Salz, ein Element, das Leben erhält, eine «Göttergabe», ein hippokratisches Heilmittel. Brot und Salz, Inbegriff der notwendigen menschlichen Nahrung. Aber: Wieviel Salz ist gesund?
Autorin: Claudia Rawer, GN 5.16
Das Thema Salz steht auf der Tagesordnung. Noch nie habe sich der Mensch so sehr mit seinem Salzkonsum auseinandergesetzt wie heute, äussert sich der Mediziner Karl-Ludwig Resch in der Tageszeitung «Die Welt»: «Vor zehn Jahren noch war Salz eher ein akademisches Thema, jetzt kommt alle paar Tage ein Beitrag dazu im Fernsehen.» «Wir essen viel zu viel Salz!», mahnen sogar die Boulevardzeitungen «Blick» und «Bild», und in New York sind, behördlich verordnet, die ersten Speisekarten mit einem Salzstreuer als Warnsymbol im Umlauf.
Die Weltgesundheitsorganisation hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 den Salzkonsum weltweit um ein Drittel zu reduzieren. Der Verbrauch der Europäer soll sich gar halbieren: von durchschnittlich etwa zehn Gramm pro Kopf und Tag auf allerhöchstens fünf Gramm.
Warum? Salz, so die Begründung, erhöhe den Blutdruck und somit das Risiko für Herz-Kreislauf- sowie Nierenerkrankungen.
Salz, Kochsalz, Speisesalz, chemisch Natriumchlorid, ist für uns lebenswichtig und essenziell. Salz reguliert unseren Elektrolyt- und Wasserhaushalt, die Flüssigkeits- und Nährstoffbalance in unseren Zellen. Es steuert die Aktivität und die Reizübertragung der Muskeln und Nerven.
Salz spielt eine wichtige Rolle beim Knochenaufbau und der Verdauung. Auf der Haut schützt es gegen Infektionserreger. Etwa 200 Gramm davon tragen wir durchschnittlich gesehen in unserem Körper herum und benötigen täglich ein bis drei Gramm zum Ausgleich der Verluste über Schweiss, Tränen und andere Ausscheidungen; manchmal deutlich mehr.
Überwacht und geregelt wird der Salz- und Wasserhaushalt des Körpers durch Hormone und Enzyme, das sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), das gleichzeitig auch einer der wichtigsten Regulatoren für den Blutdruck ist.
Lange bevor gesunde Ernährung zum Trendthema wurde, war Alfred Vogel der Meinung, dass die Ernährung die Basis für unsere Gesundheit bildet – und dass, ohne dabei auf den Genuss zu verzichten.
Die Rezeptideen von Assata Walter sind deshalb nicht nur saisonal, frisch und leicht umzusetzen, sie enhalten auch immer einen Ernährungstipp, der Ihnen hilft, sich natürlich und gesund zu ernähren.
Und doch wird über wenige Lebensmittel so erbittert gestritten wie um das Salz –und über kaum eines so viel Widersprüchliches verbreitet. «Salzverzicht würde jährlich Millionen Leben retten» («Spiegel online» 2013) versus «Vergessen Sie den Mythos vom ungesunden Salz» («Die Welt» 2013): Ja, was denn nun?
Wer sich an die Welt der Wissenschaft wendet, um Antwort auf diese Frage zu finden, wird so schnell auch nicht klüger. Der Zusammenhang zwischen zu hohem Salzkonsum und erhöhtem Blutdruck, somit also der Gefahr von Herzinfarkt, Schlaganfall und Co., sei eindeutig erwiesen, so die einen. Nein, so die anderen, es gebe keine einzige Studie, aus der sich zuverlässig schliessen lasse, dass Salzkonsum schädlich sei – im Gegenteil, wer zu wenig Salz zu sich nehme, könne ebenfalls gesundheitlichen Schaden davontragen.
Ein Team der Columbia University in New York, selbst nicht an der Salzforschung beteiligt, nahm sich über 250 einschlägige Studien vor und kam zu dem Schluss: Wirklich eindeutige Belege für die Theorie vom gesundheitsschädlichen Salz gibt es nicht. Etwas mehr als die Hälfte der Untersuchungen (54 Prozent) stützen die These, Salz erhöhe den Blutdruck; 33 Prozent wiesen sie zurück, und 13 Prozent kamen zu keinem schlüssigen Ergebnis.
Dafür fanden die New Yorker Forscher Belege für etwas ganz anderes: Es gibt einen «Salzkrieg» in der Wissenschaft, zwei nahezu getrennte Forschungszweige, die auf unterschiedlichen Seiten stehen und sich – teilweise keineswegs rational, sondern hoch emotional – gegenseitig befehden. Von weiteren Studien sei daher genauso wenig Erkenntnisgewinn zu erhoffen.
Zehn Gramm, etwa ein gestrichener Esslöffel Salz pro Tag und Nase, das ist allerdings schon eine ganze Menge. Nur, und darüber sind sich auch die WHO und andere Expertenkommissionen im Klaren: Der grösste Teil dieser Salzmenge, etwa 70 bis 90 Prozent, stammt gar nicht aus dem Salzstreuer auf dem Tisch. Er steckt in Fertigprodukten der Lebensmittelindustrie. Vor allem in Konserven, ob «Junge Erbsen mit Möhrchen» oder «Bohnen in Tomatensauce», und in Fertiggerichten für Herd oder Mikrowelle, ob Pizza, Züri-Geschnetzeltes oder Tortellini mit Ricotta, steckt zu viel Salz; aber auch in gewürztem (TK-)Fertiggemüse wie Rahmspinat oder Rotkohl, in Brot, Wurstwaren und Käse.
Auch dort, wo man es nicht erwartet, wurde bereits 2009 die Organisation «foodwatch» fündig: Salz fand sich z.B. in Schokolade und Schokoriegeln, im Müesli und in Cornflakes.
So weist denn auch der Forscher Bruce Neal in einem Kommentar zum «Salzkrieg» darauf hin, dass der Einfluss der Lebensmittelindustrie und ihrer Lobby nicht unterschätzt werden dürfe. Immerhin basiere diese Industrie darauf, mit Hilfe von Salz, Zucker und Fett billige Zutaten von geringer Qualität in hochpreisige Ware mit technisch optimierten Eigenschaften zu verwandeln.
Die WHO stimmt da zu: «Auch Fast-Food-Ketten und andere Gaststätten sind in wesentlichem Masse für einen hohen Salz-, Fett- und Zuckergehalt in der Ernährung verantwortlich.»
Einfache Erkenntnis Nr. 1: Zu viel von etwas ist nie gut; das gilt auch für das Salz.
Einfache Erkenntnis Nr. 2: Wer sein Essen nach Möglichkeit aus frischen Zutaten selbst zubereitet und auf Fertig- und Convenienceprodukte weitgehend verzichten kann, braucht sich um seinen Salzkonsum wenig zu sorgen.
Wer allerdings das Kochen allein den Lebensmittelkonzernen überlässt, sollte sich da schon eher Gedanken machen. Dies ist insbesondere für Familien mit Kindern wichtig, für die ein hoher Salzkonsum bewiesenermassen deutlich schädlicher ist als für Erwachsene.
Aber auch für letztere gilt: Wenn hochverarbeitete und billig hergestellte Produkte die wesentliche Quelle des zu hohen Salzkonsums sind, liegt der Verdacht nahe, dass man an solche üppigen Salzmengen einfach gewöhnt ist bzw. sie gar nicht registriert – das Salz im Cornflakesschüsselchen und der Milchschokolade hat sicher noch kaum jemand herausgezüngelt.
Bekanntermassen enthalten industriell verarbeitete Lebensmittel ja nicht nur viel Salz, sondern auch viel Fett und viel Zucker. Die Schweizer Fachgruppe «Salz und «Gesundheit» stellt in bezug auf Jugendliche lapidar fest: «Der Salzkonsum ist zudem mit dem Konsum von gezuckerten Getränken assoziiert, so dass Adoleszente, die viel Salz essen, auch dazu neigen, übergewichtig zu werden.»
Die Lebensmittelindustrie erzieht uns mit immer höheren Dosen der «Geschmacksgeber» Fett, Salz und Zucker zu kulinarischen Banausen, denen ein künstlich aromatisierter Erdbeerjoghurt besser schmeckt als ein Naturjoghurt mit frischen, süssen Walderdbeeren, eine fetttriefende Pizza besser als ein Vollkornbrot mit Butter und Schnittlauch, eine völlig übersalzene Sauce besser als ein mit Kräutern gewürzter Fond aus frischen Zutaten. Dem sollten nicht nur Eltern etwas entgegensetzen.
In den Publikationen zur Problematik des Salzkonsums fällt ein weiterer Punkt auf: Tatsächlich gilt gar nicht das Salz als das Problem. Der Schweizerische Ernährungsbericht räumt ein: «Wahrscheinlich haben Adipositas und körperliche Inaktivität in der Schweizer Bevölkerung einen weitaus grösseren Einfluss auf den Blutdruck als die Salzzufuhr.»
Der Marburger Nierenspezialist Prof. Dr. med. Joachim Hoyer sagte dem «Spiegel»: «Viel besser belegt ist, dass Übergewicht, Rauchen oder zu wenig körperliche Bewegung das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle erhöhen.»
Die Fachgruppe «Salz und Gesundheit» gibt sich etwas bedeckter, betont aber ebenfalls: «Zur Prävention von Hypertonie sind ausser einem moderaten Salzkonsum weitere Umstellungen in der Ernährung vorteilhaft wie Regulierung der Gesamtkalorienzufuhr, regelmässiger Verzehr von Früchten, Gemüse und Hülsenfrüchten (und dadurch erhöhte Kaliumzufuhr), moderater Konsum von zuckerhaltigen Produkten und fettem Fleisch. Bei einer mediterranen Ernährung wurde vor allem die positive Wirkung auf den Bluthochdruck festgestellt.
Bei Übergewicht und Adipositas hat eine Gewichtsreduzierung auch zu einer Senkung des Bluthochdruckes geführt.» Warum dann doch der Fokus auf dem Salzkonsum? Ganz einfach: «Massnahmen zur Verringerung der Salzzufuhr sind einfacher umzusetzen und versprechen mehr Erfolg als solche, die darauf abzielen, Übergewicht zu reduzieren oder die körperliche Aktivität zu erhöhen.» (Schw. Ernährungsbericht).
Wer Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen will, wer beispielsweise schon unter Bluthochdruck leidet oder zu den Salz-Sensitiven gehört, sollte die Salzzufuhr ruhig ein wenig senken. (Anzeichen für eine sogenannte Salz-Sensitivität kann z.B. ein sehr hoher und schlecht einstellbarer Blutdruck sein.)
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät zu höchstens sechs Gramm (das entspricht etwa anderthalb Teelöffeln) pro Tag und Nase. Die WHO sieht, wie gesagt, fünf Gramm als empfehlenswerten Grenzwert; die US-Herzgesellschaft AHA hält sogar 3,8 Gramm für optimal.
Man sollte sich jedoch dabei bewusst sein, dass die Salzreduktion nur eine der sinnvollen Massnahmen ist: Viel Bewegung und die Vermeidung von Übergewicht spielen eine deutlich grössere Rolle. Einfache Erkenntnis Nr. 3: «Statt sich mühsam das Salzen zu verkneifen, sollte man sich vielleicht lieber öfter an der frischen Luft bewegen.» (Nephrologe Prof. Joachim Hoyer).
Verzichten Sie also auf die Salz-Zucker-Fett-Mixturen, die uns die Industrie als schmackhaft und arbeitssparend andienen will, und sorgen Sie für viel Bewegung. Dann haben Sie mit dem Salzen kein Problem – und betreiben gleichzeitig Gesundheitsvorsorge nicht nur gegen Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, sondern auch gegen Diabetes, Übergewicht und Demenz.
Wenn man es schon sparsam verwendet, ist das ein Grund mehr, sich nur das Beste vom Besten zu gönnen. Die Auswahl ist ja heute reichlich. Vom rosafarbenen Himalayasalz bis zum schwarzen Hawaiisalz finden sich Dutzende Varianten.
Doch aufgepasst: Solche Salzspezialitäten sind manchmal überteuert und auch nicht immer so «naturrein», wie sie angepriesen werden. Die Prüfer der «Stiftung Warentest» fanden beispielsweise 2013 in einem «absolut naturreinen Blausalz» Berliner Blau, einen Farbstoff, der nach Ansicht der Tester «in Lebensmitteln nichts zu suchen hat». Das teure Himalayasalz (das gar nicht aus dem Himalaya kommt, sondern aus industriell arbeitenden Minen in Pakistan, etwa 200 Kilometer entfernt) kommt oft mit unhaltbaren Gesundheitsversprechungen daher. Laut Tests besteht Himalaya-Salz wie andere Steinsalze auch zu rund 97 Prozent aus Natriumchlorid, dazu kommen weitere 10 bis 15 Elemente, z.B. Kalzium, Magnesium und Eisen, aber in geringsten Mengen. Es als «reich an Mineralstoffen» zu bezeichnen, halten «Öko-Test» und der «Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung» (UGB) für Irreführung des Verbrauchers.
Von solchen Ausreissern abgesehen, gilt auch beim Salz: «Gut ist, was gut schmeckt». Ob man nun feines «Fleur de Sel» bevorzugt oder mit Blüten, Chili, Oliven oder Zitrone aromatisierte Spezialitäten, ist weitgehend Geschmackssache.
Alfred Vogel jedenfalls schwor nicht umsonst auf naturreines Meersalz mit einem Anteil von biologisch angebauten Kräutern und Gemüsen sowie der jodhaltigen Meeresalge Kelp. Das von ihm entwickelte «Herbamare» kommt bis heute ohne Rieselhilfen oder sonstige Zusatzstoffe aus – und ist delikat.
Dioskurides, berühmter griechischer Arzt und Pharmakologe, schrieb: «Salz gehört zu jeder Mahlzeit, und wer es sinnvoll darein tut, wird ein langes Leben haben, es fröhlich geniessen, ... denn Salz ist das Leben selbst.»
• «Auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf das Salz.» Dieser Meinung war der römische Staatsmann und Gelehrte Cassiodor.
• Der Ausdruck «Salz der Erde» stammt aus der Bibel. Menschen, die das Salz der Erde sind, sind solche, die einen besonders guten Charakter haben, ehrliche, verlässliche, wertvolle Individuen.
• «Beginne mit dem Salz und ende mit ihm, denn im Salz liegt die Heilung von siebenzig Krankheiten», heisst es im Koran. Und der jüdische Talmud stellt kurz und knapp fest: «Eine Mahlzeit ohne Salz ist keine Mahlzeit.»
• Auch heute noch ist eine Suppe ohne Salz fade, langweilig und reizlos. Ist etwas «wie das Salz in der Suppe», ist es dagegen die entscheidende Zutat, die ideale Ergänzung, etwas, das eine Sache erst vervollständigt oder interessant macht.