Spätestens bei der ersten Hitzewallung macht sich jede Frau in den Wechseljahren so ihre Gedanken. Wie erkläre ich das den Menschen in meiner Umgebung? Soll ich die Kollegen, mit denen ich viel Kontakt habe, einweihen? Geht das meine Chefin, meinen Chef etwas an? Und vor allem: Wie fängt man so ein Gespräch an? Viele Fragen! Hier finden Sie die besten Tipps.
Annette Willaredt, 03/21
Die Wechseljahre sind leider immer noch ein Tabu. Man spricht eigentlich nicht darüber. Die Umgebung nicht und die betroffenen Frauen auch nicht. Dabei spielt sich diese Lebensphase nicht mehr wie früher in aller Stille zuhause ab. Die Frauen heute stehen auch mit 45, 55 und 60 Jahren voll im Beruf, sind gesellschaftlich engagiert, haben viele Kontakte und treffen häufig andere Menschen. Da kann es schon vorkommen, dass ein Schweissausbruch ausgerechnet in einem wenig günstigen Moment einsetzt.
Die Hormonumstellung in den Wechseljahren beschert Frauen die verschiedensten Symptome. Neben Hitzewallungen und Schweissausbrüchen können das Schlafstörungen, Reizbarkeit, Nervosität, Konzentrationsstörungen und vieles mehr sein. Zwar gibt es viele Frauen, die damit sehr gut zurechtkommen. Sind diese Beschwerden aber ausgeprägt, ist das für die Betroffenen eine echte Belastung, die sie nicht einfach überspielen können. In diesem Fall ist es immer ratsam, dem Umfeld Bescheid zu sagen. Für die Menschen, mit denen man in Kontakt steht, ist es dann sehr viel leichter zu verstehen, dass die immer Ausgeglichene plötzlich genervt ist oder die Super-Zuverlässige vergessen hat, eine Mail zu beantworten.
Recht einfach ist der Hinweis auf die Wechseljahre im privaten Bereich. Familie und Partner sollte man am besten gleich einweihen, wenn man die ersten Symptome spürt. Auch wenn es vielleicht etwas Überwindung kostet, dieses Thema zur Sprache zu bringen. In die Wechseljahre kommen heisst heute nicht mehr, dass man alt ist. Ganz im Gegenteil: Die Frauen stehen in ihrer Lebensmitte.
Am besten erklärt man seinem Partner und der Familie auch gleich, wie man sich den Umgang mit schlechter Laune oder Hitzewallungen wünscht. Besonders Männer sind oft ganz unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Sie benehmen sich deshalb vielleicht sogar unsensibel. Klare Worte beugen da vor. Auch bei Freunden sollte man schnell Tacheles reden. Ist eine Frau in ihrem Freundeskreis die erste, die in die Wechseljahre kommt, kann es sein, dass sie von ihren Freundinnen erstaunt angeschaut wird. Manche möchten sich mit diesem Thema auch erst mal nicht befassen wollen.
Doch darüber sollten sich die betroffenen Frauen einfach hinwegsetzen. Es ist gerade ihr Thema, es ist das, was sie beschäftigt und das müssen sich die anderen nun eben anhören. Kleiner Trost: Auch die ablehnenden Freundinnen kommen irgendwann in die Wechseljahre und werden dann sehr froh sein, wenn sie dazu schon mal einen Live-Bericht hatten. Wenn sie wissen, dass sie nicht gerade verrückt werden, sondern dass ein plötzlicher Tränenausbruch im Büro oder eine Nacht mit Herzrasen den Hormonen geschuldet sein kann.
Etwa vorsichtiger sollte man das Thema im beruflichen Umfeld angehen. Frauen, die nur wenig Beschwerden haben, brauchen sich nicht unbedingt zu äussern. Doch spätestens bei sichtbaren Symptomen wie einem Schweissausbruch oder roten Flecken am Hals bei einer Hitzewallung ist es ratsam, etwas zu sagen – idealerweise mit Humor. Den Kollegen langatmig vorzujammern, wie schlecht es einem gerade geht, ruft nicht immer Verständnis hervor. Besser ist es, die Wechseljahre oder Hitzewallungen nebenbei mit einer witzigen Bemerkung zur Sprache zu bringen. Hat man weibliche Kollegen, kann es leichter sein, zuerst diese ins Vertrauen zu ziehen und die männlichen Kollegen erst später. Vielleicht gibt es im Betrieb ja auch eine Frau im ähnlichen Alter. Da lohnt es sich, mal vorzufühlen, wie diese mit dem Thema umgeht und ob sie ein paar Tipps parat hat.
Ob die Chefin oder der Chef Bescheid wissen müssen, hängt von den Umständen ab. Sieht man die Vorgesetzten nur hie und da im Aufzug, ist eine Aufklärung überflüssig. Arbeitet man aber häufig mit den Vorgesetzen zusammen, sitzt man ihnen z.B. immer wieder in Meetings gegenüber, ist es auch hier sinnvoll, offen zu sein. Je nach Firmenkultur ergibt sich die Gelegenheit vielleicht direkt bei einer Konferenz mit Hitzewallung, wenn ohnehin jeder mitbekommen hat, was los ist. In vielen Firmen sind aber solche privaten Bemerkungen bei einer Konferenz nicht gerne gesehen. Dann ist es besser, das Thema unter vier Augen anzusprechen, einfach ganz kurz und dazu gerne mit einem Augenzwinkern inhaltlich zu sagen: „Ich bin übrigens nicht krank, auch wenn ich vorher so geschwitzt habe. Ich bin nur in den Wechseljahren." Die genaue Formulierung sollte natürlich zur eigenen Persönlichkeit passen.
Frau sollte allerdings darauf vorbereitet sein, dass ihre Offenheit zuerst für leichte Irritationen sorgt. Vielleicht ist sie tatsächlich die erste im Betrieb, die den Mund aufmacht. Doch auf lange Sicht lohnt es sich, die Dinge klar auszusprechen. Sitzt eine Frau mit einer Hitzewallung im Büro und jeder weiss, was los ist, kann sie ganz offen ihren Blazer ausziehen, sich etwas Kühlung zufächeln oder kurz im Waschraum etwas Wasser über die Unterarme laufen lassen. Möchte es eine Frau hingegen immer verheimlichen, setzt sie sich selbst unter Stress – und die Hitzewallung oder der Schweissausbruch fallen gleich doppelt so stark aus wie üblich.
Und noch einen Aspekt gilt es hier zu berücksichtigen. Nur wenn Frauen endlich offen und selbstbewusst zu ihren Wechseljahren stehen, werden die Veränderungen und die Beschwerden in dieser Lebensphase von anderen respektiert und als selbstverständlicher Teil des Lebens angenommen.