Morgenstund hat Gold im Mund, behauptet eine Redensart hartnäckig. Allerdings mag man ihr insbesondere an einem trüben Wintermorgen kaum glauben. Mit unseren Tipps fällt Ihnen der Auftakt in der Frühe leichter.
Autor: Adrian Zeller
«… und zum Schluss der Frühnachrichten noch die Wetteraussichten für den heutigen Tag: Von Westen zieht eine Niederschlagsfront heran. Es muss mit einer Mischung aus Schnee und Regen gerechnet werden.»
Wen reizt es schon angesichts solcher Aussichten, aus dem Bett zu steigen? Zum Beispiel Marion Fehr. Wenn die Sechs-Uhr-Nachrichten verlesen werden, ist sie schon seit einer Stunde am Schreiben. Die Familienfrau im mittleren Alter hat über das Buch «Von der Kunst des Schreibens» der Kreativtrainerin Julia Cameron zu ihrem ungewöhnlichen Morgenritual gefunden. Durch spielerische Schreibübungen werden innere Blockaden überwunden. Dadurch entsteht ein kreativer Fluss aus Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen und neuen Ideen.
Dieser Befreiungsprozess hilft Marion Fehr, ganz bei sich selbst zu sein. «Ich geniesse diese tägliche Stunde für mich, bevor die Familie aufsteht und Frühstück will.»
Zugegeben, den Tag direkt nach dem Schlafen mit einer Stunde kreativen Schreibens zu beginnen, dürfte nur etwas für robuste Frühaufsteher sein. Für viele andere bedeutet der Start in den kalten Wintertag eine Herausforderung – bisweilen gar eine kleine Tortur. Einer der Gründe dafür ist die innere Uhr, die durch das Tageslicht gesteuert wird. Über das Hormonsystem regelt sie unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus. In der dunkleren Jahreszeit wird Melatonin früher ausgeschüttet und später abgebaut. Die Folge: Abends macht sich die Müdigkeit früher bemerkbar, morgens braucht man länger, um auf Touren zu kommen.
Das aufdringliche Klingeln des Weckers in der Früh kann ein echter Stimmungskiller sein, speziell dann, wenn er uns aus einer Tiefschlafphase reisst. Dagegen wirkt das Gewecktwerden in einem Leichtschlafabschnitt weniger unangenehm.
Um sanfter aufzuwachen, gibt es kleine Helfer: Spezielle Wecker funktionieren über einen optischen Reiz. Sie imitieren den Sonnenaufgang, ihr Licht wird immer heller, bis die schlafende Person erwacht. Die Geräte können zusätzlich auch Musik oder gesprochene Texte abspielen. Im Fachhandel und übers Internet sind verschiedene derartige Weckerausführungen erhältlich. Andere Apparatetypen registrieren über einen Sensor Leichtschlafphasen, sie lösen den Weckimpuls innerhalb der gewünschten Zeitspanne aus.
Man kann auch mit sich selbst experimentieren und den regulären Wecker morgens während einiger Tage zu unterschiedlichen Zeiten klingeln lassen. So lässt sich der Zeitpunkt der Weckzeit-nahen Leichtschlafphase ermitteln.
Die innere Uhr funktioniert individuell verschieden. Einen wichtigen Einfluss auf sie haben die Gene, deshalb gibt es keine allgemeingültige Regel über den Zeitpunkt und die Dauer der Schlafphasen. Sie sind, wie das Erbgut, bei jedem anders.
Übrigens: Wie eine Studie gezeigt hat, haben Bewohner von grösseren Städten besonders häufig Probleme, am Morgen aufzustehen. Die Ursache sehen die Forscher in der unterschiedlichen Lebensweise: Da Landbewohner im Durchschnitt öfter im Freien unterwegs sind, wird ihre innere Uhr vermehrt mit Tageslicht versorgt. Wenn Städter im Winter regelmässig spazieren gehen oder Outdoor-Sport betreiben, wird auch ihre innere Uhr besser abgestimmt. Die Portionen an Bewegung sind zudem der Gesundheit zuträglich.
Noch im Bett hilft ausgedehntes Räkeln und Strecken dem Organismus, in die Gänge zu kommen. Gleichzeitig wird die Durchblutung der Muskeln und der Gelenke gesteigert.
Um das Wachwerden zu fördern, eignen sich auch Lampen mit einem hohen Lux-Wert in den Wohnräumen. Dem Tageslicht nahekommende Produkte sind im Fachhandel erhältlich. Gängige Lichtquellen kurbeln den Melatoninabbau kaum an.
Wechselwarmes Duschen weckt die Lebensgeister, doch diese morgendliche Rosskur ist nicht jedermanns Sache.
Leichter fällt da schon abwechselndes Kalt-Warm-Duschen der Unterschenkel – auch das bringt den Kreislauf auf Trab.
Eine milde Alternative ist das Trockenbürsten nach Kneipp: Mit den Borsten eines Massagehandschuhs, einer speziellen Bürste aus der Drogerie oder am besten mit einem Luffaschwamm die Haut fünf Minuten abreiben – das belebt. Kurzes vorheriges Lüften des Raums steigert die Wirkung.
Als weitere Möglichkeit empfiehlt sich sanftes Klopfen der Arme und des Oberkörpers mit der flachen Hand. Dadurch wird die Durchblutung angeregt und die Muskelspannung harmonisiert.
Besonders robusten Naturen empfiehlt Sebastian Kneipp, frühmorgens barfuss im Schnee zu gehen. Anfänglich hält man diesen Kältereiz nur wenige Sekunden aus. Mit zunehmender Abhärtung dauert es bis zu drei Minuten, bis der Schmerz in den Füssen unerträglich wird.
Das Schneegehen kurbelt den Kreislauf und den Stoffwechsel an. Zudem stärkt es die Blutgefässwände, und es stabilisiert das vegetative Nervensystem. (Bei Nieren- und Blasenleiden, bei ausgeprägten Durchblutungsstörungen sowie bei Ischiasproblemen muss auf dieses Morgenritual verzichtet werden.) Nach der Tour durch die Flockendecke werden die Füsse trocken frottiert. Dann legt man sich nochmals einige Minuten zum Aufwärmen ins Bett oder zieht Wollsocken an und bewegt sich etwas.
Ein angenehmer Wintertag beginnt auch mit einer positiven mentalen Einstimmung. Folgende Übung steigert die Gemütsverfassung:
Tief durch die Nase einatmen und dabei auf vier zählen. Gleichzeitig werden beide Arme seitlich angehoben, bis sie über dem Kopf ausgestreckt sind. Dann werden sie wieder langsam seitlich gesenkt, dabei ausatmen und auf acht zählen. Die Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben ziehen. Anschliessend wird diese Übung drei weitere Male ausgeführt und dazu laut geseufzt – das entspannt!
Eine weitere Möglichkeit: Der französische Apotheker und Mitbegründer des Mentaltrainings, Emile Coué, riet, täglich nach dem Erwachen zwanzig mal halblaut zu sich selbst zu sagen: «Es geht mir mit jedem Tag in jeder Hinsicht immer besser und besser!» Mit diesem Ritual soll das Unbewusste zu einer positiven Stütze für den Alltag werden.
Eine bunte Palette an weiteren Übungsmöglichkeiten hat sich für einen positiven Tageseinstieg bewährt, zum Beispiel Cross- oder Hometrainer, Tai Chi oder Qi Gong.
Ein weiterer Faktor, der den Start günstig beeinflusst, ist das Frühstück. Da manche Menschen nach dem Aufstehen keinen Appetit haben, beginnen sie den Tag mit lediglich einer Tasse Kaffee oder einem Espresso. Beide machen wach, aber sie versorgen kaum mit frischer Energie. Während der Nacht wurden die Kohlenhydratespeicher geleert, der Körper müsste jetzt seine Reserven wieder füllen können.
Das ist nicht nur für die Arbeit respektive das Lernen in der Schule oder den Wintersport wichtig, es sorgt auch für Körperwärme. Mit leerem Magen fröstelt man im Winter besonders leicht. Wer frühmorgens noch keine feste Nahrung herunterkriegt, sollte eine Tasse Kräutertee, ein Glas Gemüse- oder Fruchtsaft, warme Milch oder lauwarmes Wasser trinken. Das Wasser kann mit einer Prise Salz angereichert werden, dies regt die Stoffwechseltätigkeit an.
Wer oft friert, sollte sich morgens eine Tasse Ingwertee gönnen. Das asiatische Gewürz durchwärmt von innen. Zwei Scheiben einer Wurzel werden mit heissem Wasser überbrüht; fünf Minuten ziehen lassen. Wenn man das mag: Auch eine kleine Prise Chilipulver im Frühstücksgetränk wärmt.
Ein ideales Frühstück besteht aus komplexen Kohlenhydraten, die nur langsam abgebaut werden. So treten tagsüber nur geringfügige Schwankungen in der Leistungsfähigkeit auf. Diese Vorgaben treffen ganz besonders auf Vollkornprodukte zu.
Nicht jeder is(s)t gleich: Menschen unterscheiden sich auch beim Frühstück. Personen, deren erste Mahlzeit am Tag ausschliesslich aus Kaffee besteht, bezeichnen Ernährungsexperten als «Asketen». Der «Ei-Fan» beginnt seinen Tag mit einem weichgekochten, einem Spiegel- oder Rührei. Der «Franzose» bevorzugt Weissbrot, meist in Form von Croissants.
Für den «Herzhaften» gehören Käse oder Schinken aufs Brot. Dem «Gesundheitsbewussten» schmecken Frühstücksflocken und Müesli. Der «Sportliche» setzt auf frisches Obst, Fruchtsäfte und Milchprodukte.
Es lohnt sich, mit den eigenen Frühstücksgewohnheiten etwas zu experimentieren und dadurch zu einer optimierten Energieversorgung zu kommen. Wer gerne Fleisch zum Frühstück isst, kann fettarme, gesündere Geflügelwurst probieren. Wer Croissants liebt, sollte sie in der Vollkorn-Version kosten. Im Müesli bringen im Winter Dörrfrüchte oder aufgetaute Beeren geschmackliche Abwechslung.
Zwei Vorschläge für ein besonders energiereiches Frühstück: Eine Orange schälen und in kleine Stücke schneiden. Den dabei ausfliessenden Saft mit 100 Gramm Quark vermischen. Honig (1 TL), Zitronensaft (1 EL), eine Messerspitze gemahlene Vanille sowie die Orangenstückchen dazu geben und alles vorsichtig verrühren. Die Masse auf zwei Scheiben Knäckebrot streichen (Alternative Vollkorntoast) und mit Bananenscheiben belegen.
Oder: A.Vogel Müesli (5 EL) auf einen Teller streuen. Eine Banane und eine Orange in Stücke bzw. Scheiben schneiden und dazugeben. Honig (1 TL) in einem halben Becher fettarmem Rahm (Sahne) verrühren und über die Flocken giessen. Eine Avocado in dünne Scheiben schneiden, mit ihnen den Tellerrand garnieren, mit Pfeffer und Zitronensaft würzen.
Spätestens in der Morgenpause sollten sich auch jene Menschen eine kleine Zwischenmahlzeit gönnen, die nach dem Aufstehen noch keinen Bissen hinunter kriegen. Dies kann ein Knäckebrot oder Vollkornbrötchen mit Quark und Bananen- oder Karottenscheiben sein. Auch selbstgemachte, zuckerarme Milchshakes sind schmackhafte Zwischenmahlzeiten.
Menschen mit einem schwankenden Energiehaushalt, die zum Frösteln neigen, greifen eher zu Kaffee, Nikotin, Energydrinks und weiteren Stimulantien, um den Organismus wieder auf Trab zu bringen. Doch dieser Effekt verpufft rasch wieder.
Zudem ist diese Aufputschstrategie auf Dauer sehr ungesund. Sie führt dem Körper kaum Energie in einer gesunden Form zu, Übergewicht kann die Folge sein. Wenn Frühstück und Pausenmahlzeit fehlen, nimmt die Tendenz zu Heisshungerattacken zu, denen gerne mit Schokoriegeln und anderen Süssigkeiten begegnet wird. Diese sorgen für einen Energieschub, der allerdings rasch wieder nachlässt. Dem süssen Zeug fehlen zudem Vitamine, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe, die für eine gesunde Ernährung so wichtig sind. Vollkornprodukte sind bessere und dauerhaftere Energielieferanten.
Und zu guter Letzt: Schlafen ist wichtig! Ein positiver Tag beginnt am Abend zuvor. In einem behaglich eingerichteten Schlafzimmer und auf einer Matratze von guter Qualität erholt man sich besser als in einem durchgelegenen Bett in einem schlecht gelüfteten Raum.
Eine Luftfeuchtigkeit von 60 bis 70 Prozent und eine Temperatur zwischen 16 und 18 Grad fördern die Schlafqualität. Auf schwere Speisen und Alkohol in grösseren Mengen verzichtet man abends besser: Beide können anderntags das Aufstehen erheblich erschweren.