Schwitzen ist unangenehm, aber keine Krankheit. Das ist anders bei der Hyperhidrose. Dann schwitzt man mehr als normal. Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden darunter.
Text: Andrea Flemmer
Schweissnass gebadet – diesen Zustand hat wohl schon jeder mal erlebt. Wir schwitzen aus den unterschiedlichsten Gründen, etwa bei intensivem Sport, bei Fieber oder weil man sich in sommerlicher Hitze aufhält. Im Grunde ist der Schweiss lebensnotwendig: Er hilft dem Körper, Temperaturunterschiede auszugleichen, übermässige Wärme aus dem Körperinneren nach aussen abzuleiten und somit eine konstante Körpertemperatur zu halten.
Wir haben fast überall in der Haut Schweissdrüsen. Besonders viele davon findet man an den Handinnenflächen, den Fusssohlen und auf der Stirn. Sie geben eine salzhaltige Flüssigkeit ab. Diese verdunstet auf der Hautoberfläche und sorgt durch die Verdunstungskälte für Abkühlung. Zusätzlich enthält der wässrige Schweiss Mineralstoffe wie Kalzium und Magnesium. Die Folge ist, dass Menschen, die stark schwitzen, den Verlust an Flüssigkeit und Salzen durch Trinken wieder ausgleichen müssen, zum Beispiel mit Mineralwasser.
Es gibt eine weitere andere Art von Schweissdrüsen: diejenigen unter den Achseln und im Genitalbereich. Sie scheiden neben Wasser und Salzen ein eher fetthaltiges Sekret aus. Es ist eigentlich geruchlos, aber wenn Bakterien Zeit bekommen die Inhaltsstoffe abzubauen, beginnt das Sekret zu duften.
Wie und wann die Schweissdrüsen aktiv werden, regelt das vegetative Nervensystem, auf das wir keinen Einfluss haben.
Bei einer Hyperhidrose schwitzen die Betroffenen massiv untertags, nachts dagegen in der Regel nicht. Das kann schon in der Kindheit oder Jugend beginnen. Vor allem die Handflächen, Fusssohlen und/oder Achseln, Stirn und Kopf sind immer wieder feucht bis nass. Dies beeinträchtigt das Alltagsleben deutlich: Man will keine Hände schütteln, der Kontakt zu anderen ist erschwert.
Leider weiss man nach wie vor nicht, welcher spezifische Defekt im Körper zu einer Hyperhidrose führt. Das heisst, man weiss nicht, ob die Ursache der übermässigen Schweissbildung eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems ist oder ob die Schweissdrüsen dies verursachen.
Man unterscheidet zwei Formen der Hyperhidrose. Zum einen die sogenannte primäre Hyperhidrose, d.h. grundlos starkes Schwitzen. Ohne dass man die Ursache kennt, produzieren die Schweissdrüsen bei diesem Störungsbild mehr Schweiss als es im Rahmen der natürlichen Körpervorgänge notwendig und zu erwarten wäre. Bereits geringfügige Reize, z.B. wärmere Temperaturen, positive / negative Gefühlsregungen oder ein Treffen mit anderen Menschen können ausreichen, um die Schweissbildung hochzutreiben.
Leidet man unter dieser Form der Hyperhidrose, schwitzt man anfallartig mehrmals in der Woche oder am Tag, meist an bestimmten Stellen, zum Beispiel nur unter den Achseln. Ähnliches kann auch an beiden Handflächen, an den Fusssohlen und / oder auf der Stirn und am Kopf der Fall sein. Nicht so häufig sind Schweissattacken am ganzen Körper. Ist die Erkrankung sehr intensiv, bilden sich nicht nur Schweissperlen, sondern der Schweiss fliesst regelrecht.
Leider sind die durchschwitzten Hautstellen zusätzlich anfälliger für Pilzerkrankungen und Geschwüre. Wie man sich unschwer vorstellen kann, kommen bei der belastenden Situation häufig psychische Probleme wie Ängste oder Depressionen hinzu. Relativ häufig ziehen sich Menschen mit primärer Hyperhidrose mehr und mehr von anderen zurück, um nicht in unangenehme Situationen zu geraten.
Die andere Form ist die sekundäre Hyperhidrose. Dabei ist man immer wieder tropfnass und schwitzt am ganzen Körper. Diese Krankheitsform entsteht entweder bei einer körperlichen Veränderung und Belastung, etwa in den Wechseljahren, bei Übergewicht, bei Stress oder als Symptom einer bestimmten Erkrankung. Verantwortlich sind oft Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, etwa eine Schilddrüsenüberfunktion, Infektionen, Nervenstörungen, ein Krebsleiden oder psychische Erkrankungen.
Die wichtigsten Ursachen für die sekundäre Hyperhidrose sind Übergewicht bis hin zu Fettsucht, Alkoholkonsum bis hin zum -missbrauch, Stress im Beruf bzw. seelische Belastungen im Privatleben bis hin zum Burn-out, Schwangerschaft, Wechseljahre, Testosteronmangel, eine übereifrige Schilddrüse (Basedow-Krankheit bzw. Hashimoto-Thyreoiditis) und Diabetes.
Auch als Nebenwirkung einiger Medikamente kann eine sekundäre Hyperhidrose auftreten, z.B. infolge der Einnahme von Hormon- und Kortisonpräparaten, Schilddrüsenmitteln, Antidepressiva, starken Schmerz- und einiger Parkinsonmittel sowie von Medikamenten gegen Psychosen und Erregungszustände und durchblutungsfördernder Mittel.
Wertvolle Tipps und Informationen für die Frau in den Wechseljahren. 1 x pro Monat – kostenlos für Sie!
Der erste Ansprechpartner ist meist der Hausarzt. Man wird zu Beschwerden, Lebensumständen und Krankengeschichte befragt. Dazu kommt eine gezielte körperliche Untersuchung. Es gibt auch Tests, die es ermöglichen, stark betroffene Körperflächen und Schweissmengen zu bestimmen, etwa den Jod-Stärke-Test. In dessen Rahmen werden eine Jodlösung und Stärkepulver aufgetragen; der betroffene Körperbereich verfärbt sich entsprechend.
Falls erforderlich, wird Ihr Arzt Sie zu einem Spezialisten überweisen.
Die Phytotherapie verwendet traditionell eine Reihe von Pflanzen gegen das Schwitzen, u.a. Eichenrinde und Walnussblätter. Beide enthalten viele Gerbstoffe, welche schweisshemmend wirken.
Anwendung: Für einen Walnussblättersud nimmt man 4 EL Walnussblätter und kocht sie in 1 l Wasser auf. Diese Mischung lässt man abkühlen und siebt die Blätter ab. In dem Sud badet man Hände und Füsse oder wäscht die Achseln damit.
Ähnlich verfährt man mit Eichenrinde.
Anwendung: 200 g Rinde mit 1 l Wasser in einen Topf geben, die Mischung aufkochen und abkühlen. Blätter absieben und die Mischung für ein Bad oder eine Waschung nutzen.
Eichenrinde kann man auch als Tee zu sich nehmen. Er schmeckt jedoch nicht gut, so dass Fertigarzneimittel als Tabletten oder Kapseln eher angeraten sind. Eichenrinde sollte man aufgrund ihrer gerbenden und austrocknenden Wirkung nicht länger als zwei bis drei Wochen anwenden.
Auch die Virginische Zaubernuss (Hamamelis virginiana) hat einen hohen Gehalt an Gerbstoffen in ihren Blättern sowie Zweigen und sollte daher gegen Hyperhidrose helfen. Man bekommt sie fertig als Salbe oder Creme, als alkoholische Tinktur, Tee und als homöopathisches Mittel.
Da es bei empfindlichen Personen bei innerlicher Anwendung zu Magenbeschwerden kommen kann, sollte man die Zaubernuss besser nur in Form von Bädern, Kompressen und Umschlägen einsetzen.
Allergische Reaktionen gegen Hamamelisprodukte sind möglich.
Anwendung: Für Umschläge 5 bis 10 g Hamamelisrinde mit ¼ l heissem Wasser übergiessen, 10 Minuten ziehen lassen. Hamameliswasser unverdünnt oder mit Wasser 1:3 verdünnen, dann als Umschlag oder Kompresse verwenden.
Für ein Bad 20 bis 50 g Rinde in 250 bis 500 ml heissem Wasser aufbrühen, 10 bis 15 Minuten ziehen lassen, dem Bad zugeben.
Einfache Variante: 20 bis 30 ml käuflichen Hamamelisfluidextrakt oder 20 ml Hamamelisessenz ins Badewasser geben.
Salbei wird seit Jahrhunderten genutzt, wenn es ums Thema Schwitzen geht, besonders in den Wechseljahren. Es gibt zahlreiche Studien, die die antitranspirative Wirkung von Salbei bestätigen. Salbei wirkt desinfizierend und adstringierend (zusammenziehend). Anwendungen mit der Pflanze können helfen, den Schweissfluss etwa um die Hälfte zu reduzieren, zeigen Studien. Besonders hilfreich sind Extrakte, die aus frischem Kraut gewonnen werden.
Generell ist gegen eine langfristige Therapie mit Salbei-Zubereitungen nichts einzuwenden, so lange die tägliche Obergrenze der Aufnahme von Thujon (Salbei-Inhaltsstoff) von 6 mg pro Person nicht überschritten wird.
(In Produkten von A.Vogel wird Thujon stark abgereichert, da es als flüchtige Komponente während des Herstellungsprozesses fast vollständig entfernt wird.)
In der traditionellen Heilkunde gilt ein Tee von Salbeiblättern als sehr wirkungsvoll gegen alle Formen von Schwitzen.
Anwendung: 1 TL Blätter mit 150 ml kochendem Wasser übergiessen, 10 Minuten ziehen lassen, abseihen. Dreimal täglich eine Tasse davon trinken. Circa vier Wochen anwenden, dann eine Weile pausieren. Salbeiaufguss kann man auch äusserlich als Waschung, Kompresse oder Fussbad nutzen.
Neben der Phytotherapie stellt die Akupunktur eine wichtige Behandlungsmöglichkeit bei Hyperhidrose dar. An bestimmten Körperstellen kann man mithilfe von dünnen Nadeln einen Reiz setzen, der die körpereigenen Regelvorgänge steuernd beeinflusst. Daher empfehlen Experten Akupunktur insbesondere bei Fällen von nervös bedingtem starkem Schwitzen. Es dauert meist nicht lange, bis sich durch die entspannende und beruhigende Wirkung der Akupunkturbehandlung eine Wirkung einstellt, oft schon nach vier bis sechs Behandlungen. In der Regel werden acht bis 14 Nadeln gesetzt, die etwa 15 bis 20 Minuten am Körper verbleiben. Dabei ist das Setzen der Nadeln mit einem kurzen Schmerzreiz verbunden. Dieser Reiz ist in etwa mit dem Zupfen eines Haares vergleichbar. Ist die Nadel gesetzt, spürt man sie als Patient (normalerweise) nicht oder kaum. Auch das Ziehen der Nadeln ist schmerzfrei.
Die Behandlung der Hyperhidrose ist für einen geschulten Akupunkturarzt weit mehr als eine Symptombehandlung oder eine Entspannungstherapie. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird das Symptom Schwitzen in ein allgemeines Krankheitsgeschehen eingeordnet. Das bedeutet, dass die so gefundene Krankheitsursache bei erfolgreicher Behandlung die generelle körperliche Situation des Patienten verbessern kann.
Die Kneippschen Güsse sollen eine enorme Hilfe bei Hyperhidrose sein. Wir geben Beispiele.
Kneippscher Gesichtsguss: Für diesen schnellen Guss lässt man einen kalten Wasserstrahl gleichmässig über das Gesicht laufen. Man beginnt von rechts über die Stirn nach links und das mehrfach wiederholen. Damit wird man auch wach und stärkt den Körper gegen Infekte im Winter. Wichtig mit Blick auf die Hyperhidrose ist eine regelmässige Anwendung. Die Wassertemperatur liegt dabei zwischen 16 bis 17 Grad Celsius.
Wassertreten: Neben den Gesichtsgüssen kann man auch weitere klassische Kneipp-Anwendungen selbst durchführen. Allerdings benötigt man dafür eine Kneippsche Wassertretanlage. Dann taucht man zuerst den rechten, herzfernen Fuss ins Wasser, beginnend mit den Fussspitzen und „stolziert" durch die Anlage. Nach jedem Schritt zieht man den Fuss wieder ganz aus dem Wasser heraus.
Richtig auskühlen sollte man dabei nicht, denn dies würde den Organismus schwächen. Drei bis maximal fünf Minuten pro Anwendung sind genug.
Kaltes Armbad: Ein kaltes Armband können Betroffene ganz einfach selbst im heimischen Badezimmer durchführen: Ausatmen, erst den rechten, dann den linken Arm bis zur Mitte der Oberarme in kaltes Wasser tauchen, im Kreis bewegen und wieder aus dem Wasser ziehen. Dabei werden auch Herz und Lunge gut durchblutet.
Liegt eine sekundäre Hyperhidrose vor, erfolgt die Therapie nach Möglichkeit in Abhängigkeit der Grunderkrankung (Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Krebs, Schilddrüsenüberfunktion etc.). Handelt es sich um das primäre Beschwerdebild oder kann die ursächliche Therapie bei sekundärer Hyperhidrose das Schwitzen nicht ausreichend lindern, stehen konservative (nicht-operative) und chirurgisch operative Behandlungsmethoden zur Auswahl.
Oft eingesetzt werden schweissstoppende Mittel, z.B. Antitranspirante, die Aluminiumchlorid enthalten. Man erhält sie als Deoroller, Gel, Pulver oder Lotionen und trägt sie auf die stark schwitzenden Hautpartien auf. (Aluminium wird immer wieder mit der Entwicklung von Alzheimer und der Entstehung von Brustkrebs in Verbindung gebracht, gilt als nervenschädigend und hautirritierend. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hält eine Aufnahmemenge von 1 mg Aluminium je kg Körpergewicht pro Woche für tolerierbar. Das entspricht einer täglichen Dosis von etwa 8,6 µg/Mikrogramm pro Tag bei einen 60 kg schweren Erwachsenen.)
Ist der ganze Körper von der übermässigen Transpiration betroffen, setzen Fachärzte auch Beruhigungsmittel (Sedativa) sowie Medikamente ein, die das Nervensystem beeinflussen (Anticholinergika, sind jedoch nur eingeschränkt wirsam und können Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen verursachen).
Gängig ist heute die Injektion von Botulinumoxid A («Botox»). Damit wird die Ausschüttung des zuständigen Nervenbotenstoffs Acetylcholin verhindert und die Schweissdrüsen gelähmt. Diese Vorgehensweise hat sich tatsächlich oft als wirksam erwiesen und hält drei bis sechs Monate an. Oft benötigt man jedoch wiederholte Injektionen im Bereich der Arme oder Unterarme. Da es sich bei dem Stoff um ein Nervengift handelt, sind Nebenwirkungen/Langzeitfolgen nicht ausgeschlossen.
Betrifft die Symptomatik hauptsächlich Hände und Füsse, kommt die sogenannte Iontophorese zum Einsatz. Dabei wird schwacher Gleichstrom in einem Wasserbad durch die betroffenen Hautbereiche geleitet.
Bei einer chirurgischen Therapie kann z.B. Achselschweiss durch das Entfernen der Schweissdrüsen gestoppt werden (Schweissdrüsenexzision). Sind Hände oder Gesicht betroffen, gibt es die Möglichkeit, gezielt den Sympathikusnerv in seinem Verlauf zu blockieren. Dann kann der Nerv den Schwitzimpuls nicht mehr vom Gehirn aus weiterleiten (Endoskopische transthorakale Sympathektomie/ETS).
Die Erfolgsaussichten sind Fachärzten zufolge recht gut. So kann übermässiges Schwitzen an den Händen in etwa 90 bis 95 Prozent der durchgeführten Operationen beseitigt werden, übermässiges Schwitzen unter den Achseln in etwa 75 bis 80 Prozent der Fälle. Allerdings kommt es auch vor, dass das unterbundene Schwitzen nach dem Eingriff an anderen Stellen auftritt (kompensatorisches Schwitzen).
Ein Arztbesuch ist erforderlich, wenn
Leidet man unter Hyperhidrose, ist es wichtig, den Lebensstil anzupassen. Das bedeutet in der Regel: Idealgewicht halten oder bedarfsgerecht abnehmen, sich mediterran ernähren, auf scharf gewürzte Gerichte sowie Alkohol und übermässigen Kaffeekonsum verzichten. Auch regelmässige Bewegung ist wichtig.
Achten sollte man zudem auf die Kleidung: luftdurchlässige Garderobe aus Naturmaterialien reduziert den Schwitzdrang und beugt Hautreizungen vor.
Zuletzt aktualisiert: 28-11-2023