Paarbeziehungen verlaufen häufig nach einem bestimmten Strickmuster. Wer weiss das nicht? Zuerst das ganz grosse Glück, der Gipfel der Leidenschaft, dann die freundschaftliche Partnerschaft, sofern die Beziehung in diese Phase noch eintritt, schliesslich das frustrierte, distanzierte Nebeneinander und schlimmstenfalls: Die Trennung.
Aber heute sind wir über dem Berg, die Trendwende hat längst eingesetzt, denn im Zeitalter von AIDS heisst das Motto „safer sex", und mit wem ist es am sichersten, wenn nicht mit dem eigenen langjährigen Partner. Die Zeitungen melden: „Die wilden Jahre sind vorbei" oder „Wahre Liebe wartet", und die Suche nach der Erfüllung in einer dauerhaften Partnerschaft erscheint wieder als erstrebenswertes Ziel.
Eine langlebige Beziehung durchlebt zyklische Phasen. Das berüchtigte „verflixte siebte Jahr" ist zwar immer noch die Metapher für die Brüchigkeit von Beziehungen, bei denen der Zahn der Zeit an Spannung, Leidenschaft, himmelhoch jauchzenden Hoffnungen und besten Vorsätzen nagt. Aber unsere Zeit ist schnellebig. Nach vier Jahren, sagt man, sei die kritische „deadline" heute erreicht. Ist die Beziehung stark genug, haben sich zwei gefunden, die tatsächlich zueinander passen, mag der Zahn der Zeit machtlos sein, sofern ein Partner oder beide nicht dem Prinzip „öfter mal was Neues" frönen.
Apropos: Das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel geht selten so aus, wie man es sich wünscht. Denn beim nächsten Mann wird gar nichts anders, solange man nicht in der Lage ist, aus Fehlern zu lernen und die Schiene zu wechseln, auf der man seit Jahr und Tag mehr schlecht als recht gefahren ist. Aber darüber braucht man sich eigentlich kaum mehr Sorgen machen, denn das Motto unserer Tage lautet „Abstinenz", wenn man dem Urteil von Prof. Ernest Bornemann Glauben schenken mag, der seit 35 Jahren das Liebesleben in unseren Breitengraden erforscht.
Das zyklische Grundmuster, dem Zweierbeziehungen folgen, beschreiben die amerikanischen Familientherapeuten Barry Dym und Michael L. Glenn folgendermassen: Paare befinden sich in der ersten Phase in einem Stadium der Verheissung oder Expansion, dem das Stadium der Kontraktion oder des Verrats folgt. Anders gesagt, erscheint erst alles möglich, man ist offen und bereit, sich auf Neues einzulassen, der Himmel hängt voller Geigen. In der zweiten Phase stellt sich die Ernüchterung ein, aus den Geigen sind ganz alltägliche Sorgen, grössere Pflichten und kleinere Freuden geworden. Der Märchenprinz hat sich in einen normalen Erdenbürger zurückverwandelt. Die Enttäuschung ist oft sehr gross – ohne dass man sie sich offen eingesteht – man fühlt sich in seinen Hoffnungen, Erwartungen und Träumen verraten. Wenn eine Beziehung von Bestand ist, überwindet sie diese Phase und mündet schliesslich in das dritte Stadium ein, in das der Entspannung und Konsolidierung. Mann und Frau haben gelernt, sich mit realistischen Augen zu betrachten und nichts Unmögliches vom anderen zu verlangen. Die Bereitschaft, den Andern zu sehen, zu nehmen und zu schätzen, wie er ist, ist gereift und rückt das Idealbild zurecht, in das man den Andern pressen wollte.
Ist diese Wandlung vollzogen worden, wird eine dauerhafte Paarbeziehung, so Dym und Glenn, immer wieder die drei Stadien von Leidenschaft/Täuschung, Konflikt/Enttäuschung und Ent-Täuschung/Konfliktlösung durchlaufen und somit die Beziehung am Leben erhalten.
Die „Intelligenz der Gefühle" dürfen wir nicht unterschätzen. Eine Urquelle der inneren Kraft, auf die wir uns mehr verlassen können und sollten, als wir glauben, ist die Intuition. Die innere Stimme oder „Intelligenz der Gefühle", die Botschaft aus dem Bauch oder der sechste Sinn, ist in jedem von uns angelegt, soll aber bekanntlich die besondere Stärke der Frauen sein. Die innere Stimme weiss, wenn es um die wesentlichen Dinge des Lebens geht, bedeutend mehr, als uns Überlegungen auf dem „Dienstweg" des sogenannten gesunden Menschenverstands, der Logik und des messerscharfen analytischen Verstandes sagen können. Wenn sie nicht systematisch unterdrückt wird, spürt sie viel früher als der Kopf, wo und dass überhaupt der Schuh drückt. Nehmen Sie diese Botschaften der Seele ernst und gehen Sie ihnen nach!
Viele Frauen haben verlernt, ihrer weiblichen Urkraft zu vertrauen. Ist der Zugang zur Intuition verloren und versperrt, braucht es nicht zu wundern, wenn es mit dem Selbstbewusstsein nicht weit her ist. Wenn die innere Stimme nicht mehr erklingt, ist „frau/mann" leichter aus dem Konzept zu bringen, leichter zu beeindrucken, zu verletzen und zu verunsichern. Wir haben jedoch keinen Grund zu verzweifeln: jederzeit lässt sich das verschüttete intuitive Wissen und Urvertrauen wieder ausgraben, es braucht nur ein wenig Geduld, Übung und manchmal Anleitung.
Wer sich nicht von dicken Wälzern einschüchtern lässt, dem sei „Die Wolfsfrau" von Clarissa Pinkola Estes dringend ans Herz gelegt. Die mexikanische Psychotherapeutin versteht es meisterhaft/den Weg zur weiblichen Intuition freizuschaufeln. Sie geht anhand von Märchen und Mythen auf die wichtigsten Stationen und Problemkreise im Leben einer Frau ein.
Das Harmoniebedürfnis und die Angst vor seelischer Verletzung sind bei vielen Frauen ausgeprägt. Um des lieben Friedens willen und der Illusion der perfekten Partnerschaft zuliebe werden Probleme gern unter den Tisch gekehrt, heikle Themen umschifft und Schwachstellen verdrängt, die allesamt längst Zweifel im Herzen gesät haben.
Wer die Wahrheit nicht ertragen kann, macht sich, dem Partner und dem sozialen Umfeld etwas vor. Doch das Theaterspielen macht keine kritische Situation besser. Solange der wunde Punkt aus dem Bewusstsein verbannt wird, gibt es auch keine Möglichkeit, zielgerichtet zu handeln und mit der erforderlichen Dynamik zu reagieren. Die Lage bzw. die Beziehung stagniert, verhärtet sich, friert ein, verkrustet. Und unter den Krusten befinden sich nur umso tiefere und schwerere Wunden.
Erst wenn man sich eingestehen kann, dass etwas nicht stimmt, können sich Herz und Verstand auf die Suche nach Lösungswegen begeben. Die Nuss, die geknackt werden soll, muss man eben erst einmal wahrnehmen. Natürlich kostet das Erkennen, Zulassen und Ansprechen von Problemen Kraft und ist selten frei von Schmerz. Dennoch sind diese Energie und der Schmerz der Wahrheit wohl eingesetzt: sie ermöglichen die Freiheit, sich zu entwickeln, vorwärtszukommen oder einen Schlussstrich zu ziehen. Und jedem Ende folgt ein Neubeginn.
Einer der Problemkreise, über den niemand gern und schon gar nicht offen spricht, den aber kaum einer auf Dauer unterdrücken kann und doch so sehr verdrängt, ist die Unlust an der Sexualität. In einer Zeit, in der praktisch keine Tabus mehr existieren, in der die tagtäglich im Fernsehen, im Kino und in der Werbung zur Schau gestellte Liebes- und Lustfähigkeit um Jahrmillionen von der Realität entfernt ist, bleibt der natürliche Zauber der intimsten Angelegenheit der Menschheit zwangsläufig auf der Strecke.
Wir alle müssen uns, ob wir wollen oder nicht, mit Vergleichen abquälen, die im Grunde ausserhalb jeglicher Diskussion stehen. Kino bleibt Kino und Alltag Alltag. Dass da keine Lustorgien und Liebesmärchen ä la Hollywood Platz haben, ist jedoch leider manchem Paar nicht bewusst. Die eigene Körperlichkeit schneidet dagegen als schmerzhafte Erfahrung der Unzulänglichkeit ab. Je mehr Stress und seelische wie körperliche, private wie berufliche Belastungen hinzukommen, umso schlechter steht es mit dem Appetit auf den Partner. Das Resümee, das die Medien in letzter Zeit ziehen, ist desillusionierend: um unsere Lust ist es mehr als spärlich bestellt, bei Männern greift die Impotenz um sich, bei Frauen die sogenannte Frigidität. Die Männer seien überfordert, die Frauen müssten überhaupt erst lernen, eigene Wünsche zu artikulieren, und wären nach wie vor eher durch eine negative Einstellung zur eigenen Sexualität geprägt.
Während Forscher über die Gründe dieses Verlustes - von Hormonen, zuviel Fleischkonsum bis hin zu Umweltgiften u.v.a. - nachgrübeln, die Praxen von Sexualtherapeuten überfüllt sind und die Frauenzeitschriften mit vermeintlichen Ratschlägen, die wir alle kennen, hausieren gehen, stellen wir uns die Frage: Haben wir schon mal daran gedacht, uns mehr Ruhe und Zeit zu gönnen, um mit uns selbst wieder ins reine zu kommen, bevor wir dem Partner die Schuld an der „Misere" zuschieben?
Sie wissen natürlich, dass alles Gewohnte, Routinierte wenig verlockend ist. Bevor Sie sich den Kopf darüber zerbrechen, wie eingerostete Abläufe und Verhaltensmuster ad acta gelegt wer- den können, um der Phantasie freien Lauf zu lassen: Haben Sie schon mal aus dem grossen Fundus der Natur geschöpft? Nicht umsonst sind seit Urzeiten Pflanzen der Liebe bekannt, die das ihre beitragen (z.B. ein anregender Ginsengtee, ein „erotischer" Rosmarin- oder Kalmusduft). Ausserdem gibt es „aphrodisische" Düfte, die eine Situation verzaubern können. Ach ja, es gibt so vieles. Nur setzt das zweierlei voraus: Dass man sich die Zeit wirklich jetzt und hier gönnen und nehmen will. Und man muss sich auch selbst verwöhnen und gern haben können.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch „A.Vogel – für die Frau“ von Ingrid Schindler (vergriffen)