Irgendwann ist er da, erst als sanfte Rundung, dann als pralle Kugel: der klassische Männerbauch. Fast alle Männer entwickeln ihn, der eine früher, der andere später. Die Ursache: Fetteinlagerungen im Inneren des Bauchraumes, die keineswegs harmlos sind.
Autorin: Dr. Claudia Rawer
Der Ranzen, der Bier- oder Schmerbauch, das «kapaungestopfte Bäuchlein» (Shakespeare), schweizerisch der Güggelifriedhof oder in der bayrisch-österreichischen Variante die Haxenwampe – die Rundung in der Mitte des Mannes hat viele Namen.
Man kennt sie in der ganzen Welt: Im Englischen ist es der «potbelly», der Franzose hat ein «brioche» oder «l’abdos Kro», wobei sich das «Kro» natürlich auf die bekannte Biermarke Kronenbourg bezieht. Der Italiener trägt ein «pancione» mit sich herum, der Japaner pflegt seinen «biiruppara», und der Spanier liebt seinen Bauch als «barriga cervecera», (Bauch eines Bierbrauers) oder gar als «curva de la felicidad», als «Rundung der Glückseligkeit».
Mediziner und Ernährungsexperten sehen den männlichen Bauchansatz dagegen viel nüchterner. Sie sprechen von zwei Arten der Fettverteilung, nämlich der gynoiden Form, die hauptsächlich bei Frauen vorkommt, und der androiden Form, die vorwiegend bei Männern gefunden wird. Körperfett lagert sich bei Frauen meist an Hüften, Gesäss und Oberschenkeln sowie subkutan, also direkt unter der Haut an – man spricht auch von einer «Birnenform». Beim so genannten Apfeltyp dagegen vermehrt sich das Fett in der Körpermitte, im Bauchraum – typisch für das männliche Geschlecht (wobei auch Frauen, besonders nach der Menopause, betroffen sein können).
Im Bauchraum des Menschen (und bei vielen Säugetieren) findet sich ein vom Bauchfell überzogenes fett- und bindegewebsreiches Netz, das Omentum majus. Es schützt Magen und Darm und ist für die Immunabwehr im Bauchraum zuständig. Nimmt der Mensch nun mehr Kalorien zu sich als er verbraucht, lagert sich Fett an – und beim Apfeltyp eben tief im Gewebe, in diesem Netz zwischen den Darmschlingen.
Anders als das sich eher weich anfühlende subkutane Fett führen diese viszeralen Fettreserven übrigens zu einer hohen Spannung der Bauchdecke. Daher die gängige Meinung: «Das kann kein Fett sein, der Bauch ist doch ganz fest» oder der beliebte Macho-Spruch: «Alles Muskeln und Samenstränge».
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Das wäre ja alles schön und gut und nicht weiter bemerkenswert, wenn es nur um Äpfel und Birnen ginge. Leider aber handelt es sich nicht nur um unterschiedliche Formen der Fetteinlagerung, sondern auch um unterschiedlich aktive Gewebearten. Obwohl die Forscher noch längst nicht alle Mechanismen im komplexen Gefüge des menschlichen Körpers durchschauen, weiss man inzwischen: Das Fett im Bauchraum, auch als viszerales Fett bezeichnet, produziert deutlich mehr Hormone, Fettsäuren und schädliche Stoffwechselprodukte als gewöhnliche Fettzellen; Botenstoffe aus dem viszeralen Fett unterdrücken vorteilhafte Hormone. Der Münchner Endokrinologe Armin Heufelder spricht von der «Wurzel einer komplexen Stoffwechselstörung».
Die schlimmen Folgen: Erhöhung des Blutdrucks, erhöhte Gefahr für Arteriosklerose, gesteigerte Entzündungsneigung und damit ein erhebliches Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In einer amerikanischen Langzeitstudie wurde festgestellt: Die Probanden der Gruppe mit dem grössten Bauchumfang entwickelten mit mehr als 40 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit eine Herzkrankheit als jene ohne Bäuchlein.
Damit nicht genug: Blutdruck-, Blutfett- und Blutzuckerwerte können ansteigen, bis es zu einem «metabolischen Syndrom» (Vorstufe der Zuckerkrankheit) oder Diabetes kommt. Auch das Risiko für Thrombosen, Alzheimer und Krebs erhöht sich, und nicht zuletzt drücken die Botenstoffe aus dem Bauchfett auf die Laune und die Libido. Von wegen «Rundung der Glückseligkeit».
Übergewichtige Männer, ganz klar, und damit gut die Hälfte der männlichen Bevölkerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Aber: In der genannten amerikanischen Untersuchung mit 100 000 Probanden nahm auch unter den Männern mit Normal- bzw. Idealgewicht nach BMI-Richtlinien das Risiko für eine Erkrankung mit dem Bauchumfang zu. Und, so die Berliner Kardiologin und Geschlechtermedizinerin Prof. Vera Regitz-Zagrosek: Nach der Menopause reichere sich überschüssiges Fett auch bei Frauen im Bauchraum an. Damit steige, ebenso wie bei dicken Männern, die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Vera Regitz-Zagrosek erklärte es in einem dpa-Gespräch so: «Dicke Bäuche sind gefährlicher für die Gefässgesundheit, weil aggressive Stoffwechselprodukte wie freie Fettsäuren durch die Pfortader direkt in die Leber gelangen.» Fette aus dem Oberschenkel- oder Gesässgewebe würden dagegen erst über die Venen und das Herz im Körper umverteilt.
Am Gewicht bzw. am BMI alleine lässt sich also nicht unbedingt ablesen, ob zu viel Bauchfett vorhanden ist. Daher empfehlen Experten zum einen die Messung des Bauchumfangs, zum anderen die so genannte Waist-to-height-Ratio, bei der Taillenumfang durch Körpergrösse geteilt wird.
Der angelegte Massstab ist streng: Schon ab 80 Zentimetern Taillenumfang bei Frauen und 94 Zentimetern bei Männern besteht ein leicht erhöhtes Erkrankungsrisiko, muss der Gürtel auf 88 Zentimeter bei Eva und 102 bei Adam geschnallt werden, ist die Gefahr für Folgeerkrankungen stark erhöht.
Beim Verhältnis Taille-Körpergrösse werden vorläufige Grenzwerte von 0,5 für Personen unter 50 Jahren und 0,6 für Menschen über 50 angenommen.
Nicht vom Bier alleine, so viel steht fest. Die Angst ums Feierabendbierchen war britischen Wissenschaftlern eine Studie wert: Sie untersuchten biertrinkende und abstinente Männer und Frauen aus Tschechien, dem Heimatland berühmter Brauereien, konnten jedoch keinerlei Zusammenhang zwischen Bierkonsum und Bauch feststellen.
Allerdings: Bier enthält nun einmal Kalorien, wie jedes Nahrungsmittel und Getränk ausser Wasser und schwarzem Kaffee oder Tee. Und so führen Mediziner den wachsenden Bauchumfang des Mannes auf allgemein schlechte Ernährungs- und Essgewohnheiten zurück. Laut der Nationalen Verzehrsstudie des deutschen Bundesinstitutes für Risikobewertung essen Männer beispielsweise doppelt soviel Fleischerzeugnisse und Wurstwaren wie Frauen. Und gerade bei der Wurst liegt der Hase im Pfeffer: Sie enthält durchschnittlich 25 bis 30 Prozent Fett, obwohl der Handel beteuert, sie sei mit Rücksicht auf moderne Ernährungsbedürfnisse «schon viel magerer» geworden. Der bei Männern ebenfalls beliebte Vollfettkäse weist durchschnittlich einen noch höheren Fettgehalt auf (bis 40 Prozent).
Männer nehmen entsprechend durchschnittlich über 100 Gramm Fett pro Tag statt der empfohlenen 70 Gramm zu sich. Auch die Richtwerte für Cholesterin werden laut der Studie von den Männern stets überschritten (und von den Frauen unterschritten).
Gesunde und kalorienarme Nahrungsmittel dagegen haben es schwer: Gerade mal etwas mehr als 100 Gramm Gemüse verzehrt ein durchschnittliches Mannsbild pro Tag; junge Männer liegen sogar noch deutlich darunter.
Dazu kommt Bewegungsmangel – je älter Adam wird, desto gemütlicher bewegt er sich in der Regel auch und verzichtet gerne auf schweisstreibendes Fitnesstraining.
Das ist die betrübliche Nachricht: Nicht ohne Umstellung und Anstrengung. Vielen Männern fällt das schwer, denn sie sind oft auch dann mit ihrem Gewicht zufrieden, wenn es deutlich zu hoch liegt. «Die paar Kilos zu viel» werden ebenso wie das «gemütliche Bäuchlein» gerne ignoriert, auch wenn es sich längst nicht mehr um einige wenige Kilogramm, sondern einen herzinfarktgefährdeten Knödelfriedhof mit ungemütlichen Folgen handelt.
Männer wissen zudem durchschnittlich viel weniger über Ernährung, Kalorien- und Fettgehalte als Frauen – und können daher etwas Hilfe und Unterstützung beim Bauch-weg-Programm gut gebrauchen.
Denn es führt nun einmal kein Weg drumherum: Weniger Bauch, das bedeutet langfristig weniger Kalorien und mehr Bewegung. Deswegen muss man nicht sein ganzes Leben umkrempeln und zum Schlankheitsfanatiker und zur Sportskanone werden – aber ein wenig Veränderung bedeutet es doch. Diäten sind in aller Regel sinnlos – wichtige Komponente des Gesundheitsfahrplanes ist die Umstellung auf eine vielseitige und fettreduzierte Ernährung. Dabei sollte man nicht vergessen, dass auch Getränke wie Bier, Wein und besonders Spirituosen, aber auch Limonade, Cola und Fruchtsaft nicht gerade wenig Kalorien enthalten, aber kaum zum Sättigungsgefühl beitragen. Beispiel: Ein halber Liter Bier hat etwa 50 Kalorien mehr als eine Scheibe Vollkornbrot mit einer ordentlichen Portion gekochtem Schinken.
Bauchübungen wie einfache Situps helfen beim Fettabbau – dazu muss man nicht einmal ins Fitnessstudio. Und nicht zuletzt sollte wieder regelmässig Bewegung auf dem Programm stehen, wobei gemässigtes Ausdauertraining absoluten Vorrang hat. Sportwissenschaftler Ingo Froböse rät zum Beispiel von der schnellen Joggingeinheit zwischendurch ab: «80 Prozent der Jogger laufen viel zu schnell», sagt der Experte, langsames Laufen sei auf jeden Fall der bessere Fettkiller.
Wer seinen neuen Ernährungsplan schrittweise einführt und trotz möglicher Ausrutscher und Rückschläge immer wieder zu ihm zurückkehrt, wer mehr Bewegung in seinen Alltag integriert und auch dort einigermassen konsequent bleibt, hat gute Aussichten, das ungesunde Fett wieder loszuwerden oder zumindest zu reduzieren – nur Mut!
TIPP