Im menschlichen Organismus spielt Schleim eine wichtige Rolle. Schleim gilt als unappetitliche Substanz, mit der man möglichst jeden Kontakt vermeidet. Doch sein negatives Image ist unverdient: Schleim aus Heilpflanzen lindert unterschiedlichste Beschwerden.
Autor: Adrian Zeller
Schleim ist beim Menschen und auch einigen Tieren und Pflanzen eine unverzichtbare Substanz. Fische beispielsweise hilft er, den Widerstand des Wassers zu minimieren und so den Energieverbrauch beim Schwimmen gering zu halten. Gleichzeitig reduziert er das Risiko, dass sich Schmarotzer und Krankheitserreger an ihrer Körperoberfläche festsetzen können.
Schleimproduzierende Heilpflanzen können bei allerhand Entzündungsprozessen von Mund bis Darm lindern und schützen. Pflanzliche Schleimstoffe wirken auch kühlend. Bei Entzündungen nimmt der Blutzufluss massiv zu, das betroffene Gewebe schwillt an und erwärmt sich.
Im folgenden werden eine Reihe von Heilpflanzen aufgeführt, die Schleimstoffe enthalten und zur Behandlung unterschiedlichster Beschwerden eingesetzt werden können. Sie sind im Fachhandel als gebrauchsfertige Heilmittel oder -mischungen erhältlich. Über die genaue Anwendung geben Drogerien und Apotheken Auskunft. Eine fachkundige Beratung ist übrigens auch wegen möglicher Anwendungseinschränkungen (z.B. bei Schwangerschaft) und Wechselwirkungen wichtig.
Die geschnittenen Blätter wie auch die Wurzeln des Eibischs (Althaea officinalis) wirken entzündungshemmend und reizlindernd. Auszüge aus den Pflanzenteilen werden bei Entzündungen von Mund, Rachen und Magenschleimhaut sowie bei Reizhusten verwendet. Eibisch findet sich in sehr vielen Pflanzenpräparaten gegen Husten.
Huflattich (Tussilago farfara): Der Aufguss der Blätter wird bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum sowie bei Erkältungen und auch Reizhusten eingenommen. Huflattich enthält jedoch sogenannte Pyrrolizidinalkaloide, von denen einige eine leberschädigende Wirkung haben. Daher sollte Huflattich zurückhaltend und nur für wenige Tage angewendet werden.
Isländisches Moos (Cetraria islandica): Diese Flechte, die schon Alfred Vogel sehr schätzte, wird als Aufguss bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut sowie bei Reizhusten eingesetzt. Sie hilft auch bei Appetitlosigkeit. Im Handel sind gebrauchsfertige Pastillen erhältlich.
Lindenblüten (Tillia platyphyllos): Ein heisser Aufguss von Lindenblüten hilft bei Erkältungskrankheiten, bei Grippe (symptomlindernd) sowie bei Halsschmerzen und Husten.
Wilde Malve (Malva sylvestris): Die Blüten und die Blätter wirken gegen Entzündungen im Mund- und Rachenraum sowie bei Halsschmerzen, ausserdem lindern sie Husten. Tees, Tinkturen und Cremes aus Malven helfen auch bei verschiedenen Hautproblemen.
Spitzwegerich (Plantago lanceolata): Die Blätter und die Blütenschäfte werden bei Erkältungskrankheiten sowie bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum angewendet.
Schneckensaft: In der Naturheilkunde wird gerne auch «Schneckensaft » oder «Schneckensirup» empfohlen. Speziell bei hartnäckigem Husten gilt er als sehr wirkungsvoll. Heute wird darunter meist ein eibischhaltiger Hustensirup verstanden. Der Sirup kann mit weiteren pflanzlichen Inhaltsstoffen wie Thymian oder Isländisch Moos zubereitet sein. Es gibt aber – laut «PharmaWiki» – auch Schneckensäfte, die tatsächlich einen Extrakt aus Weinbergschnecken enthalten.
Haferschleim: Bei unterschiedlichen Beschwerden kann er als natürliches Heilmittel eingesetzt werden. Die wohl bekannteste Anwendung ist die Haferschleimsuppe die bei Magenverstimmung eingenommen wird. So wird sie zubereitet: Einige Esslöffel Haferflocken werden in Wasser gekocht. Nach ungefähr zehn Minuten entsteht eine sämige Masse. Zur geschmacklichen Verfeinerung können Gemüsebouillon, Petersilie oder andere Kräuter beigemischt werden. Das einfache Beispiel Haferschleimsuppe zeigt die Wirkungsweise von Schleimstoffen: Sie decken die entzündete Region ab, damit weniger störende Reize weiter direkt auf sie einwirken können. Gleichzeitig können sich dank des flexiblen Schutzfilms weitere Krankheitserreger schlechter festsetzen. Die gereizte Stelle beruhigt sich, und die Entzündung lässt nach.
Magenberuhigendes Haferschleimsüppchen oder Lindenblütentee gegen Erkältungsbeschwerden: Pflanzliche Schleimstoffe sind vielseitig einsetzbar.
Indischer Flohsamen (Plantago ovata): Die gemahlenen Samen werden mit reichlich Wasser eingenommen. Sie erhöhen das Stuhlvolumen und wirken damit abführend. Bei Durchfall binden sie Flüssigkeit und erhöhen die Verweildauer des Nahrungsbreis im Darm. Gleichzeitig senken sie die Blutfettwerte.
Leinsamen (Linum usitatissimum): Die Samen werden mit viel Flüssigkeit zur milden Regulation einer trägen Verdauung eingenommen. Sie wirken auch lindernd bei Magen-Darmentzündungen. Aus den gemahlenen Samen kann mit der Beimengung von Wasser eine Paste gegen rheumatische Beschwerden angerührt werden.
Senna (Cassia senna/Cassia angustifolia): Die Blätter und Früchte der Pflanze sind sehr wirkungsvolle Abführmittel. Sie dürfen jedoch nur sehr kurzfristig eingesetzt werden.
Eher unscheinbar, aber wirksam: Bockshornklee, der pflanzliche Schleimstoffe produziert.
Bei Geschwulsten und schlecht heilenden Hauterkrankungen werden Bockshornkleesamen (Trigonella foenum-graecum) als Breiumschläge aufgelegt. Sie sind als Teebeutel, Pulver oder fertige Auflagen erhältlich.
Im menschlichen Organismus spielt Schleim eine wichtige Rolle. Die Gelenkflüssigkeit beispielsweise enthält Schleimstoffe. Als natürliches Schmiermittel schützen sie die Gelenkknorpel vor Reibung. Auch der Speichel enthält Schleim. Er macht den zerkauten Nahrungsbrei geschmeidiger, damit er widerstandsarm durch die Speiseröhre rutschen kann. Schleim enthält zudem keimtötende Substanzen, die Krankheiten entgegenwirken. Nicht in jedem Falle ist dieser Abwehrschild ausreichend; gelegentlich schaffen es Mikroben dennoch, sich festzusetzen. Daraufhin steigert der Körper seine örtliche Schleimproduktion, um sie zu bekämpfen und auszuschwemmen. Diesen – oft nicht als angenehm empfundenen – selbstheilenden Mechanismus erleben viele Menschen in der Erkältungssaison, wenn bei Schnupfen die Nase ständig läuft und in den Bronchien zäher Schleim abgehustet wird. Fremdkörper wie Staubpartikel oder Pollen werden in den Atemwegen mit Schleim ummantelt und abtransportiert. Der Darm und auch die Genitalien können ihrerseits ihre Schleimabsonderung massiv steigern, um unerwünschte Erreger fortzuspülen.
Forscher am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge haben eine bestimmte Gruppe von Zuckermolekülen (Glycane) im menschlichen Schleim untersucht. Sie testeten die Glycane an einem Bakterium (Pseudomonas aeruginosa), das normalerweise ungefährlich ist, aber bei Mukoviszidosepatienten und Menschen mit geschwächtem Immunsystem schwerwiegende Infektionen verursachen kann. Die Mikroben produzierten nach der Behandlung mit den Glycanen keine Gifte mehr und hefteten sich nicht an Wirtszellen an. Zudem aktivierten die Keime keine Gene mehr, die für die Kommunikation unter den Bakterien wichtig sind und zur Bildung von Biofilmen führen.
Wenn Schleim doch derart wichtige Aufgaben für den Organismus erfüllt, erstaunt es, dass er als so unappetitlich gilt. Doch hat die Natur das ganz geschickt eingerichtet: Ekel ist ein Schutzreflex. Er sorgt dafür, dass zu gesundheitsgefährdenden Stoffen, wie beispielsweise verdorbenen Lebensmitteln, Distanz gehalten wird. Schleim seinerseits wird nur als eklig empfunden, wenn er von einer anderen Person stammt. Der Schleim anderer könnte gefährliche Keime enthalten, die auf uns übertragen werden könnten. Bis zur breiten Verfügbarkeit von Antibiotika, ungefähr ab der Mitte des letzten Jahrhunderts, war der schleimige Auswurf von Tuberkulosekranken sehr gefürchtet. Personen im Umfeld eines Schwindsüchtigen, wie die Patienten damals bezeichnet wurden, können beim Husten über infizierte Tröpfchen angesteckt werden.
Im Roman «Der Zauberberg» hat Thomas Mann diese Volksseuche und ihre Opfer sehr anschaulich beschrieben. Die behandelnden Ärzte forderten damals Tuberkulose- Patienten auf, stets ein kleines Fläschchen mit sich zu tragen. In dieses «Taschenfläschchen für Hustende» gaben sie ihr infektiöses Sputum ab. So gelangten die ausgehusteten Absonderungen der Atemwegsschleimhaut weniger in die Umgebung, wo sie andere Menschen gefährdeten. War der Behälter voll, wurde sein Inhalt entsorgt und das Fläschchen mit Karbollösung gereinigt – Karbol war damals das übliche Desinfektionsmittel. Die Fläschchen bestanden meistens aus blauem Glas und wurden daher ironisch als «blauer Heinrich» bezeichnet.