der Klinik für Traditionelle Indische Medizin (TIM) an den Kliniken Essen-Mitte. «Die Ursache liegt häufig im Magen-Darm-Trakt und kann auch psychosomatische Hintergründe haben.» Wie bei jeder Krankheit, gehen Ayurveda-Ärzte bei der Behandlung von Psoriasis individuell auf den Patienten bezogen vor. «In der ersten Phase der Behandlung spielten Ernährung, innerlich wirkende Kräuterpräparate und Aktivitäten eine Rolle. Hilft das nicht ausreichend, versuchen wir in der zweiten Phase, mit einem Reinigungsprozess die Gifte aus dem Körper zu bringen. Die Behandlung hängt auch davon ab, wie chronisch die Psoriasis-Erkrankung bereits ist.» Selbst schwere Psoriasis könne man ayurvedisch behandeln und durchaus einen symptomfreien Zustand erzielen. «Wir haben hier bei uns sehr gute Erfahrungen in der Behandlung von Schuppenflechte gemacht und planen auch eine Studie dazu», erklärt Dr. Kumar.