Immer fest mit beiden Beinen auf dem Boden gestanden und dann plötzlich so verunsichert? Viele Frauen können gar nicht einordnen, was mit ihnen los ist, wenn sie sich ohne handfesten Grund ängstlich fühlen. Was viele nicht wissen: Angst und manchmal sogar Panikattacken sind eine häufige Begleiterscheinung der Wechseljahre. Auslöser dafür sind zwar vor allem die hormonellen Veränderungen, aber Experten gehen davon aus, dass zusätzlich auch die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden die Seele belasten kann. Ganz hilflos sind die Betroffenen dem aber nicht ausgeliefert.
Autorin: Annette Willaredt
Die Veränderungen, die auf Frauen in den Wechseljahren zukommen, wurden sehr lange tabuisiert. Man sprach früher einfach nicht darüber. Und das hatte den Effekt, dass viele Beschwerden die Frauen ganz unvorbereitet trafen. Es hat sich zwar einiges geändert. Heute wird klar informiert, dass sich in dieser Zeit der Hormonhaushalt verändert. Und das führt zu den verschiedensten körperlichen Erscheinungen. Ganz oben auf der Liste stehen Hitzewallungen, Schweissausbrüche und Schlafstörungen. Die heutigen Frauen wissen das und können sich darauf einstellen.
Ganz anders ist das mit den seelischen Begleiterscheinungen der Wechseljahre. Hier hat das Tabu immer noch Bestand. Dass Frauen in dieser Lebensphase öfter mal reizbar oder nervös sind, hat man vielleicht schon gehört. Dass es aber gar nicht selten dazu kommt, dass Frauen plötzlich ängstlich werden, ist eher unbekannt. Gestandene Powerfrauen, die bisher Beruf und Familie spielend gemeistert haben, sind von einem Tag auf den anderen total verzagt. Sie trauen sich nichts mehr zu, haben Angst vor dem nächsten Tag, stellen sich keiner Herausforderung mehr. Bei manchen kommt es in dieser Zeit sogar zu regelrechten Panikattacken. Sie schnüren die Joggingschuhe und wollen wie immer durch den Park laufen. Und plötzlich beginnen sie zu zittern, schaffen es nicht mehr, das Haus zu verlassen, weil die Angst zu gross ist. Nach ein paar Minuten ist der Spuk meist vorbei. Das zuvor heftig pochende Herz schlägt langsam wieder ruhiger, die Panik ebbt ab. Doch ein solches Erlebnis nimmt einem sehr viel Selbstvertrauen. Und die Angst vor einer neuen Attacke ist gross.
Dass diese Symptome mit den Wechseljahren zusammenhängen, ist den wenigsten Betroffenen klar. Manch eine Frau fürchtet deshalb, langsam verrückt zu werden. Zumal solche psychischen Beschwerden oft schon auftreten, wenn es noch keine deutlichen körperlichen Anzeichen für die Wechseljahre gibt.
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Ausgelöst werden Ängstlichkeit und Panik hauptsächlich von dem sich verändernden Hormonspiegel. In der ersten Phase der Wechseljahre kommt es oft kurzfristig zu einem Überschuss des Hormons Östrogen. Dieses Hormon hemmt Botenstoffe, die angstlösend wirken und beruhigen. So können sich leicht innere Unruhe und Ängste entwickeln. Später in den Wechseljahren stellen die Eierstöcke ihre Arbeit nach und nach ein. Es wird deshalb immer weniger Östrogen produziert. Spätestens jetzt spüren Frauen die Veränderungen auch körperlich. Die Regel wird unregelmässiger und bleibt nach einiger Zeit ganz aus. Ein Zuwenig an Östrogen beeinflusst das psychische Empfinden negativ. Wieder ist innere Unruhe und Ängstlichkeit zu nennen. Dazu kommt, dass viele Frauen – bedingt durch Hitzewallungen und Schweissausbrüche – häufig unruhige Nächte haben und mehrmals aufwachen. Auch das belastet die Psyche.
Neben den hormonellen Veränderungen haben viele Frauen in dieser Lebensphase auch noch mit weiteren Faktoren zu kämpfen, die ihre seelische Stabilität beeinflussen. Bei manchen gehen die Kinder aus dem Haus, der bisherige Lebensmittelpunkt verschiebt sich deutlich. Andere machen im Job den nächsten Karriereschritt. Auch das kann zumindest vorübergehend für Verunsicherung führen. Wieder andere erleben, dass ihre Eltern krank werden oder sogar versterben. All das kann das psychische Gleichgewicht stören.
Für viele Frauen ist es schon eine sehr grosse Erleichterung, wenn sie wissen, dass ihre plötzliche Ängstlichkeit mit der hormonellen Umstellung zusammenhängen kann. Sie können die Symptome dann viel gelassener hinnehmen, müssen nicht befürchten, dass sie jetzt eine psychische Störung entwickeln. Bei Panikattacken ist es jedoch immer sinnvoll, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychotherapeuten können dabei helfen, die Probleme richtig einzuordnen. Eventuell ist es vorübergehend auch nötig, Medikamente einzunehmen.
Aber was können Frauen machen, damit ihre Ängste und Verunsicherungen wieder verschwinden? Bewährt haben sich alle Strategien, die auch bei der Bewältigung von Stress helfen. Dazu gehören Entspannungstechniken wie z.B. Autogenes Training oder Feldenkrais.
Sehr gute Erfahrungen machen viele Frauen mit Achtsamkeitstraining. Ein Klassiker ist hier der Body-Scan: Für die Übung braucht man rund 30 Minuten Zeit. Man legt sich z.B. auf eine Matte am Boden oder eine flache Liege. Die Beine werden ausgestreckt, die Arme liegen neben dem Körper. Nun die Augen schliessen und den Atem ruhig fliessen und die Gedanken kommen und gehen lassen. Nach ein bis zwei Minuten richtet man seine Aufmerksamkeit auf seinen rechten Fuss. Wie fühlt er sich an? Wie genau liegt er? Ist er warm oder eher kalt? Es geht nur darum, sich den Zustand des Fusses genau bewusst zu machen, ohne etwas zu ändern. Danach durchwandert man in Gedanken mit der gleichen Aufmerksamkeit die Wade, das Knie, das restliche Bein bis zur Hüfte. Es folgt das andere Bein. Nun konzentriert man sich auf das Becken, den Rücken, Bauch, Brust, Schultern, die Arme, den Nacken, den Hinterkopf, die Stirn und jeden Teil des Gesichtes bis zum Kehle. Abschließend stellt man sich vor, bei jedem Atemzug frische, positiv aufgeladene Luft einzuatmen und Belastendes, Störendes sowie Schädliches auszuatmen und damit abzugeben. Dann die Augen öffnen, sich etwas strecken und recken und dann aufstehen. Wer es schafft, die Übung möglichst täglich durchzuführen, wird bald seelisch viel ausgeglichener sein und neue Energie verspüren.
Stellen Frauen an sich aber „nur" eine stärkere Verzagtheit fest oder sind sie innerlich unruhiger als sonst, sollten sie sich beobachten und überprüfen, ob die psychische Veränderung den Alltag deutlich beeinträchtigt. Ist das der Fall, ist ebenfalls ein Arztbesuch ratsam. Kommt man hingegen nach wie vor ganz gut durch sein Leben, kann man versuchen, die Seele in Eigenregie zu stabilisieren. Gute Möglichkeiten sind hier Entspannungsübungen wie Meditation. Sehr viele Frauen profitieren auch von einem täglichen Spaziergang in der Natur.
Aus Japan kommt der Trend des „Waldbadens". Meint: ein Aufenthalt im Wald, bei dem man seine Umgebung mit allen Sinnen aufnimmt. Neue Forschungen zeigen, dass nicht nur die Ruhe und die Entspannung positiv auf die Psyche wirken. Die Bäume geben auch aktiv Stoffe ab, die wir dann mit der Atemluft aufnehmen und die Körper und Seele gut tun. Ebenfalls zu den wohltuenden Kräften der Natur gehören Heilpflanzen. Angstlösend wirkt beispielsweise Lavendel. Auch die Melisse wirkt gut gegen innere Unruhe. Baldrian und Passionsblume wiederum helfen, einen erholsamen Schlaf zu fördern.
Zuletzt aktualisiert: 22-10-2024