Viele Frauen fühlen sich in den Wechseljahren häufig antriebslos und niedergeschlagen. Das kann durchaus auch an den hormonellen Veränderungen liegen. Doch die Betroffenen sollten sich selbst genau beobachten. Denn manchmal entwickelt sich in dieser Lebensphase auch eine echte Depression, die dann unbedingt fachmännisch behandelt werden sollte.
Autorin: Annette Willared, 12/21
Wenn der Östrogenspiegel in den Wechseljahren sinkt, fühlen sich viele Frauen nicht mehr lebenslustig und zupackend. „Es ist, als hätte einer den Stecker rausgezogen", sagen manche. Keine Energie mehr, kein Antrieb und dazu häufig richtig niedergeschlagen. Tatsächlich kann das an der hormonellen Umstellung liegen. Östrogen hat nachweislich einen stabilisierenden Effekt auf die Psyche. Es wirkt stimmungsaufhellend und beeinflusst das zentrale Nervensystem. Sinkt das Level dieses Hormons im Blut, wirkt sich das oft negativ auf das seelische Gleichgewicht aus. Dazu kommt, dass sehr viele Frauen durch Hitzewallungen und Schweissausbrüche häufig nachts nicht mehr richtig durchschlafen können. Das kostet viel Kraft und macht schnell auch reizbar und nervös. Die weiblichen Hormone sind darüber hinaus eng eingebunden in ein Netzwerk mit anderen Hormonen und Botenstoffen im Körper. Dazu gehören Endorphine, die für Wohlbefinden sorgen. Sinken die Östrogenspiegel, sinken auch die Endorphinspiegel, Niedergeschlagenheit ist die Folge. Es dauert häufig einige Zeit, bis sich all die unterschiedlichen Hormone auf einem neuen Level eingependelt haben.
Doch es sind nicht nur körperliche Effekte, die Frauen in dieser Phase belasten. Viele macht das Ende der Fruchtbarkeit traurig. Andere müssen sich damit arrangieren, dass die Kinder erwachsen sind und das heimische Nest verlassen. Wieder andere müssen im Job zuschauen, wie sie von jüngeren Kollegen auf der Karriereleiter überholt werden. Nicht zuletzt werden in dieser Lebensphase auch viele Partnerschaften auf eine Probe gestellt. All das ist nicht leicht zu verarbeiten und sorgt zu Recht an manchen Tagen für schlechte Laune und Trübsinn. Die gute Nachricht: Das Seelentief ist zwar anstrengend, aber meist vorübergehend und hat nichts mit einer Erkrankung zu tun. Echte Depressionen kommen in den Wechseljahren nicht häufiger vor als in anderen Lebensabschnitten. Allerdings muss man wissen, dass Frauen, die schon einmal eine Depression hatten, jetzt leichter wieder in diesen Zustand abgleiten können, als Frauen, die solche Probleme noch nie hatten.
Laut einer weltweiten WHO-Studie stellt die Depression eine der Hauptursachen für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit dar. Doch was genau macht eine echte Depression aus? Die meisten Patienten können ihre Beschwerden zumindest zu Beginn der Erkrankung nicht richtig einordnen. Sie gehen mit unspezifischen Problemen wie Konzentrationsstörungen oder Müdigkeit zum Arzt, aber ihnen kann nicht geholfen werden, weil der eigentliche Grund nicht geklärt ist. Um Licht ins Dunkel zu bringen hilft das internationale Klassifikationssystem ICD-10. Hier werden zuerst die drei Hauptsymptome einer Depression aufgezählt:
Dazu gibt es sieben Zusatzsymptome:
Bei einer echten Depression klagen die Betroffenen über mindestens zwei Symptome aus beiden Gruppen. Die Beschwerden schwanken in ihrer Heftigkeit meist im Verlauf des Tages. Häufig ist das Stimmungstief morgens am stärksten ausgeprägt. Viele Patienten können sich kaum aufraffen, ihr Bett zu verlassen. Auf Grund des Appetitmangels kann es zu einer Gewichtsabnahme kommen. Stellen Frauen bei sich mindestens ein Haupt- und ein Nebensymptom fest, sollten sie sich zügig Hilfe suchen, entweder zuerst beim Hausarzt oder gleich bei einem Psychologen oder Psychotherapeuten. Je früher die richtige Diagnose feststeht und eine Behandlung eingeleitet wird, desto grösser die Chance auf eine schnelle Heilung. Da Depressionen von Mensch zu Mensch in ihrer Form variieren, gibt es auch nicht die eine richtige Therapie. Grundsätzlich gibt es aber zwei wesentliche Bestandteile, nämlich die psychotherapeutischen Verfahren und Medikamente. Die sogenannten Antidepressiva sollen die Hirnbotenstoffe wieder ins Gleichgewicht bringen, die bei der Erkrankung aus der Balance geraten sind.
Wenn Frauen feststellen, dass sie an keiner Depression leiden, müssen sie ihre Niedergeschlagenheit in den Wechseljahren aber auch nicht einfach hinnehmen. Viele Untersuchungen zeigen, dass Bewegung aus dem Tief herausholt. Zugegeben, es ist schwer, sich dazu zu motivieren, wenn man sich ohnehin schon nicht gut fühlt. Aber vielleicht ist der Gedanke ein Ansporn, dass es hinterher deutlich besser geht.
Ein weiterer Punkt ist es, auf eine gute Versorgung mit Vitamin D zu achten. Das „Sonnenvitamin" spielt eine zentrale Rolle bei der Produktion der Botenstoffe Serotonin und Dopamin, die beide einen grossen Anteil an unserem Wohlbefinden und der seelischen Ausgeglichenheit haben. Aktuelle Studien zeigen sogar, dass sich bei einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel das Risiko verdoppelt, an einer Depression zu erkranken. Vitamin D wird vom Körper selbst in der Haut gebildet, wenn sie von der Sonne bestrahlt wird. Im Winter ist das aber oft nicht ausreichend. Ausserdem wird die Haut mit steigendem Alter dünner, ihre Fähigkeit zur Vitamin-D-Bildung lässt dadurch nach. Und noch ein dritter Effekt kommt dazu, warum viele Menschen – und vor allem Frauen – zu wenig Vitamin D im Blut haben. Viele Kosmetikprodukte enthalten Lichtschutzfilter. Das ist bei starker UV-Strahlung natürlich sinnvoll. Aber wenn im Winter nur eine blasse Sonne scheint, man aber eine Tagescreme mit Lichtschutzfaktor 15 oder höher aufträgt, kommt fast nichts mehr in der Haut an. Vitamin D wird kaum noch produziert.
Den wichtigen Stoff in ausreichender Menge über die Nahrung aufzunehmen, ist auch nicht ganz einfach. Milchprodukte, Eier, manche Pilze und Fisch enthalten zwar ein bisschen, aber nicht viel. Ratsam ist es deshalb, beim Arzt den Vitamin-D-Spiegel bestimmen zu lassen und wenn nötig entsprechende Ergänzungspräparate einzunehmen.
Auch ein Mangel an B-Vitaminen scheint Niedergeschlagenheit zu begünstigen. Diese wichtigen Substanzen für den Nerven- und Energiestoffwechsel stecken vor allem in Vollkornprodukten, grünem Gemüse, Hülsenfrüchten und tierischen Produkten wie Fisch und Fleisch. Für eine gute Versorgung reicht meist eine ausgewogene Ernährung mit vielen frischen Lebensmitteln.