Noch vor 20, 30 Jahren wurden die Gaumenmandeln oft als überflüssige Risiken im Nasen-Rachen-Raum betrachtet und nicht selten schon bei Kindern ab drei Jahren mehr oder minder routinemässig entfernt. Heute weiss man mehr über die wichtige Aufgabe der Mandeln als erste Wächter vor Viren- und Bakterienattacken. Trotzdem werden die Mandeln nach wie vor zu häufig geschnitten.
Autorin: Ingrid Zehnder
Vier Mandeln sitzen als Wachtposten am Eingang des Rachenraums: je eine Zungen- und eine Rachenmandel und die beiden Gaumenmandeln. An ihnen muss alles vorbei, was wir einatmen: Schwebstoffe, Staub, Pollen, Viren, Bakterien. Befinden sich darunter Krankheitserreger, werden die Mandeln aktiv. Weisse Blutkörperchen, die in den Mandeln sitzen, erkennen den Eindringling und bekämpfen ihn gezielt.
Mandeln sind ähnlich aufgebaut wie Lymphknoten. Gemeinsam mit den Seitensträngen bilden sie den so genannten lymphatischen Rachenring. Es handelt sich dabei um ein Art Frühwarn- und Lernsystem gegenüber körperfremden Stoffen aus der Umwelt (Viren, Bakterien, sonstige Antigene).
Spricht man von einer Mandelentzündung, so versteht man darunter nur die Entzündung der beiden Gaumenmandeln, die bei geöffnetem Mund hinten zwischen den Gaumenbögen liegen und meist gut zu sehen sind. Ist die Rachenmandel (oben am Nasen-Rachen-Raum, dem Blick meist verborgen) betroffen, spricht man dagegen von Wucherungen – im Volksmund fälschlich auch Polypen (auffälligstes Symptom: eine ständig verstopfte Nase).
Zu den Erregern der Mandelentzündung gehören eine Vielzahl von Viren. Einen grossen Teil der Infektionen löst jedoch eine Bakterienart aus, die Streptokokken.
Auch Krankheiten wie Tuberkulose, Diphtherie und Scharlach können eine Mandelentzündung zur Folge haben. Die meisten Erreger gelangen mit der Atemluft, durch Tröpfcheninfektion in den Rachenraum.
Deshalb sollte man mit einem Mandelentzündungsopfer weder das Besteck noch die Tasse teilen oder es gar küssen. Einen bequemeren und direkteren Transportweg gibt es für die Erreger nicht.
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Fühlt sich der Patient schwer krank bzw. stellt sich nach oben genannten Therapieversuchen keine Besserung ein, ist ein Arztbesuch unerlässlich.
Dank der Antibiotikatherapie gibt es heute kaum noch die früher gefürchteten Komplikationen wie das rheumatische Fieber, eine chronische Nierenerkrankung oder eine Herzbeteiligung.
Eine chronische Mandelentzündung kann, muss aber nicht ein Grund für eine Mandeloperation sein. Dauernd mässige Halsschmerzen, ständiger Mundgeruch, chronische Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Erkältungsneigung, Probleme beim Hören sowie unklare Temperatur-erhöhungen können im individuellen Fall anzeigen, dass eine Operation notwendig ist.
Ein weiterer Grund, die Mandeln zu entfernen, sind immer wiederkehrende akute Entzündungen (vier- bis sechsmal pro Jahr gilt als in der Norm) und wenn der Patient auf Antibiotika nicht mehr reagiert. Bei manchen Patienten sind die Gaumenmandeln so stark vergrössert, dass sie Schlucken und Atmen behindern. Die Betroffenen schnarchen und leiden zum Teil unter nächtlicher Apnoe, einem kurzfristigen Atemstillstand. Auch in diesem Fall macht eine Operation Sinn.
Operiert wird normalerweise nur, wenn keine akute Entzündung vorliegt. Der Eingriff erfolgt bei Kindern unter Vollnarkose, bei Erwachsenen auch unter örtlicher Betäubung und dauert im Schnitt 15 bis 20 Minuten. Die häufigsten Komplikationen bei einer Mandeloperation sind Nachblutungen an der Operationswunde, wobei Erwachsene etwas gefährdeter sind als Kinder. Seltener kommt es zu Geschmacksstörungen, die meist nur vorübergehend sind. Schmerzen können bis zu zehn Tage lang bestehen.
Schon vor 50 Jahren schrieb A. Vogel im «Kleinen Doktor»
Zuletzt aktualisiert: 13-12-2023