Die Nieren leisten lebenswichtige Aufgaben. Häufig merkt man gar nicht, wenn sie nicht mehr richtig funktionieren. Warum das gefährlich sein kann und auf welche Warnsignale man achten sollte.
Autorin: Andrea Pauli
Immer mehr Menschen erkranken an einer Nierenschwäche (chronische Niereninsuffizienz, CKD), stellen Mediziner fest. Bei Personen ab 40 Jahren ist sie genauso verbreitet wie Diabetes oder koronare Herzkrankheit. Bereits 10 Prozent der Erwachsenen in Europa haben eine chronische Nierenerkrankung. Die Crux: Die Betroffenen wissen häufig nichts von ihrer Erkrankung, denn sie löst zu Beginn keine merklichen Symptome aus. Eine frühzeitige Behandlung ist jedoch wichtig, um Nierengewebe zu retten.
Unsere Nieren sind stille Schwerarbeiter: Sie sorgen für die Ausscheidung von Stoffwechselendprodukten und Giftstoffen über den Urin. Zudem regulieren sie den Wasser- und Elektrolythaushalt. Darüber hinaus bilden sie eine Reihe von lebenswichtigen Hormonen, die unter anderem die Blutbildung (durch Erythropoetin) und die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm steuern. Das alles tun sie nahezu unbemerkt – selbst wenn es ihnen immer schlechter geht.
Die Hauptaufgabe der Nieren übernehmen winzige Einheiten, die Nephrone. Sie bestehen aus Nierenkörperchen und Nierenkanälchen. In den Blutgefässen der Nierenkörperchen wird das Blut gefiltert. Es entsteht der sogenannte Primärharn. Schadstoffe werden so aus dem Blut entfernt und später über den Harn ausgeschieden. Aus dem Primärharn wird dann fast die komplette Wassermenge wieder dem Blut zugeführt.
Keine Frage: Mit zunehmendem Alter lässt die Nierenfunktion einfach nach, das ist ein natürlicher Prozess. Im Greisenalter besitzt der Mensch häufig nur noch die Hälfte seiner Nephrone, ohne dass er jemals eine auffällige Nierenerkrankung durchgemacht hätte – und kann damit auch ganz gut leben.
Das Augenmerk gilt vielmehr den Risikofaktoren für eine Nierenschwäche. Am häufigsten betroffen sind Menschen mit schlecht behandeltem Diabetes oder Bluthochdruck. Beide Krankheiten schädigen die feinen Gefässe in der Niere; das Organ kann dann das Blut nicht mehr optimal filtern. Zwischen 40 und 50 Prozent der Diabetiker entwickeln mit der Zeit eine Niereninsuffizienz. Dabei scheint es nicht der Blutzuckerspiegel selbst zu sein, der den Nieren zusetzt, sondern giftige Stoffwechselprodukte, die bei Diabetes entstehen. Die Zusammenhänge sind noch nicht ganz geklärt.
Auch Fettleibigkeit (Adipositas) wirkt sich aus, denn das Fettgewebe bildet im Bauchraum Entzündungshormone, die den Nieren zusetzen. Zudem belastet die regelmässige Einnahme von Medikamenten, z.B. Schmerzmitteln, die Nieren.
Wer also zu den Risikobetroffenen gehört, sollte mit dem Hausarzt über Früherkennungsuntersuchungen sprechen. Eine Funktionsstörung der Niere im Frühstadium verursacht keine Beschwerden. Doch es finden sich Stoffe im Urin und im Blut, die als Alarmsignale gelten.
Können die Nieren das Blut nicht mehr ausreichend filtern, reichern sich Kreatinin und Harnstoff im Blut an. Dies lässt sich durch eine Analyse der Blutwerte prüfen. Je mehr Kreatinin und Harnstoff im Blut zu finden sind, desto schwächer ist die Filterfunktion der Nieren. Der Kreatinin-Normalwert liegt bei 8 bis 12 Milligramm pro Liter Blut, die normale Harnstoffkonzentration im Blut zwischen 200 und 450 Milligramm pro Liter.
Die Messung des Kreatininwertes ist klinischer Alltag für eine erste Einschätzung der Nierenfunktion. Problematisch daran: Oft steigt er erst an, wenn die Nierenfunktion um gut die Hälfte abgefallen ist. Da wird eine leichte Einschränkung der Nierenfunktion schon mal übersehen.
Besser geeignet für eine frühe Diagnose ist die sogenannte Kreatinin-Clearance, die angibt, wie schnell die Nieren Kreatinin aus dem Blut herausfiltern können, so der Berufsverband Deutscher Internisten. Dazu muss Urin für 24 Stunden gesammelt werden. Man bestimmt dann gleichzeitig Kreatinin im Blut und im Urin. Eine verminderte Kreatinin-Clearance findet sich vor dem Anstieg des Kreatinins im Blut und kann daher schon früh eine Schädigung der Nieren anzeigen. Ausserdem berechnet der Arzt die sogenannte Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) aus dem Kreatinin-Wert im Blutserum oder einer anderen Substanz im Blut, z.B. dem Cystatin C. Mit ihrer Hilfe kann er den Schweregrad der Erkrankung beurteilen. Der Normalwert der Glomerulären Filtrationsrate für Kreatinin liegt bei 90 bis 130 Milliliter pro Minute. Meint: Eine gesunde Niere reinigt pro Minute mindestens 90 Milliliter Blut.
Ein wichtiger Marker ist zu viel Eiweiss, speziell Albumin im Urin. Herkömmliche Teststreifen erfassen lediglich relativ hohe Konzentrationen der Eiweiss-moleküle von über 200 Milligramm pro Liter Urin, also eine «Makroalbuminurie». Doch schon eine zehnfach niedrigere Albuminmenge kann auf einen beginnenden Nierenschaden hinweisen. Deshalb ist ein entsprechend empfindlicher Test sinnvoll, der bereits Konzentrationen von 20 bis 200 Milligramm Albumin pro Liter Urin ermittelt («Mikroalbuminurie»).
Bei einer gesunden Niere ist das Filtergewebe so dicht, dass höchstens 200 Milligramm Eiweiss pro Tag im Urin ausgeschieden werden. Regelmässige Messungen der Eiweissausscheidung sind ein wichtiger Bestandteil der Überwachung des Krankheitsverlaufs, da bei fortschreitender Erkrankung immer mehr Eiweiss im Urin nachweisbar ist.
Leider hat das Nierengewebe bei chronischer Schädigung nicht die Fähigkeit, sich vollständig zu regenerieren. Doch erkennt man eine Niereninsuffizienz rechtzeitig, kann ihr Fortschreiten verlangsamt oder sogar gestoppt werden. Wichtig ist, die Ursache zu identifizieren und adäquat (medikamentös) zu behandeln.
Wer sein Risiko für Diabetes mellitus und Bluthochdruck senkt, kann so auch einer dadurch bedingten chronischen Nierenerkrankung vorbeugen. Je nach Stadium einer chronischen Nierenerkrankung gelten verschiedene Ernährungsregeln. Eine Ernährungsberatung ist sinnvoll, um die Vorgaben zu verstehen und im Alltag umzusetzen.
Das betrifft u.a. den Verzehr von Eiweiss. Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine Diät mit wenig Eiweiss bei manchen Menschen das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung verzögern und vor Komplikationen schützen kann. Doch auch zu wenig Eiweiss ist ungünstig, denn bei Eiweissmangel würde der Körper Muskeleiweiss abbauen. Die tägliche Nahrung sollte gängigen Empfehlungen zufolge circa 0,8 bis 1 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Normalgewicht enthalten. Beispiel: Wer 70 Kilogramm wiegt, nimmt pro Tag also rund 60 Gramm Eiweiss zu sich. Ein Rindersteak (140 Gramm) enthält ungefähr 45 Gramm Eiweiss, ein Frühstücksei rund 13 Gramm.
Ratsam ist auch ein Verzicht auf Salz bzw. salzhaltige Lebensmittel.
Auch wenn man das Gegenteil vermuten würde: Extra viel trinken verbessert die Nierenfunktion an sich nicht. In manchen Fällen beschleunigt eine zu grosse Flüssigkeitszufuhr das Fortschreiten der chronischen Nierneninsuffizienz sogar. Man sollte mit der Hausärztin bzw. dem Ernährungsberater besprechen, wie viel Flüssigkeit täglich sinnvoll ist.
Spätestens ab einer Niereninsuffienz Stadium 4 sollte die Ernährung ganz gezielt angepasst werden. Ab dann wird eine eiweissarme, kaliumarme, kalziumreiche, phosphatarme Ernährung mit zusätzlicher Gabe von Vitamin D3 empfohlen.
Symptome, die auf Nierenprobleme hindeuten können, sind unter anderem: