Bei vielen Männern treten im Lauf des Lebens Erektionsstörungen auf. Wir haben uns mit Prof. Dr. med. Frank Sommer darüber unterhalten, wie sich Männer-Probleme auf sanfte und natürliche Weise lösen lassen.
Prof. Dr. med. Sommer ist Urologe, Androloge und Sportmediziner. Er wurde 1967 in Aachen geboren und absolvierte sein Medizinstudium an der Universität in Köln, wo er sich später schwerpunktmässig mit der Lehre und Erforschung männlicher Sexualstörungen beschäftigte. Darüber hinaus war er auch als Facharzt in London tätig. Heute ist er an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf tätig.
A.Vogel (AV): Herr Prof. Sommer, wie verbreitet sind Potenzprobleme und wie gehen Männer damit um?
Prof. Dr. Frank Sommer (FS): In den Industrienationen sind Erektionsstörungen sehr häufig. Zwischen dem 20. und 80. Lebensjahr sind 20 Prozent aller Männer davon betroffen, das heisst: jeder fünfte Mann! Also handelt es sich hier um eine richtige Volkskrankheit. Mit zunehmendem Alter treten auch immer häufiger Erektionsstörungen auf. Beispielsweise haben unsere Studien ergeben, dass bei 20-Jährigen höchstens 2,4 Prozent der Männer betroffen sind, bei 50-Jährigen sind es schon 21,3 Prozent und bei den 75-Jährigen 73,9 Prozent. Die Mehrzahl der Männer geht mit dem Thema eher verschämt und zurückhaltend um. Doch das kann zum generellen Gesundheitsrisiko werden.
FS: Denn Erektionsstörungen, die durch eine Durchblutungsstörung bedingt sind, können ein Hinweis auf einen drohenden Herzinfarkt oder Schlaganfall sein. Lässt der Patient jedoch frühzeitig eine sogenannte Doppler-Duplex-Sonographie seiner penilen Gefässe durchführen, erhöht das die Chance, das Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallrisiko vier bis acht Jahre vor seinem Eintreten abzuwenden. Dazu reichen schon einfache, lebensverändernde Massnahmen aus. Wer möchte schon seine Gesundheit aufs Spiel setzen, nur weil er seine Penisgefässe nicht hat untersuchen lassen?! Wie heisst es so schön: Der Penis ist die Wünschelrute des Herzens! Er ist ein Frühwarnsystem für schwerwiegende Erkrankungen, die sich Jahre danach zeigen können.
AV: Welches sind die gängigsten Risikofaktoren für erektile Dysfunktion?
FS: Grundsätzlich unterscheidet man grob körperliche und psychische Ursachen bei Erektionsstörungen. In meinem neuen Buch «Der beste Sex deines Lebens» gehe ich darauf ein, welche mentalen Stärkungen es gibt und welche Übungen Männer durchführen können, um sich «geistig» auf eine erfüllende Sexualität einzustellen und diese dann auch zu leben. Wenn tiefergreifende psychogene Probleme oder Erkrankungen vorliegen, dann rate ich den Männern, entsprechende professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was die körperlichen Ursachen angeht, möchte ich den Blick auf die häufigsten Risikofaktoren lenken. Ein stark erhöhter Bauchumfang mit entsprechenden Veränderungen, wie z. B. im Zuckerstoffwechsel oder im Fettstoffwechsel, können zu Erektionsstörungen führen. Aber auch allseits bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum, Bewegungsmangel ...
AV: Auf Ihrer Internetseite widmen Sie auch dem Thema Ernährung Raum. Eine neue Studie weist nun eine positive, vorbeugende Wirkung von Flavonoiden auf die erektile Dysfunktion nach. Wie schätzen Sie das ein?
FS: Wie schon bei den Risikofaktoren erwähnt, hat die gesunde Ernährung einen positiven Einfluss auf die erektile Funktion. Flavonoide, die in Erdbeeren, Heidelbeeren, Äpfeln, Birnen und Zitrusfrüchten enthalten sind, haben eine protektive Wirkung. Ein gut dosierter Obstverzehr kann Männer also vor erektiler Dysfunktion schützen. Im Übrigen bin ich ein grosser Befürworter davon, dass man erst einmal lebensstilverändernde Massnahmen ergreift, bevor man tief in die pharmakologische Kiste langt.
AV: Sie geben online Hinweise auf hilfreiche Substanzen aus der Natur. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Praxis mit natürlichen Potenzmitteln gemacht?
FS: Lifestyle-Veränderungen können einen sehr positiven Effekt auf die Sexualität haben! Hier spreche ich von einer gesunden Ernährung und körperlicher Aktivität. Eine gross angelegte Studie, welche die deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit (DGMG) unter meiner Regie durchgeführt hat, macht das deutlich. Eine Patientengruppe mit erhöhtem Bauchumfang und «schlechtem» Lebensstil konnte durch entsprechende Umstellung der Gewohnheiten eine signifikante Verbesserung in ihrer Erektionsfähigkeit aufweisen. Was natürliche Stimulanzien angeht: Je nachdem, wie weit fortgeschritten gewebliche Veränderungen im Penis sind respektive welche Ursachen der Erektionsstörung vorliegen, können solche Substanzen extrem hilfreich sein. Wie in jedem Fach der Medizin gilt der Slogan: «Vor der Therapie steht die Diagnose». Daher muss zuerst festgestellt werden: Wie sind die Nerven, insbesondere die Penisnerven, bei Männern mit einer Erektionsstörung ausgebildet? Wie sieht es aus mit der Kraft des Potenzmuskels? Aber auch die Durchblutung ist sehr entscheidend. Sie muss mit speziellen Apparaten gemessen werden. Zusätzlich sollte auch die Gewebszusammensetzung des Penis bestimmt werden. Hat der Mann genügend glatte Muskelzellen? Hat sich zu viel schlechtes Bindegewebe im Penis angesammelt? Wie viel Blut kann der Mann während der Erektion halten? Fliesst zu viel Blut ab? Liegen vielleicht generalisierte Störungen vor, die man anhand einer Blutabnahme erkennen kann? All diese Fragen müssen erst abgeklärt werden. Je nachdem, welche Resultate diese Untersuchungen zeigen, kann dann die Verwendung von natürlichen Potenzmitteln gute Ergebnisse bezüglich einer verbesserten Sexualität zeigen.
AV: Beckenbodentraining wird gemeinhin Frauen empfohlen. Sie legen es auch Ihren männlichen Patienten ans Herz. Warum?
FS: Frauen kennen sich häufig gut mit ihrer Beckenbodenregion aus. Männer haben hier einigen Nachholbedarf. Viele wissen gar nicht, wo ihre Potenzmuskulatur liegt! Wenn Sie einen Mann bitten, seinen Bizeps anzuspannen, kann er das in der Regel sofort. Man sieht dann am Oberarm, wie sich eine entsprechende muskuläre «Kugel» an der Vorderseite bildet. Wenn ich die Männer, die zu mir kommen, nach ihrer Potenzmuskulatur frage, sehe ich meist viele Fragezeichen in den Gesichtern. Wo sitzt die denn, wollen sie wissen. Und wenn ich ihnen dann erläutere, dass es sich um eine zwar kleine Muskulatur handelt, die jedoch extrem effizient trainiert werden kann, sieht man häufig das Leuchten in den Augen dieser Männer. Wichtig ist, wie vor jedem anderen Muskeltraining, dass der Mann genau erlernt, wo diese spezielle Muskulatur liegt. Hierzu gibt es ganz spezielle Vorübungen. Sind diese Routine geworden und gelingt es dem Mann infolgedessen, die entsprechende Muskulatur mit Willenskraft anzusteuern und anzuspannen, kann mit dem «richtigen» Training begonnen werden. Jetzt gilt es, die Muskulatur aufzubauen. Bereits nach wenigen Wochen und Monaten wird beispielsweise die Härte der Erektion besser. Und der Blutfluss aus dem Penis wird gedrosselt – falls nicht andere Erkankungen die Erektionsstörung verursacht haben. In «Der beste Sex deines Lebens» wird genau beschrieben, welche Übungen die sogenannte «Potenzmuskulatur» stärken und durch welche Ausdauer-Techniken die Durchblutung des Penis und das Gewebe positiv beeinflusst werden können.