Zum ersten Mal Mutter und Vater zu werden, ist laut der «Focus»-Familienstudie eines der bedeutendsten und schönsten Ereignisse im Leben. Die romantische Vorstellung von stetem Säuglingslächeln und purer Harmonie wird im Alltag leider oft korrigiert: Hin- und Hergerissen zwischen Stillen, Windeln und Babygeschrei einerseits und grosser Freude andererseits, kommt es oft zu äusserster Angespanntheit und Überforderung der jungen Eltern.
Autorin: Heidi Sonja Ross
Petra und Thomas hatten sich so sehr darauf gefreut: Endlich war Max auf der Welt. Thomas hatte sich die ersten 14 Tage Urlaub nehmen können, und so verbrachte die frischgebackene Familie ruhige und harmonische Tage zu Hause. Doch als Thomas wieder arbeiten geht und sich der Alltag allmählich einzustellen versucht, nehmen trotz aller Freude über den Nachwuchs und trotz guten Willens Gefühle von Strapaze und Überforderung allmählich überhand: Die Bedürfnisse des Kleinen bestimmen mit dem eben babytypischen Rhythmus nach Milch, Windeln, Bad und vor allem Schlaf zunehmend das Leben des Elternpaares. Wie alle Eltern wollen sie ihrem Kind alles geben, was es braucht, um friedlich und gesund aufzuwachsen.
Und dabei kommen sie in eine Mühle von Müdigkeit und Haushalts-chaos, beide wissen nicht mehr so recht, wo ihnen der Kopf steht, beide haben das Gefühl, für sich selbst und als Paar zu kurz zu kommen. Es häufen sich Ängste und Selbstzweifel wie die Frage «Was machen wir falsch?» und die Sorge, es könnte womöglich immer so bleiben. Nach sechs Monaten haben beide dunkle Ringe unter den Augen, fühlen sich permanent gestresst. Beide haben das Gefühl, nicht mehr zu sich zu kommen, nicht gut genug zu sein. Und Sexualität? Na ja, da war irgendwann mal was … Nicht zuletzt sind es die Bilder aus der Werbung, in der stets selig-lächelnde Eltern um ihre Babys kreisen, die solche Selbstzweifel zusätzlich nähren. Erschwerend kommt hinzu, dass es vielerorts immer noch ein Tabu ist, über solche Ängste und negativen Gefühle zu sprechen: Als junge Eltern hat man im Bild der Gesellschaft dankbar und glücklich zu sein! Und auch bei Thomas und Petra überwiegt dies nach wie vor. Doch gibt es eben auch noch eine andere Seite …
Die Geburt eines Kindes ist ein guter Zeitpunkt, nach dem Vorbild der erprobten «Familienkonferenz» eine «Paarkonferenz» zu installieren. Mindestens einmal wöchentlich sollten sich die Eltern zu einem festen Termin zusammensetzen, um zu besprechen, was ansteht und welche Wünsche und Bedürfnisse es gibt. Denn es passiert doch immer wieder, dass man im Trubel des Alltags aneinander vorbeilebt. Entscheidend, ist, dass Sie wissen, was Sie wollen, sich gemeinsam klar formulierte Ziele setzen und dann miteinander besprechen, wie Sie diese am besten erreichen können.
Sammeln Sie zunächst alle Wünsche und Ideen! Jeder darf sagen, was ihm einfällt. Unter-teilen Sie dann die Listen in Dinge, die getan werden müssen und solche, die getan werden können, also in Unumgänglichkeiten wie Versorgung des Babys, Einkauf und Arbeit und in Bedürfnisse, also Freizeitgestaltung, Hobbys, Zeit zu dritt und Zeit zu zweit. Nehmen Sie sich mehrere Zettel und notieren zunächst die Dinge, die getan werden müssen. Da sollten vermeintlich banale Dinge wie Einkäufe und Erledigungen, aber auch Arzt- und Verwandtenbesuche notiert werden. Ein gesundes und befriedigendes Miteinander entsteht, wenn der Zeitplan die drei Personen der kleinen Familie ausgewogen berücksichtigt: Zeit zu dritt, Zeit zu zweit, aber auch mal eine «Auszeit» allein.
Teilen Sie sich die Aufgaben untereinander auf: Es ist nicht notwendig, dass jeder Spezialist in allem ist. Es muss sich nicht jeder in Sachen Ernährung, Impfung, Bekleidung, Equipment (Wagen, Autokindersitz, Hochstuhl etc.), Massagen oder PEKiP (Prager Eltern-Kind-Programm)* perfekt auskennen. Es genügt, wenn sich einer einliest und den anderen dann einweiht. Das kann z.B. gut während der Stillzeiten stattfinden: So sind alle drei zusammen und können die Ruhe miteinander geniessen.
Viele junge Elternpaare neigen dazu, sich zuviel vorzunehmen, sind sie es doch aus ihrer kinderlosen Zeit gewohnt, in kurzer Zeit viel zu schaffen. Mit Kindern und besonders Säuglingen dauert es schlicht länger, bis man aus dem Haus ist. Planen Sie Ihre Ausser-Haus Aktivitäten zunächst sehr sparsam und steigern Sie sie erst langsam. Ruhe ist das Wichtigste, was nicht nur ein Kind, sondern auch eine Gebärende in der ersten Zeit braucht. Und die tut der neuen Familie insgesamt sehr gut, damit sie zusammenwachsen kann.
Die mit dem Kind verbundenen Aufgaben sollten nicht nur dem Elternteil zufallen, der seinen Beruf vorübergehend an den Nagel gehängt hat. Oft geschieht es, dass Väter aufgrund ihrer Arbeit ausser Haus die Versorgung des Kindes komplett der Mutter überlassen, und diese sie zudem auch nur zu gern übernehmen, sind sie doch häufig den ganzen Tag zuhause. Um eine gute und gefestigte Beziehung zu dem Kind aufzubauen, sollte jeder Elternteil Pflichten mit dem Baby auch allein verrichten und Freizeit allein mit ihm geniessen. Das ist die beste Basis für ein vertrauensvolles Miteinander. Wollen Sie also der leider viel zu weit verbreiteten Entfremdung zwischen Vätern und Kindern vorbeugen, sollten Sie versuchen, möglichst viel «Alltag» mit dem Neuankömmling zu leben. Zu dritt, aber auch zu zweit. Denn ein weiterer Vorteil der Vaterzeiten ist es, dass die Mutter sich um sich selbst kümmern und somit Kraft tanken kann.
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Das Leben mit einem Säugling ist kaum planbar: Babys schlafen in den seltensten Fällen regelmässig, und selbst wenn sie sich zeitig einen verlässlichen Rhythmus zulegen, so wird auch dieser immer mal wieder durcheinander gebracht: Sei es durch Fieber (z.B. nach Impfungen), schmerzendes Zahnen, einen Infekt oder es sind schlicht ein paar Blähungen, die das Kleine nicht zur Ruhe kommen lassen.
Das, was in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt eines Babys zu kurz kommt, sind nicht nur Schlafmenge und Haushaltspflege, sonder auch bewusste Zeit miteinander. Planen Sie grosszügig und tragen Sie sich viel Zeit für Aktivitäten zu zweit oder zu dritt ein. Versuchen Sie, immer mit Reserve zu fahren! Denn Unvorhergesehenes passiert insbesondere mit Neugeborenen leicht.
Fertigen Sie feste Wochen- und Tagespläne an und legen Sie sich einen gemeinsamen Jahreskalender für alle Termine zu. Es geht keineswegs darum, sich und dem Säugling einen militärisch festen Drill aufzuerlegen und in feste Abläufe zu zwingen! Im Gegenteil:Wenn Sie ihr Kind frühestmöglich und sanft an einen festen Tagesablauf gewöhnen, so werden Filius oder Filia es Ihnen schon nach kurzer Zeit mit einem erhöhten Mass an Zufriedenheit und Ausgeglichenheit danken. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Sie sich um alles, was Sie einmal festgelegt haben, nicht immer wieder einen Kopf zu machen brauchen, und das spart jede Menge kostbarer Energie, die Sie für anderes verwenden können.
Sie haben das Spiel in der Hand!
Soviel auch scheinbar an «Müssen» durch die Geburt eines Kindes in das Leben kommt, so sehr liegt es auch an Ihrem Willen, wie Sie Ihr neues Leben zu dritt gestalten. Fragen Sie sich selbst und Ihren Partner immer wieder, was Sie eigentlich wollen, welche Werte Ihnen wichtig sind.
Machen Sie sich Gedanken darüber, was für ein Vater bzw. was für eine Mutter Sie sein wollen. Was wollen Sie als Paar? Was als Individuum? Nehmen Sie sich Zeit dafür und schreiben Sie es auf, und das gilt für Väter und Mütter gleichermassen. Setzen Sie sich bewusst Prioritäten. Fraglos werden Sie zunächst nur einen geringen Teil Ihrer alten Gewohnheiten in Ihr neues Leben als Familie mitnehmen können. Doch hängt Ihre Zufriedenheit massgeblich davon ab, mit welcher Haltung Sie dieser Umstellung begegnen: «Machen Sie sich bewusst, was Sie an Neuem und auch an Abenteuer gewonnen haben, statt dem nachzutrauern, was Sie vielleicht verloren haben», rät Claudia Hartmann in ihrem Ratgeber «Rituale zu dritt». Vielleicht versuchen Sie ja, das Kind in sich wieder zu entdecken? Betrachten Sie Ihre neue Situation spielerisch als Herausforderung.
Ein Kind zu bekommen ist sowohl ein grosser Schritt in Richtung Verantwortung, als auch in Richtung Fremdbestimmung. Die erste Zeit zu Hause sollten Sie fraglos dem Leben zu dritt widmen: Es gibt soviel Neues zu sehen, zu fühlen, zu bestaunen und lieben zu lernen. Doch bei allem Wunsch danach, zu einer kleinen, heilen Familie zusammenzuwachsen, sollte nicht vergessen werden, dass der Kern jeder intakten Familie die intakte Beziehung zwischen Mann und Frau ist. Gerade in der Zeit nach der Geburt eines Kindes kommt eben dieses Paarleben häufig zu kurz: Die Zeit für ausgiebige Gespräche, gemeinsame Sportaktivitäten, spontane Wochenendtripps und kuschelig-erotische Abende ist knapp.
Die meisten Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass sich die jungen Eltern zu viel abverlangen und an ihre neue Rolle zu hohe Ansprüche stellen. Riskieren Sie, bei aller Bereitschaft, Ihrem Kind das Bestmögliche zu bieten, nicht selbstlos die totale Erschöpfung! Sie können Ihrem Kind nur die Zufriedenheit, Ruhe und Besonnenheit geben, die Sie selbst in sich tragen. Loben und freuen Sie sich für den Ist-Zustand, statt sich immer wieder an einem vermeintlichen Soll-Zustand zu messen. «Ihr Kind sehnt sich nicht nur danach, selbst geliebt zu werden», so die Buchautorin Claudia Hartmann*, «sondern es sehnt sich auch nach entspannten und glücklichen Eltern, die sich gegenseitig lieben und sich gut tun.» Das ist das Beste, was Sie Ihrem Kind geben können.