Honig kennt jeder. Die antibakterielle, antibiotische oder antioxidative Wirkung sonstiger Bienenprodukte ist auch nicht zu verachten. Selbst ein Stich kann heilsam sein.
«Jeden Tag ein Löffel Honig stärkt die Abwehr», pflegten unsere Grossmütter zu sagen. Die Therapie mit Bienenprodukten war früher selbstverständlich. Heute werden die Erzeugnisse der fleissigen Insekten als Nahrung, Nahrungsergänzung oder als Bestandteile von Kosmetika eingesetzt. Wer sie gezielt zur medizinischen Behandlung nutzen möchte, sollte sich in die Hände eines ausgebildeten Apitherapeuten oder einer Naturheilpraktikerin begeben oder sich von einer Ärztin begleiten lassen.
Autorin: Silke Lorenz, 03.19
Wichtig ist die Unterscheidung in Heil- und Nahrungsmittel. So gelten Honig, Pollen und Gelée royale als Lebensmittel, die gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen, auch Functional Food genannt. Die entsprechenden Reinheits- und Qualitätsanforderungen sind beispielsweise in der Schweizer Lebensmittelverordnung verankert. Wachs ist ebenfalls in der Lebensmittelbranche als Hilfsstoff zugelassen und in der Kosmetik gar ein wichtiger Grundstoff.
Dagegen bedürfen Heilmittel wie Präparate auf der Basis von Propolis und Bienengift per Gesetz einer Zulassung – in der Schweiz durch die Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte, Swissmedic.
Die Naturheilmittel Propolis und Bienengift dürfen nicht mit Nahrungsmitteln gemischt werden. Im Ausland werden solche Mischungen jedoch angeboten. Doch wann hilft welches Produkt? Der Zentralpräsident des Schweizerischen Apitherapie Vereins, Matthias Holeiter, selbst praktischer Arzt und Imker, erklärt Wirkung und Anwendung.
Honig ist ein weitverbreitetes Süssungs-, aber auch Hausmittel. Bei Husten und Heiserkeit hilft zum Beispiel Salbeihonig, pur oder in Tee aufgelöst. Oberflächliche Schnittwunden, Abschürfungen oder Blasen heilen schneller, wenn man Honig unter das Pflaster gebe, rät Holeiter (Andere allerdings sagen, dass normaler Blütenhonig keinesfalls auf offene Wunden gehöre.). Medizinischer Honig wie MediHonig oder Manuka-Honig für Problemwunden sind in der Apotheke erhältlich.
Blütenpollen sind für uns aufgrund ihrer vielfältigen Inhaltsstoffe wie z.B. Eiweisse, Mineralstoffe und Vitamine eine wichtige Nahrungsergänzung. Zudem besitzen sie auch antioxidative Eigenschaften. Darum werden sie als Ergänzung vorbeugend oder lindernd bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt. «Bei Prostata-Entzündungen werden Pollen oder klinisch geprüfte Pollenpräparate verwendet. Pollen gelten als Immunregulatoren», sagt Holeiter. In der Schweiz sind Bienenpollen laut Swissmedic aber in keinem zugelassenen Arzneimittel enthalten.
Zu den Pollen zählt übrigens auch das Bienenbrot: Das ist in den Waben konservierter, milchsauer vergorener Pollen. Den so geernteten Pollen kann man bestens verzehren, er schmeckt angenehm säuerlich. Im Wesentlichen hat er die gleichen Eigenschaften wie frischer oder getrockneter Pollen, kann vom Körper aber besser aufgenommen werden.
Diesen Futtersaft erhält die Bienenkönigin ihr Leben lang, was sie zur starken Herrscherin macht. Gelée royale enthält auch alle Stoffe, die unser Körper zur Bildung neuer, gesunder Zellen braucht. Sind wir durch Krankheit oder Stress geschwächt, hilft dieses natürliche Nahrungsergänzungsmittel. Zudem werden ihm Ginseng-ähnliche Eigenschaften zugeschrieben, u.a. Gedächtnis- und Konzentrationsförderung, eine Harmonisierung des vegetativen Nervensystems sowie allgemeine Leistungssteigerung. Gelée royale gibt es als Salbe, Tinktur, Kapseln oder Trinkampullen. Der Wirkstoff kann auch als Kur angewendet werden. Aber Vorsicht: Gelée royale löst bei manchen Menschen allergische Reaktionen aus.
Noch relativ wenig bekannt ist Apilarnil, gerne als Gegenstück zu Gelée royale bezeichnet. Der Extrakt aus drei bis sieben Tagen alten Drohnenlarven wirkt aufgrund seiner Nährstoffe und Vitamine wie eine Art Kraftfutter. Vor allem ist jede Menge Eiweiss enthalten. Der Extrakt muss entweder schnell tiefgefroren oder in Honig konserviert werden. Oft werden später noch Pollen oder Bienenbrot und frische gemahlene Nüsse zugemischt. Als Energiespender wird Apilarnil bei Erschöpfungszuständen, bei Infektionen und bei starker körperlicher wie geistiger Anforderung eingesetzt. Apilarnil steht allerdings in der Kritik, weil dafür Larven getötet werden müssen, obgleich Bienen doch genügend andere hilfreiche Stoffe produzieren und ohnehin stark gefährdet sind.
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Bienenkittharz oder Propolis enthält bis zu 200 Inhaltsstoffe und zählt zu den wirksamsten natürlichen Antibiotika. Es wirkt zudem antiviral und fungizid. Warum? Im Sommer leben zehntausende Bienen auf engstem Raum zusammen, ohne dass eine Infektion durch Bakterien, Viren oder Pilze ausbricht – dank Propolis. Mit dem Stoff dichten die Bienen ihre Behausung gegen Zugluft, Feuchtigkeit und Mikroben ab; vor jeder Eiablage werden die Zellen mit einer mikroskopisch dünnen Schicht aus Propolis desinfiziert. «In der Apitherapie setzen wir Propolis als Immunstimulans ein, zum Beispiel bei lokalen Infekten im Mund-Nase-Bereich oder bei Hautwunden. Auch bei Heuschnupfen oder chronischen Erkrankungen der Atemwege kann es unterstützend helfen, als Kapsel zum Einnehmen oder als Inhalation mit speziellen Geräten», erklärt Holeiter.
Vorsicht: Auch Propolis kann allergische Reaktionen auslösen. In der Apotheke oder in gut sortierten Reformhäusern findet man Propolis-Lutschtabletten, Zahncreme, Mundwasser, Hautpflegemittel und Kapseln für die Gesundheitspflege. Propolis ist auch in homöopathischen und naturheilkundlichen Arzneimitteln enthalten.
Bienenwachs wird bei Arzneimitteln häufig als Hilfsstoff eingesetzt. Wachs wirkt antibakteriell, hemmt Entzündungen und fördert die Wundheilung. Als Zusatz in Kosmetika macht es die Haut frisch und glatt. Das Kauen von Bienenwachs soll der Apitherapie zufolge das Zahnfleisch stärken und die Speichelsekretion erhöhen. «Ich verwende warme Bienenwachsplatten als Auflagen bei Gelenkbeschwerden oder Erkältungen. Das wärmt und lindert Schmerzen», verrät Matthias Holeiter.
Hals- oder Brustwickel mit Bienenwachs kann man bei Erkältungsbeschwerden auch selbst herstellen: Wachs im Wasserdampfbad schonend schmelzen, Leinen- oder Baumwolltuch mehrmals im Wechsel eintauchen und abtropfen lassen. So saugt der Stoff genügend Wachs auf. Zum Auflegen sollte der Wickel Körpertemperatur haben. Wichtig: Das Wachs sollte gereinigt und verarbeitet sein, möglichst ohne Zusatz von Paraffinen.
Imker haben dank Bienengift kaum rheumatische Erkrankungen, sagt man. «Ich kenne Geschichten von Imkern, die ihre komplette Schutzmontur angezogen und nur eine Stelle am Rücken freigelassen haben. Sie haben die Bienen so lange gereizt, bis sie zustachen. Das sollte gegen Rückenschmerzen helfen. Zur Nachahmung ist so etwas nicht empfohlen», erzählt Matthias Holeiter mit einem Augenzwinkern. Zwar ist Bienengift von den meisten Menschen gefürchtet, weil es sehr schmerzhaft und für Allergiker lebensgefährlich ist. Und doch gibt es kein anderes Bienenprodukt mit solch vielfältigen Wirkungen, das biologisch wie medizinisch derart gut erforscht ist. Weltweit geniesst es auch bei Schulmedizinern Anerkennung.
In der Schweiz sind homöopathische Arzneimittel zugelassen, die unter anderem Wirkstoffe aus Bienengift (Apisinum) in potenzierter Form enthalten. In asiatischen Ländern wird häufig die Apipunktur angeboten: Dabei wird der Stachelapparat der Biene als Akupunkturnadel benutzt. Auch Matthias Holeiter hat dieses Verfahren angewendet: «Ich habe damit beste Erfahrungen gemacht bei Arthrose, bei Rheumatikern, bei denen einzelne Gelenke betroffen waren, oder auch bei chronischen Erkrankungen wie MS und Fibromyalgie», sagt der Mediziner. Lebenswichtig: Vor jeder Behandlung mit Bienenstichen muss eine Allergie ausgeschlossen werden.
Apitherapeuten sind meist Heilpraktiker oder Ärztinnen und oft zugleich Imker. Ein seriöser Therapeut hat seine Ausbildung beim Deutschen Apitherapie Bund oder beim Schweizer Apitherapie Verein absolviert und ist dort auch gelistet. Von einer medizinischen Behandlung bei einem Imker ohne diese spezielle Ausbildung ist abzuraten, auch wenn zahlreiche Imkerinnen und Imker in der Regel über ein gutes Heilwissen verfügen.