Die Menschen haben seit je den Schlangen sowohl Interesse als auch Furcht entgegengebracht. In Religion, Kunst, Sage und Märchen sowie in den mystischen und medizinischen Riten vieler Völker spielen Schlangen eine grosse Rolle.
In der Bibel lesen wir von der Schlange im Paradiese, in der Weltgeschichte von der Uräusschlange, einer als göttlich verehrten Brillenschlange der Ägypter.
Der griechische Gott der Heilkunde, Asklepios, hatte ursprünglich Schlangengestalt und trägt den schlangenumwundenen Äskulapstab als Attribut. Er gilt heute noch als Signum der Ärzteschaft. Seine Tochter Hygieia, die Göttin der Gesundheit, wird mit einer Schlange, die ihr Gift in eine Schale entleert, dargestellt.
Schlangen gelten als Symbol für Schlankheit, Sanftmut und Weisheit, aber auch für Falschheit, Verführung und Sünde.
Im Sprachgebrauch werden Schlangen oft gleichgesetzt mit Heimtücke und Bösartigkeit. So ist das Haupt der Medusa, einer der drei Gorgonen, schlangenbedeckt. Schon in ältesten Zeiten dienten manche Schlangengifte als Heilmittel.
Antiochus III., König von Pergamon (242–187 v.Chr.), Mithridates VI. Eupator, König von Pontus (132–63 v.Chr.), und Königin Kleopatra (69–30 v.Chr.) interessierten sich für Giftschlangen, in der Absicht, ein universelles Gegengift zu finden, das sie gegen Anschläge schützen sollte. Berühmt wurde die Theriak-Latwerge von Mithridates, das «Antidotum Mithridaticum», das als Gegengift bei Vergiftungen durch Schlangen, Spinnen oder Skorpione bis ins späte Mittelalter eingesetzt wurde.
Verschiedene Schlangengifte wurden durch den homöopathischen Arzt Dr. Constantin Hering (1800–1880), den Begründer der Nordamerikanischen Akademie für Homöopathische Medizin, dem Arzneischatz zugeführt. Während seines Aufenthaltes in Surinam (1827–1833) entnahm er dem von den Einheimischen gefürchteten Buschmeister das Gift und prüfte es in potenzierter Form an sich und anderen Versuchspersonen. In der Folge untersuchte er verschiedene Schlangengifte und publizierte seine Ergebnisse.
Von den Namen der drei Töchter des Zeus und der Themis, den Moiren (= Göttinnen des Schicksals) Klotho, Lachesis (= die den Lebensfaden zuteilt) und Atropos, werden deren zwei für Schlangenarten verwendet. Muta ist abgeleitet vom lateinischen mutus für «stumm». Linné hatte dem Buschmeister ursprünglich den Namen Crotalus mutus, also «stumme Klapperschlange», gegeben.
Der Buschmeister wird von den Indianern und Einheimischen der mittel- und südamerikanischen Staaten unterschiedlich benannt. Bei den Amazonas-Indianern heisst er surucúcú, in Bolivien verrucosa oder cacabela muda, in Kolumbien und Ecuador rieca, auf Trinidad magepire oder zarama, in Panama mapana und in Venezuela guaima oder daya.
Der Buschmeister ist die gefährlichste und mit einer Länge von 170 bis 270 cm, in Ausnahmen bis zu 400 cm, die mächtigste Giftschlange Amerikas.
Der flache, breite Kopf setzt sich deutlich vom Hals ab. Das Auge ist auffallend klein mit runder Pupille. Seine besonders langen Fangzähne sind als Röhrenzähne auf beweglichen Sockeln ausgebildet. Gleichzeitig mit dem Zuschnappen der Kiefer werden die Sekretdrüsen, die sich unterhalb der Augen befinden, infolge der Kontraktion ausgepresst und entleeren ihren Inhalt durch die Ausführungsgänge und die Röhren der beiden Giftzähne wie durch eine Injektionsnadel in die Bisswunde.
Interessant ist, dass das Gift einer Schlange für die gleiche Schlangenart nicht giftig (siehe auch: Giftige Pflanzen), für andere Arten jedoch tödlich ist. Ferner kann jede Schlange die Giftmenge selber dosieren.
In seiner äusseren Erscheinung erinnert der Buschmeister an Klapperschlangen.
Die stark höckerigen Schuppen sind gekielt. Sie umgeben die Rumpfmitte in 35–37 Reihen. Der Buschmeister hat am Schwanzende kein Rasselorgan, sondern einen hornigen Stachel und vor diesem abstehende Schilde. Damit produziert er in Erregung ein pfeifendes Geräusch. Die hellgelbbraune bis rötliche Körperoberseite wird von schwarzen, glänzenden, rhombischen Mustern bedeckt. Sie sind hellgelb gerändert und weisen in ihrer Mitte einen gelben Tupfen auf. Die Kopfoberseite ist schwarz getupft. Ein dunkles Schläfenband verbindet das Auge mit dem Mundwinkel.
Die Bauchseite glänzt einfarbig gelblich weiss. Die riesige, bodenbewohnende Schlange ist nachtaktiv und ernährt sich von kleinen Nagern. Die Weibchen legen ca. 7,5 cm lange Eier, die sie bis zum Schlüpfen der Jungen bewachen. Da der Buschmeister ganz bestimmte Ansprüche an Temperatur und Luftfeuchtigkeit stellt, ist er in Gefangenschaft nicht leicht zu halten.
Der Buschmeister ist in den Urwäldern Mittel- und Südamerikas heimisch. Er ist sehr scheu und wird deshalb nicht häufig gesichtet.
Schlangengifte werden durch manuelles Auspressen oder durch elektrische Reizung der Giftdrüsen von in Farmen gehaltenen Schlangen gewonnen. Frisches Gift wird zentrifugiert und im Exsikkator unter Vakuum bei 37 °C getrocknet oder gefriergetrocknet (lyophilisiert).
Der Buschmeister gibt von allen Giftschlangen die grösste Giftmenge ab. Der Ertrag liegt bei 280 bis 450 mg Trockengift. Die Crotalusarten regenerieren ihr Gift relativ langsam, so dass das «Melken» lediglich einmal pro Monat erfolgen kann.
Das Gift besteht aus glänzenden, meist gelblich gefärbten, amorphen Partikeln von kristallinem Charakter.
A.Vogel verwendet das gemäss aktuellem HAB verarbeitete Schlangengift. Die Potenzierung der Dilutionen erfolgt durch Handverschüttelung.