Zahnschmerzen können schier unerträglich sein – pochend, ziehend, stechend! Zahnschmerzen zählen zu den unangenehmsten Schmerzen, die ein Mensch erleiden muss. Wichtig ist dann, sich schnell in professionelle Hände zu begeben, um die Ursachen zu finden und natürlich die Beschwerden zu beseitigen.
Autorin: Annette Willaredt
Die häufigste Ursache von Zahnschmerzen sind kranke oder geschädigte Zähne. Speisereste und die Feuchtigkeit im Mund bieten Bakterien ideale Bedingungen zur Vermehrung. Sie greifen den Zahnschmelz an und sorgen für sich immer weiter vergrössernde Karieslöcher, wenn man dem nicht Einhalt gebietet. Entlang dieser Schädigungen reagiert der Zahn oft zuerst auf Temperaturreize mit Schmerzen. Das liegt daran, dass Wärme oder Kälte direkt zu den empfindlichen und ausgeprägten Nervensträngen vordringen können, mit denen jeder Zahn ausgestattet ist. Der Reiz wandert dabei durch winzige Kanäle (Dentintubuli), die das Zahnmark durchziehen und am Schmelz enden. Wird Karies nicht behandelt, kommt es durch die Reizung des Nervs zu starken, meist pochenden Schmerzen. Selbst die Backe kann dick werden. Manchmal wird der Nerv so stark gereizt, dass es zu einer Wurzelentzündung kommt, die sich mit neben Schmerzen auch mit einem unangenehmen Druckgefühl äussert.
Der Aufbau des Zahnes mit seinen kleinen Dentinkanälchen erklärt auch, warum ein zu dünner Zahnschmelz oft zu Zahnschmerzen führt. Die Ausgänge dieser kleinen Kanäle liegen dann sehr nah an der Oberfläche. Heisses, Kaltes oder Süsses, ja manchmal sogar ein kalter Luftzug genügen, um einen stechenden Schmerz auszulösen. Ursachen für den Rückgang des Schmelzes, der starken Schutzschicht um die Zähne, sind z.B. zu kräftiges Bürsten beim Putzen sowie sehr säurehaltige Lebensmittel. Die gleichen Beschwerden treten auf, wenn das Zahnfleisch nach und nach zurückgeht. Dann liegen die ungeschützten Zahnhälse frei – und damit auch die feinen Kanäle zum Zahnnerv. Ebenfalls zu Beschwerden führen können defekte Füllungen oder Kronen. Sie sollten deshalb regelmässig kontrolliert werden.
Ein häufiger Schmerzgrund ist auch eine Entzündung des Zahnfleisches (Parodontitis). Meist wird sie von Bakterien ausgelöst, die sich am Zahnhals festgesetzt haben. Neben den Schmerzen kommt es in diesem Fall zu einem angeschwollenen, leicht geröteten Zahnfleisch. Oft blutet es zudem, auch schon bei ganz vorsichtigem Putzen. Leicht nachvollziehen lässt sich die Schmerzursache, wenn ein Zahn z.B. durch einen Sturz oder Schlag ins Gesicht verletzt wird. Manchmal treten Zahnschmerzen auch in Folge einer Fehlstellung auf. Ein möglicher Grund ist hier eine Verschiebung der Zahnreihe nach dem Durchbruch der Weisheitszähne. Es baut sich zum Beispiel dann, wenn die Weisheitszähne nicht genügend Platz im Kiefer haben, ein großer Druck auf. Und das tut weh. Die sogenannte Gingivitis ist eine milde Form der Parodontitis, die durch eine Entzündung des Zahnfleischs (Gingiva) gekennzeichnet ist.
Sie haben heftige, anhaltendende und pochende Zahnschmerzen? Das könnte eine sogenannte Pulpitis sein! Wie es dazu kommt? Meist durch eine unbemerkte Karies, die sich durch den gesamten Zahn «hindurchgearbeitet» hat. So gelangen Bakteriengifte und Bakterien ins Zahnmark und lösen dort eine Abwehrreaktion des Immunsystems aus. Es entwickelt sich eine massive Entzündung.
In seltenen Fällen können auch Schläge auf den Zahn, Zähneknirschen, schief gewachsene Weisheitszähne oder eine unbehandelte Parodontitis Auslöser sein.
Das Zahnmark, Pulpa genannt, liegt im Inneren des Zahns, ringsum fest umschlossen von Dentin. Die Pulpa besteht aus Bindegewebe und Zellen, welche Bindegewebsfasern produzieren, aus feinsten Blutgefässen, aus einem Nervengeflecht und aus Zellen, die Dentin bilden (Odontoblasten). Die Hauptmasse der Pulpa befindet sich in der Pulpakammer der Zahnkrone. Von dort laufen schmale Fortsätze durch die Wurzelkanäle Richtung Wurzelspitze. Mithilfe eines ausgeklügelten Systems winziger Kanälchen im Dentin steht die Pulpa mit dem Rest des Zahns in Verbindung.
Bei einer Zahnnervenentzündung unterscheiden Ärzte zwischen einer reversiblen (behebbare) und einer irreversiblen (unumkehrbare) Pulpitis. Ist der Zahnnerv reversibel entzündet, besteht eine gute Chance auf Heilung – die Entzündung ist noch rückgängig zu machen. Eine irreversible Entzündung lässt nicht mehr rückgängig zu machen – die Bakterien haben bereits zu grossen Schaden angerichtet. In diesem Fall muss der Zahnnerv mittels einer Wurzelbehandlung entfernt werden.
Woran man erkennt, ob es sich um eine reversible oder irreversible Pulpitis handelt? Bei der reversiblen Pulpitis reagiert der Zahn auf heisse, süsse, kalte und saure Reize. Alle lösen einen kurz anhaltenden, stechenden Schmerz aus. Bei einer irreversiblen Pulpitis leiden Betroffene meist unter anhaltenden, pulsierenden Schmerzen, die mitunter nicht exakt lokalisierbar sind. Das macht es schwierig, den erkrankten Zahn zu erkennen. In beiden Fällen sollte man sich sofort in zahnärztliche Behandlung begeben.
Wie sieht die Behandlung aus? Bei der reversiblen Pulpitis im Frühstadium reicht es meist aus, die Ursache zu beseitigen – durch eine Kariesbehandlung. Die Pulpa heilt danach vollständig aus.
Bei einer irreversiblen Pulpitis ist eine Wurzelbehandlung (in besonderen Fällen auch eine Wurzelspitzenresektion/Entfernung der Wurzelspitze) nötig.
Im Röntgenbild stellen sich Wurzelspitzenentzündungen übrigens aus erbsen- bis linsengrosse Schatten dar.
Zahnschmerzen können allerdings auch auftreten, wenn mit den Zähnen selbst alles in Ordnung ist. Die Nerven der Zähne stehen in enger Verbindung zu den Nerven im Kopf. Deshalb können Kopfschmerzen gleichzeitig auch Zahnschmerzen verursachen. So wechseln z.B. die sehr heftigen Beschwerden beim Cluster-Kopfschmerz häufig von einer Kopfhälfte zum Kiefer und wieder zurück. Auch manche Migränepatienten berichten davon, gleichzeitig an ihren Attacken und an Zahnschmerzen zu leiden. Eine Nasennebenhöhlenentzündung in Folge einer Erkältung mit Schnupfen kann ebenfalls zu drückenden oder pochenden Zahnschmerzen führen. Hier sind die Zähne im Oberkiefer betroffen, denn ihre Nervenstränge verlaufen eng an den Nebenhöhlen entlang. Leichte Schwellungen in den Nebenhöhlen durch die Entzündung drücken dann manchmal auf die Nerven und reizen sie. Auch bei Entzündungen der Ohren kommt es nicht selten parallel zu pochenden Zahnschmerzen. Zahn- und Ohrenschmerzen treten auch oft gemeinsam auf, wenn Menschen nachts mit den Zähnen knirschen – meist als Folge von Stress. Die Verkrampfung der Kiefermuskulatur und der hohe Druck, der beim Knirschen auf die Zähne ausgeübt wird, zieht häufig den ganzen Bereich der Ober- und Unterkiefer in Mitleidenschaft.
Eher selten treten Zahnschmerzen zusammen mit einem Herzinfarkt auf. Hier strahlt der meist ziehende Schmerz in der Herzgegend bis hoch in den Kiefer aus.
Den meisten Zahnproblemen lässt sich mit einer guten Mundhygiene vorbeugen. Zu empfehlen ist mindestens zweimal tägliches Putzen. Über den Nutzen oder Schaden von fluoridhaltiger Zahnpasta streiten Experten noch immer; nach derzeitiger Forschungslage scheinen die Vorteile für die Zahngesundheit zu überwiegen.
Täglich zum Einsatz kommen sollten Zahnzwischenraumbürstchen und/oder Zahnseide. In den Zwischenräumen entwickelt sich am häufigsten Karies, weil sich Bakterien dort ungestörter vermehren können und die Bürste nicht richtig hinreicht. Wichtig zu wissen: Direkt nach säurehaltigen Lebensmitteln wie Obst oder Fruchtsaft sollte man die Zähne nicht putzen. Ihre Säure weicht den Schmelz auf. Besser ist es, rund 30 Minuten zu warten. Dann haben sich die Zähne von der Säureattacke erholt und Mineralien im Speichel haben sie wieder gehärtet. Neben der täglichen Hygiene ist mindestens einmal im Jahr ein Termin bei der professionellen Zahnreinigung in der Arztpraxis zu empfehlen. Hier werden Plaque und Zahnstein entfernt, die sich bevorzugt am Saum oberhalb des Zahnfleischrandes festsetzen. In diesen Rückständen können sich Bakterien sehr gut vermehren und neben den Zähnen auch das Zahnfleisch angreifen. Eine unangenehme Entzündung kann die Folge sein.
Zahnschmerzen sind fast immer ein Alarmsignal. Nur selten verschwinden sie von selbst. Um wieder schmerzfrei zu sein und vor allem weitere Schädigungen an den Zähnen oder dem Zahnfleisch zu verhindern, sollte man möglichst schnell einen Zahnarzt aufsuchen. Je nach Beschwerden kann er z.B. mit einem Klopftest, genauer Untersuchung oder einem Röntgenbild feststellen, welche Ursache den Beschwerden zugrunde liegt. Auch wenn die Zähne nicht der Schmerzauslöser sind, ist der Zahnarzt der erste Ansprechpartner. Bei Problemen wie einer Nebenhöhlenentzündung etc. kann er zur entsprechenden Fachärztin weiterverweisen.
Die Behandlung von Zahnproblemen richtet sich nach dem Schmerzgrund. Karies muss entfernt und das vorhandene, gesäuberte Loch mit einer Füllung versorgt werden. Bei einer Wurzelentzündung kann die Wurzel gereinigt und dann mit einer Art Zement aufgefüllt werden. Bei einer Zahnfleischentzündung ist es nötig, die entstandenen Zahnfleischtaschen gründlich zu reinigen. In ausgeprägten Fällen muss der Arzt dazu das Zahnfleisch aufschneiden, um die Zahnhälse komplett säubern zu können. Die Prozedur ist nicht angenehm, aber notwendig. Wird die Entzündung nicht eingedämmt, zieht sich das entzündete Zahnfleisch oft immer weiter zurück und kann seine Aufgabe, den Zahn zu halten, nicht mehr erfüllen. Die Folge ist ein Zahnverlust – das ist besonders dramatisch, wenn es einen an sich gesunden Zahn betrifft.
Heute setzen bei der Behandlung von Zahnproblemen immer mehr Zahnärzte auf eine ganzheitliche Therapie. Sie verzichten bei Füllungen auf quecksilberhaltiges Amalgam und verwenden ausserdem möglichst wenig Metall zur Versorgung von schadhaften Zähnen, da dieses in Verdacht steht, elektrische Störfelder zu verursachen. Eingesetzt werden vorwiegend Keramikkronen oder -füllungen. Leider kommt auch die ganzheitliche Zahnmedizin nicht ohne Bohrer aus.
Antibiotika werden bei Entzündungen ebenfalls genutzt, wenn sie notwendig sind. Doch die ganzheitlichen Zahnärzte achten auch darauf, die körpereigenen Abwehrkräfte wieder aufzubauen, damit der Mund in Zukunft mit Entzündungen selbst fertig wird. Dazu wird z.B. ein eventuell vorhandener Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen überprüft und ausgeglichen. So weiss man, dass beispielsweise bei einer Zahnfleischentzündung den Patienten fast immer Zink fehlt. Außerdem versuchen ganzheitliche Zahnärzte – neben der Versorgung von akuten Zahnproblemen – das ganze Gebiss zu sanieren. Sie entfernen beispielsweise alte Amalgamfüllungen, die oft zu Symptomen wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen führen. Oder sie fahnden per Röntgendiagnostik nach unterschwelligen Entzündungen, die zwar noch keine Beschwerden bereiten, aber den Körper belasten. Und sie haben den ganzen Menschen im Blick, geben ihren Patienten also zusätzlich Ernährungstipps oder empfehlen ihnen, sich um die Gesundheit ihres Darms zu kümmern.
Anders als bei vielen anderen Erkrankungen gibt es in Sachen Zahnschmerzen nur wenige Hausmittel. Zu nennen ist hier vor allem die Gewürznelke gegen akute Schmerzen. Zerkaut man vorsichtig eine Nelke an der schmerzenden Stelle, wirkt das wie eine leichte Betäubung. Damit lässt sich allerdings nur die Zeit bis zum Arztbesuch überbrücken. Heilen kann eine Nelke nicht. Bei Entzündungen des Zahnfleischs hat sich das Spülen mit Kamillentee bewährt. Auch das Betupfen der entsprechenden Stellen mit einer Kamillenlösung aus der Apotheke bringt Linderung. Vielen hilft außerdem das gründliche, aber ganz sanfte Putzen mit einer weichen Bürste.
Eine randomisierte und placebokontrollierte Studie, veröffentlicht im «Journal of Herbal Medicine», verglich ein Mundwasser aus 1-prozentigem Zitronenverbenen-Extrakt (Aloysia citrodora) mit dem Standardmedikament Chlorhexidin (0,2 Prozent). Dabei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Plaque-Bildung, der Ausprägung einer Gingivitis oder der Blutungsneigung. Die Mediziner schlussfolgern, dass das Mundwasser mit Zitronenverbene vergleichbar mit der Wirkung des Standardmedikaments ist und damit eine Alternative bei der Behandlung von Gingivitis darstellt.