Viele Frauen stellen in den Wechseljahren fest, dass ihre Verdauung nicht mehr so reibungslos funktioniert wie früher. Verstopfungen, Blähungen und Völlegefühle sind nicht selten. Auch Krämpfe treten auf und manche leiden unter einem Wechsel von Verstopfung und Durchfall. Einen wesentlichen Anteil an diesen Problemen haben die hormonellen Veränderungen in dieser Zeit. Psychische Faktoren können eine zusätzliche Rolle spielen. Mit eine paar kleinen Änderungen im Alltag lassen sich die Beschwerden meist jedoch gut in den Griff bekommen.
Autorin: Annette Willaredt
In den Wechseljahren wird der Hormonhaushalt einer Frau ordentlich durcheinandergewirbelt. Im Vordergrund steht das Absinken des Östrogenspiegels. Doch die Zusammenhänge sind etwas komplizierter. Das Östrogen kontrolliert ein weiteres Hormon, das Cortisol. Dieses ist dafür zuständig, bei Stress einzugreifen, dem Körper Fluchtreaktionen zu ermöglichen und ihn danach wieder in Balance zu bringen. Sinkt allerdings der Östrogenspiegel, gelingt es dem Körper nicht mehr optimal, das Cortisol zu beeinflussen. Steht man dann unter Stress, kann dieses Hormon nicht mehr so gut zurückreguliert werden. Das Problem dabei: Wird der Körper von Stresshormonen geflutet, werden die Verdauungsfunktionen stark zurückgefahren. Sie sind jetzt völlig unwichtig, denn der Körper hat nur noch Flucht oder Kampf auf der Agenda. Dieses an sich sinnvolle Programm aus der Steinzeit bringt in unserem modernen Alltag aber Probleme, denn der heutige Stress hat nichts mit dem einst lauernden Säbelzahntiger zu tun. Wir haben eher Ärger mit der Kollegin oder sorgen uns, ob die Kinder die Schule oder das Studium schaffen.
Als wäre das nicht schwierig genug, spielen hier noch zwei weitere Hormone eine Rolle. Da ist das Progesteron, ein weibliches Geschlechtshormon, dessen Spiegel ebenfalls in den Wechseljahren sinkt. Es hat einen entspannenden Effekt auf die Muskulatur. Im Magen-Darm-Trakt bremst es die Bewegungen und damit die Weiterbeförderung des Speisebreis. Das führt zu Verstopfung und trägt, wenn die Nahrung zu lange liegen bleibt, auch zur Entwicklung von Gasen und damit Blähungen bei.
Prostaglandine, deren Bildung von Östrogen gesteuert wird, haben hingegen einen anregenden Effekt auf die Muskulatur. Die Muskeln im Verdauungstrakt spannen sich nun häufiger an, die Nahrung wird schneller durch den Darm transportiert als ratsam. Und das ruft dann Bauchkrämpfe, häufigere Stuhlgänge oder sogar Durchfall hervor. Das grosse Problem dabei: Die Spiegel dieser Hormone sinken nicht gleichmässig und wohlgeordnet. Es geht oft über Jahre immer wieder auf und ab, bis sie sich auf einem neuen Level eingependelt haben. Während dieser Übergangszeit kommt es deshalb bei vielen Frauen häufig zu Verdauungsstörungen.
Wie schon angedeutet, spielt auch die Seele eine grosse Rolle, wenn es um die Verdauung geht. Jeder weiss, dass vielen Menschen Probleme auf den Magen schlagen. Es gibt die berühmte „Laus“, die einem über die Leber läuft. Und viele haben tatsächlich „Schiss“, wenn sie Angst haben. Alle diese Sprichwörter zeigen, dass diese Zusammenhänge schon sehr lange bekannt sind. Nun haben Frauen in den Wechseljahren psychisch oft viel zu verkraften. Das Älterwerden, den Auszug der Kinder, eine Neuorientierung im Job, die Eltern, die langsam Betreuung brauchen – das muss alles verkraftet werden. Dazu kommt, dass Hitzewallungen und Schweissausbrüche den Schlaf empfindlich stören. Die Frauen sind dann nervös und gestresst. Auch das wirkt sich negativ auf die Verdauung aus. Gestresste Menschen essen auch meist zu hektisch und kauen nicht richtig. Das ruft schnell Blähungen hervor, weil der Darm dann die ganze Verdauungsarbeit alleine machen muss, die normalerweise schon zuvor durch gründliches Kauen eingeleitet worden wäre.
Abhilfe: Man sollte auch in stressigen Zeiten ganz in Ruhe essen und gründlich kauen. Ansetzen lässt sich auch an einer anderen Stelle: Frauen in den Wechseljahren profitieren sehr vom Erlernen einer Entspannungstechnik wie Meditation oder Tai Chi. Sie kommen dann mit stressigen Situationen besser zurecht und auch der Schlaf wird erholsamer.
An den häufig auftretenden Symptomen Blähung und Verstopfung ist meist die Tatsache schuld, dass sich mit dem Alter und durch den veränderten Hormonhaushalt die Verdauung immer mehr verlangsamt. Ein natürlicher Prozess, dem man aktiv entgegensteuern muss. Die Verlangsamung führt dazu, dass die Nahrung länger im Darm verweilt. Sie kann dann beginnen zu gären, bevor sie ausgeschieden wird. Dadurch entstehen Gase. Auch die Eigenbewegungen des Darms, mit denen er zum einen den Speisebrei „durchknetet" und zum zweiten diesen dann weiterbefördert, verlangsamen sich. Es kommt zur Verstopfung.
Abhilfe: Um die langsame Verdauung wieder auf Trab zu bringen, gibt es zwei gute Strategien.
Nummer 1: Viel Bewegung, denn dabei werden auch die Bauchorgane besser durchblutet. Das regt sie an. Besonders gut sind hier Sportarten im Wasser wie Schwimmen oder Aqua-Gymnastik, denn dabei massiert das Wasser gleichzeitig den Bauch. Das verstärkt den positiven Effekt.
Nummer 2: Den Darm mit Ballaststoffen anregen. Die stecken reichlich in allen Obst- und Gemüsesorten, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten und Nüssen. Sie sollten deshalb in alle Mahlzeiten des Tages integriert werden. Wer noch mehr tun will: Täglich zwei bis drei Teelöffel Leinsamen oder Flohsamen, z.B. in Naturjoghurt gerührt, sind ein sehr guter Fitmacher für den Darm. Ebenfalls zu empfehlen sind milchsäurehaltige Lebensmittel wie Sauerkraut und Joghurt, welche die Darmbewegung anregen.
Meiden sollte man Weissmehlprodukte und verarbeitete Lebensmittel, da sie dem Körper vor allem leere Kalorien, aber keine Nährstoffe bieten. Auch Süssigkeiten sorgen für eine träge Verdauung.
In den Wechseljahren verändert sich nicht selten auch die Darmflora. Grundsätzlich ist der menschliche Darm mit Milliarden verschiedenster Bakterien besiedelt – das Mikrobiom. Je grösser die Anzahl und je unterschiedlicher die Bakterienstämme, desto besser. Hormonelle Veränderungen, aber auch Stress, schlechte Ernährungsgewohnheiten oder die Einnahme von Antibiotika können diese Mikrowelt durcheinanderbringen. Oft geht dann die Anzahl der „guten" Bakterienstämme zurück und die der „schlechten" steigt. Folge: Es kommt leicht zu Blähungen. Auch Bauchkrämpfe, Durchfall oder Verstopfung sind mögliche Folgen.
Abhilfe: Um wieder Ordnung im Bauch zu schaffen, kann es sinnvoll sein, für ein paar Wochen sogenannte Probiotika einzunehmen. Diese Präparate schleusen wieder „gute" Bakterien in den Darm. Wichtig zu wissen: Es reicht nicht, diese „guten" Bakterien zu sich zu nehmen. Man muss sie auch „füttern": Sie brauchen Ballaststoffe aus Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten etc., um dauerhaft im Darm leben und ihre Aufgabe erfüllen zu können. Um es ganz überspitzt zu sagen: Nimmt man Probiotika und isst im Anschluss nur Kuchen und Pommes, sterben die „guten" Bakterien einfach wieder ab.
Einige Lebensmittel und Heilkräuter sind in der Lage, die Verdauung schonend wieder fit zu machen. Der Löwenzahn enthält ein komplexes Gemisch an Bitterstoffen. Sie stimulieren bereits die Speicheldrüsen im Mund und sorgen so dafür, dass Nahrungsbestandteile schon dort effektiv zerlegt werden. Im nächsten Schritt regen sie den Magen an, damit er Verdauungssäfte ausschüttet und wirken zum Schluss auf den Darm ein, damit der seine Arbeit zügiger erfüllen kann. Junge Blätter vom Löwenzahn können in den Salat gegeben werden. Oder man nimmt sie als Zutat zu einem Smoothie.
Artischocken sorgen vor allem für eine bessere Verarbeitung von Fetten im Körper, weil sie den Gallefluss anregen. Auch Majoran zählt zu den Gewürzen, die die Verdauung anregen. Er lindert Blähungen und Völlegefühl. Dazu kann man einen Tee kochen. Man überbrüht zwei Teelöffel Majoran mit 250 Milliliter Wasser und lässt alles zehn Minuten ziehen. Dann abseihen und schluckweise trinken. Bewährt haben sich drei Tassen am Tag.
Bei Verstopfung sind Trockenpflaumen zu empfehlen. Man legt drei bis fünf Stück über Nacht in lauwarmes Wasser. Morgens dann das Wasser auf nüchternen Magen trinken und die Pflaumen essen. Ein Apfel am Tag regt dank seiner Ballaststoffe ebenfalls die Verdauung an, dazu binden seine Pektine auch Schadstoffe.
Die Macisblüte, der Samenmantel der Muskatnuss, ist ein altes Mittel zur Behandlung von Beschwerden wie Völlegefühl, Blähungen und Magendruck. Ein Tee regt die Produktion von Magen- und Gallensaft an. Dazu einen Teelöffel Macisblüte, einen Teelöffel Koriandersamen und fünf Kardamomkapseln im Mörser zerdrücken, mit einem Liter Wasser überbrühen, fünf Minuten ziehen lassen, dann abseihen. Den Tee über den Tag verteilt zu den Hauptmahlzeiten trinken. Kümmel macht vor allem schwer verdauliche Speisen deutlich besser bekömmlich. Das Gewürz einfach ans Essen geben.
Bei Verstopfung wie bei Durchfall ist Flohsamen in der Lage, die Darmfunktion wieder zu normalisieren. Hier ist es notwendig, reichlich zu trinken, damit die Flohsamen im Darm auch aufquellen und ihre heilsame Wirkung entfalten können. Viel trinken ist bei Verdauungsproblemen ganz grundsätzlich wichtig, damit der Stuhl nicht zu hart wird. Mindestens 1,5 Liter am Tag, besser noch zwei sind ratsam.
Mit steigendem Alter verändert sich auch der Stoffwechsel. Lebensmittel, die wir früher sehr gut vertragen haben, belasten plötzlich die Verdauung. In den Wechseljahren sind das oft Nahrungsmittel mit viel Gluten (das Klebereiweiss in vielen Getreidesorten), Laktose (Milchzucker in Milchprodukten) oder Fructose (Fruchtzucker in Obst). Noch ist wissenschaftlich nicht geklärt, ob die Zunahme solcher Intoleranzen tatsächlich an den genannten Stoffen liegt oder ob der Grund der allgemein stark gestiegene Anteil von Zusatzstoffen in unserer Ernährung ist.
Abhilfe: Wer eine Intoleranz bei sich vermutet, kann eine sogenannte Weglass-Diät starten. Das heisst, dass für mindestens eine Woche alle „verdächtigen" Lebensmittel vom Speiseplan gestrichen werden. Bei einer vermuteten Gluten-Intoleranz lässt man beispielsweise alle Getreideprodukte weg, die Gluten enthalten. Ausweichen kann man in dieser Zeit auf Reis, Amaranth und anderes mehr. Nach der Diätphase kann man dann vorsichtig immer wieder ein Produkt auf den Speiseplan setzen. Viele stellen dann fest, dass sie – um im Beispiel zu bleiben – Weizenbrötchen nicht vertragen, aber ein Scheibe Dinkelbrot schon. Sinnvoll ist es, sich bei dieser Diät ein Tagebuch darüber zu führen, was man isst und wie man darauf reagiert.
Ein Aspekt, den man nicht vergessen darf, ist Bewegung. Zum einen wird dadurch die Darmbewegung angeregt. Besonders zu empfehlen bei Verstopfung ist Aquagymnastik, denn hier massiert das Wasser die Bauchorgane zusätzlich.
Körperliche Aktivität hilft auch, Stress und seelische Spannungen abzubauen. Wer für das Joggen oder das Training im Fitness-Studio nichts übrig hat: Schon ein täglicher flotter Spaziergang von rund 30 Minuten ist laut Studien sehr effektiv. Frauen, die in den Wechseljahren zu Nervosität und Unausgeglichenheit neigen, profitieren auch sehr von Entspannungsübungen. Nicht nur die Bewegungen, auch die Konzentration auf den Atem bringen die Seele schnell wieder in Balance.
Sind die Verdauungsprobleme sehr ausgeprägt, ist es immer sinnvoll sich ärztlich untersuchen zu lassen. So kann ausgeschlossen werden, dass eine behandlungsbedürftige Erkrankung dahintersteckt.
Zuletzt aktualisiert: 20-06-2024