Ob grün, ob weiss, an der Sonne gereift oder aus dem Sand gestochen, Spargel ist nicht nur eine kulinarische Delikatesse, auch seine Qualitäten als Naturheilmittel überzeugen.
Autorin: Ingrid Zehnder-Rawer
Früher selten und sehr teuer, dann ein exklusives „Sonntagsessen“, ist Spargel, heute, wenigstens in der Hochsaison, kein Luxus mehr. Spargelzeit ist von Ende April bis 24. Juni (Johannistag) – falls er in unseren Breitengraden und aus dem Freiland geerntet wird. Um ein bis zwei Wochen vorgezogen wird die Ernte, wenn man über die Dämme wärmespeichernde Folie spannt, noch früher kommt der Spargel aus dem Gewächshaus.
Importspargel in der grünen Version ist praktisch das ganze Jahr über erhältlich, „ganz in weiss“ kommt er schon Anfang März aus Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich auf unsere Ladentische und Marktstände. Weil viele den ersten Spargel kaum erwarten können, hat selbst aus Südafrika eingeflogene Ware eine gute Marktchance – falls der Verbraucher nicht über den ökologischen Unsinn nachdenkt.
Aus dem fleischigen, ausdauernden Wurzelstock des zu den Liliengewächsen gehörenden Spargel (Asparagus officinalis) treiben im Frühjahr, wenn der Boden sich mindestens auf 16 Grad C erwärmt hat, fingerdicke Sprossen. Sie haben schmale Spitzen mit schuppigen Niederblättern, die für die meisten Kinder das Ungeniessbare und für die meisten Erwachsenen das Allerbeste am Spargel sind.
Traditionsgemäss werden bis zum Johannistag die ständig nachwachsenden Triebe abgeschnitten. Danach gönnt man dem Spargel ein lange Ruhepause, in der er genügend Nährstoffe anreichern kann – bis zur nächsten Spargelernte. Die überirdische Pflanze verzweigt sich bäumchenartig und wird bis zu einem Meter hoch. Im Spätsommer bringen die weisslichen bis grün-gelben Glocken-Blüten erbsengrosse rote Beeren hervor, die schwarze Samen enthalten.
Woher der Spargel kommt, weiss niemand so recht: die grosszügigen Herkunftsbezeichnungen lauten mal Orient, mal Kleinasien, mal Asien. Sicher ist, dass es bis vor 200 Jahren nur grünen Spargel gab. Erst seit die Holländer auf die Idee kamen, kleine Erddämme anzuhäufen, um den Lichteinfall und damit die Grünfärbung zu verhindern, kennen wir den Bleichspargel. Er hat sich derart durchgesetzt, dass inzwischen viele glauben, beim grünen Spargel handle es sich um einen andere Sorte. Das ist aber nicht der Fall. Die Farbe ist kein Sortenmerkmal, sondern hängt von den Anbaubedingungen ab: sobald die weissen Spargelspitzen die Erde durchbrechen und Licht sehen, reichern sie Chlorophyll an und färben sich bläulich-violett bis grün.
Eher selten kann man auch einen über der Erde wachsenden dunkel-violetten Spargel kaufen, der den Pflanzenfarbstoff Anthocyan in höherer Konzentration enthält und im Geschmack bitterer ist.
Ob grün oder weiss, ist eine Frage des Geschmacks. In dem meisten Ländern der Erde wird mehr grüner Spargel angebaut. In Europa und insbesondere in Frankreich und Deutschland wird zu 95% Bleichspargel gegessen. Die deutschen Hauptanbaugebiete des Spargels liegen bei Lübeck, Braunschweig, Mainz, Schwetzingen, Ulm und in den neuen Bundesländern. Berühmt sind auch der Horburger und Hördter Spargel aus dem Elsass, der Cavaillon-Spargel mit seinen leicht bläulichen Spitzen aus Südostfrankreich und der Spargel aus Argenteuil bei Paris. In der Schweiz gibt es eine kleine inländische Produktion, beispielsweise aus dem Rheintal.
Geerntet wird erstmals, wenn die Spargelbeete ins dritte Jahr gehen, doch erst im vierten Jahr wird der volle Ertrag erwartet– mit ein bis zwei Kilo pro Pflanze. Anbau und Ernte sind beim weissen Spargel wesentlich aufwändiger als beim grünen – daher erklären sich auch die Preisunterschiede. Der Bleichspargel muss nicht nur vorsorglich durch aufgeschüttete Erdwälle vor dem Sonnenlicht geschützt werden, auch die Ernte muss quasi im Dunklen passieren. Feine Haarrisse im Boden zeigen an, dass eine Stange kurz davor ist, sich ans Tageslicht durchzuschieben. Dann wird sie von Hand freigegraben und so vorsichtig abgeschnitten, dass benachbarte Triebe nicht verletzt werden. Anschliessend wird das Loch wieder zugeschüttet, damit die noch nicht erntereifen Sprossen weiter im Dunkeln munkeln können. Diese heikle Arbeit kann keine Maschine leisten, hier sind ausschliesslich Handarbeit und Fingerspitzengefühl (und ein stabiler Rücken) gefragt.
Bei sommerlichen Temperaturen wachsen die Spargeln mehrere Zentimeter pro Tag, so dass in der Hochsaison zweimal täglich geerntet werden kann. Bei der Bezeichnung der Qualitätsklassen gehe es neben dem Herkunftsland in erster Linie um „Äusserlichkeiten“. Länge und Ebenmässigkeit der Stangen sind massgebend, nicht Erntezeit, Geschmack oder Inhaltsstoffe. In die Handelsklasse Extra oder Eins gehören keine zerbrochenen, hohlen, berosteten oder zu dünnen Stangen. Nicht schneeweisse Stangen werden in niedrigere Handelsklassen eingestuft, obwohl die Verfärbung durch das Sonnenlicht weder das Aroma noch die Inhaltsstoffe schmälern.
Konventionell angebauter Spargel ist infolge Überdüngung leider oft mit Nitrat belastet. Im Bioanbau, der ohne Spritzmittel auskommen muss, stellt sich dieses Problem nicht. Und tatsächlich hat sich der Spargel inzwischen zum umsatzstärksten Freilandgemüse im Bioanbau gemausert. Er ist allerdings um 10 bis 30 % teurer als konventionelle Ware.
Wer die Chance hat dazu, der sollte sich direkt beim Spargelbauern eindecken, denn Frische ist beim edlen Gemüse oberstes Qualitätsgebot. Grünspargel ist dabei noch empfindlicher als weisser Spargel, denn seine stärker aufgeblühte Köpfe begünstigen die bakterielle Zersetzung und die Wasserverluste, was sich auch durch das schneller welken der grünen Stangen zeigt. Spargel, der auf lange Transportstrecken geschickt wird, wird sofort nach der Ernte gekühlt und gewässert, manchmal „fad“ gewässert, denn dadurch verliert er einen Teil der Geschmacksstoffe, Vitamine und Mineralien.
Der beste Frischetest besteht darin, die Schnittstelle zu prüfen (sie müssen glatt, leicht glänzend, saftig und knackig sein). Bei gelagertem Spargel, dessen Enden nachgeschnitten wurden, um eine nicht vorhanden Frische vorzutäuschen, riecht der Saft an der Schnittfläche säuerlich. Zu Hause wickeln Sie den Spargelbund in ein feuchtes Tuch und bewahren in höchstens drei Tage im Gemüsefach des Kühlschranks auf.
Spargel besteht zu 93 bis 95 % aus Wasser. Der Rest aber hat es in sich. Es gibt kaum ein Nahrungsmittel, dass so wenig Kalorien hat (17 kcal pro 100 Gramm) und dabei eine so grosse Vielfalt an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen enthält.
Spargel enthält Vitamine der B-Gruppe (B1, B2, Niacin, B6, Panthothensäure), reichlich Betacarotin, Vitamine C, E und K (Blutgerinnung). Besonders hoch ist der Gehalt an Folsäure – schon 350 Gramm Spargel decken den Tagesbedarf von 300 Mikrogramm des Vitamins, das an vielen wichtigen Stoffwechselprozessen beteiligt ist, die der Bildung der roten Blutkörperchen mitwirkt und für eine gesunde Nerventätigkeit notwendig ist.
Spargel ist auch ein wichtiger Lieferant von Kalium (205 mg pro 100 g), das ein Blutdruck reguliert und für Herztätigkeit wichtig ist. Auf dem hohen Kaliumgehalt ist auch die entwässernde und entsäuernde Wirkung des begehrten Gemüses zurück zuführen. Das Kalium in Kombination mit wenig Natrium (4 mg pro 100 g) macht Spargel zur idealen Speise für Menschen mit hohem Blutdruck, Blasen und Nierenleiden und Neigung zu Ödemen.
Ausserdem enthalten Sie Kalzium, Mangan (wichtig für Diabetiker: blutzuckersenkend), Kupfer, Magnesium und recht viel Zink, das ja bekanntlich bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielt. Grüner Spargel enthält übrigens noch mehr Vitamin C und Betacarotin als Bleichspargel einen wertvollen Eiweissstoff, die Asparaginsäure.
Der Ballaststoffgehalt ist nicht übermässig hoch, doch trägt er zu einer geregelten Verdauung bei. Bedeutender ist die harntreibende Wirkung, denn Spargel enthält mehrerer Stoffe, die wasserausschwemmende Wirkung besitzen. Der ganz spezielle Geruch des Urins nach einer Spargelmahlzeit ist auf Schwefelverbindungen zurückzuführen und völlig normal. Das begehrte Spitzengemüse wird wegen des minimalen Fett- und Kohlenhydratgehalts und der harntreibenden Wirkung gern als Entschlackungsmittel angepriesen. Richtig ist, dass man bei Spargel ordentlich zuschlagen kann, ohne das die Waage nach oben ausschlägt – allerdings müssen dann auch die Begleitzutaten entsprechend kalorienarm sein.