Viele Frauen über 45 Jahre kennen das: Sie sind ständig müde und erschöpft, haben oft das Gefühl, den Alltag nur schwer bewältigen zu können. Dafür können in den Wechseljahren ganz verschiedene Ursachen verantwortlich sein. Wer um sie weiss, kann wirksam gegensteuern.
Autorin: Annette Willaredt
Sich dauernd müde und angeschlagen zu fühlen, ist auf Dauer eine grosse Belastung. Ganz alltägliche Dinge gehen nicht mehr so leicht von der Hand wie gewohnt. Die täglichen Herausforderungen im Job, denen man früher problemlos gewachsen war, stellen eine riesige Hürde dar. Und auch im Kontakt mit Partner und Familie sowie in der Freizeitgestaltung haben die Betroffenen oft zu nichts mehr richtig Lust. Sind Frauen über 45, liegt es nahe, die Dauermüdigkeit auf die Wechseljahre zurückzuführen. Doch für eine effektive Hilfe ist es nötig, genauer hinzuschauen.
Die Wechseljahre sind eine Zeit der grossen körperlichen Umstellungen. Ganz zentral ist hier natürlich die Veränderung des Hormonhaushaltes. Das weibliche Geschlechtshormon Östrogen hat beispielsweise Einfluss auf den Schlafrhythmus. Es fördert den natürlichen Ablauf der nächtlichen Schlafphasen. Sinkt der Östrogenspiegel in den Wechseljahren, können die Schlafphasen durcheinandergeraten, der Schlaf ist weniger tief und man wacht am Morgen wenig erholt und wie zerschlagen auf. Dazu kommt, dass in dieser Zeit viele Frauen nachts unter Schwitzattacken leiden und deshalb einmal oder sogar mehrmals aufwachen. Auch das kann für Müdigkeit am Tage sorgen. Abhilfe können hier Baldrian, Hopfen oder Melisse bieten, sie wirken regulierend auf den Schlaf. Der Salbei ist ein natürliches Mittel gegen Hitzewallungen. Ratsam ist ausserdem reichlich schweisstreibende Bewegung. Zum einen trainiert Sport die Blutgefässe und stärkt den Kreislauf. Beides wirkt direkt auf den „Temperaturregler“ im Kopf – er wird nicht mehr so leicht aus dem Gleichgewicht gebracht, die Schwitzattacken nehmen ab. Zum zweiten ist körperliche Aktivität mit das beste natürliche Schlafmittel. Einzige Regel: Kein Sport in den drei Stunden vor dem Schlafengehen. Sonst läuft der Kreislauf noch auf vollen Touren, der Körper findet dann keine Ruhe. Zusätzlich können Entspannungsübungen wie Meditation oder autogenes Training sehr gut nächtlicher Unruhe entgegenwirken.
Die sinkende Produktion von Sexualhormonen sorgt bei vielen Frauen aber auch ganz direkt – ohne eine Beeinträchtigung des Schlafes – für Müdigkeit. Der Stoffwechsel stellt sich in dieser Lebensphase um, die nötige Anpassung an diese Veränderungen ist für den Organismus anstrengend. Zusätzlich kommt es in den Wechseljahren begleitend nicht selten zu einer Störung der Schilddrüsenfunktion. Was wenig bekannt ist: Schon eine leichte Unterfunktion macht schlapp und senkt das Leistungsvermögen. Man fühlt sich unausgeschlafen trotz ausreichender Nachtruhe. Weitere typische Symptome für Schilddrüsenprobleme sind Haarausfall, brüchige Nägel, eine kühle, blasse Haut, Gedächtnisschwäche, chronische Verstopfung sowie Gewichtszunahme. Diese Beschwerden können, müssen aber nicht alle gleichzeitig auftreten. Zu empfehlen ist in diesem Fall eine Überprüfung der Schilddrüsenwerte per Bluttest. Der Arzt wird zusätzlich den Hals abtasten, um eine Vergrösserung des etwa nussgrossen Organs unter dem Kehlkopf auszuschliessen. Auch eine Ultraschalluntersuchung gehört bei auffälligen Blutwerten zum Programm. Behandelt wird mit Schilddrüsenhormonen (L-Thyroxin) in Tablettenform. Zusätzlich ist meist eine bessere Versorgung mit Jod ratsam, denn der Körper benötigt das Spurenelement zum Aufbau von Schilddrüsenhormonen. Jod steckt vor allem in Meeresfisch und Meeresfrüchten. Eine Alternative für Vegetarier sind Algen. Manchmal verschreibt der Arzt auch ein Jodpräparat. Neuere Studien zeigen ausserdem, dass die Schilddrüse auf Selen angewiesen ist, um gut zu arbeiten. Auch dieses Spurenelement findet sich in Seefisch, aber auch z.B. in Lammfleisch, Champignons oder Naturreis. Einer der Spitzenreiter im Selengehalt sind zudem Paranüsse.
Besonders zu Beginn der Wechseljahre kann auch Eisenmangel ein Auslöser für ständige Müdigkeit sein. In dieser ersten Phase der hormonellen Umstellung wird die Menstruation oft nicht nur unregelmässiger, sondern auch stärker. Manche Frauen leiden sogar unter wochenlang anhaltenden Blutungen. Durch diesen erhöhten Blutverlust verliert die Körper übermässig viel Eisen. Dazu muss man wissen: Das Spurenelement Eisen ist im Körper erforderlich, um den roten Blutfarbstoff Hämoglobin zu produzieren. Hämoglobin ist der „Transporter“ für den Sauerstoff, mit dem das Blut den ganzen Körper versorgen muss. Die einfache Gleichung lautet: Weniger Eisen = weniger Hämoglobin = weniger Sauerstoff. Typische Folgen sind neben Blässe, Konzentrationsproblemen und Kopfschmerzen eben auch Müdigkeit. Frauen sollten in den Wechseljahren deshalb darauf achten, dass sie ausreichend mit Eisen versorgt sind. Gute Quellen sind z.B. grünes Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte oder rotes Fleisch (Rind, Lamm).
Eisen wird übrigens vom Körper besser aufgenommen, wenn man gleichzeitig Vitamin C zu sich nimmt – z.B. in Form eines Glases Orangensaft zum Essen oder einem Stück Obst zum Nachtisch. Allerdings nutzt ein reichlicher Genuss von eisenhaltigen Lebensmitteln oft nicht viel, wenn die Eisenspeicher bereits leer sind und sich eine sogenannte Anämie entwickelt hat. Deshalb ist bei Verdacht auf einen Mangel ein Besuch beim Arzt sinnvoll, um die Blutwerte überprüfen zu lassen. Beheben lässt sich ein Mangel relativ schnell mit einem Eisenpräparat, das kurmässig ein paar Wochen eingenommen wird. Auf eigene Faust sollte man aber nicht zu Eisenpräparaten greifen. Eine Überdosierung kann Leber, Herz oder Bauchspeicheldrüse schädigen.
Ein gar nicht seltener Grund für bleierne Müdigkeit ist Flüssigkeitsmangel. Gerade Frauen, die unter häufigen Schweissausbrüchen leiden, unterschätzen, wie viel Flüssigkeit sie dabei verlieren. Wer mehrmals in der Nacht klatschnass wird, bei dem summiert sich der Verlust schnell auf über einen oder sogar zwei Liter. Ein gesunder Erwachsener braucht aber schon ohne sich besonders anzustrengen oder zu schwitzen mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit am Tag. Betroffene Frauen sollten ihre Trinkmenge deshalb entsprechend anpassen. Weil mit dem Schweiss auch immer Mineralien verloren gehen, ist es sinnvoll, auf eine mineralstoffreiche Ernährung zu achten. Besonders zu empfehlen sind frisches Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte.