Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine Virusinfektion, die fast ausschließlich von infizierten Zecken übertragen wird. Mehr zu URsachen, Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten.
Stechen die winzigen Blutsauger zu, können sie den Erreger mit ihrem Speichel weitergeben. Das FSME-Virus gehört zu der Gruppe der Flaviviren und ist verwandt mit den Erregern des Dengue- und Gelbfiebers. Neben dem in unseren Breiten vorkommenden zentraleuropäischen FSME-Subtyp gibt es auch noch weitere Subtypen. Bekannt ist vor allem der sibirische Subtyp, da er häufig schwerere Erkrankungen auslöst (Russian Spring Summer Encephalitis, RSSE).
Die kleinen Blutsauger sind vor allem im Frühling und Sommer aktiv. Deshalb häufen sich die Krankheitsfälle in diesen Jahreszeiten. Eine gewisse Infektionsgefahr besteht aber auch im Herbst und selbst im Winter. Die «Minivampire» nehmen das Virus beim Blutsaugen auf und geben es bei der nächsten Blutmahlzeit weiter. Es wird aus den Speicheldrüsen der Zecken abgegeben. Häufig bleiben die winzigen Plagegeister unbemerkt – vor allem dann, wenn sie sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden und mit blossem Auge kaum zu erkennen sind. Viele FSME-Patienten können sich gar nicht an einen Stich erinnern.
Die Übertragung von FSME durch virusbelastete Milchprodukte tritt in Deutschland, Österreich und der Schweiz so gut wie nicht auf. Eine Infektion ist über Rohmilch von Ziegen und Schafen, in Ausnahmefällen auch von Kühen, möglich. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch gibt es nicht.
In der Regel fängt man sich den Krankheitserreger durch den Stich einer Zecke ein.
Das FSME-Virus wird von infizierten Zecken beim Blutsaugen übertragen, hierzulande vor allem vom gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus). Zecken leben im hohen Gras, in Büschen, Hecken und in Wäldern. Oft infizieren sich Menschen daher bei Aktivitäten in der Natur – beispielsweise beim Joggen, Wandern oder beim Camping. Infektionen kommen jedoch genauso im heimischen Garten oder in einem Park mitten in der Stadt vor. Nur Regionen oberhalb von circa 1200 Metern über dem Meeresspiegel sind praktisch «zeckenfrei».
Das FSME-Virus löst nicht immer Symptome aus. Die Meisten spüren gar nichts von der Infektion.
Etwa 30% der Betroffenen leiden zunächst unter grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Nach einer vorübergehenden Besserung bekommen sie einige Tage später erneut Fieber, dann oft mit hohen Temperaturen. Hirnhäute und Gehirn können sich entzünden (der Fachbegriff dafür lautet: Meningoenzephalitis). In manchen Fällen ist auch das Rückenmark betroffen (medizinisch: Myelitis). Je nach Schwere der Krankheit kommt es zu starken Kopf- und Nackenschmerzen, Übelkeit, Bewusstseinsstörungen, Krampfanfällen oder Lähmungen.
Bei der Mehrzahl der Patienten heilt die Krankheit glücklicherweise vollständig wieder aus. Trotzdem ist FSME keine Bagatelle. Ist das zentrale Nervensystem betroffen, können Schäden zurückbleiben. Die Krankheit endet in durchschnittlich einem Prozent der Fälle sogar tödlich. Vor allem ältere Menschen über 50 Jahre, und darunter insbesondere die Männer, sind von schweren Verläufen bedroht. FSME ist meldepflichtig. Jährlich erkranken in Deutschland einige hundert Personen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher, denn die Symptome können bei einem milden Verlauf leicht mit einer gewöhnlichen «Sommergrippe», also einem grippalen Infekt verwechselt werden.
Die FSME kann in zwei Krankheitsphasen ablaufen.
Rund drei Viertel der Infizierten spüren gar keine Beschwerden. Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber – so kann sich FSME bemerkbar machen:
Nur etwa 30% der Infizierten bemerken Symptome. Sie erkranken ein bis zwei (maximal vier) Wochen nach dem Zeckenstich an grippeähnlichen, unspezifischen Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und leichtem Fieber. Die Symptome erinnern oft an eine Erkältung, die FSME kann deshalb leicht damit verwechselt werden. Diese erste Phase dauert etwa eine Woche. Danach ist die Krankheit entweder überstanden oder es folgt zunächst ein beschwerdefreies Intervall von ein bis drei Wochen.
Das Virus befällt nun das zentrale Nervensystem. Der weitere Verlauf hängt stark davon ab, welche Strukturen betroffen sind: Es kann zu einer Hirnhautentzündung (Meningitis) kommen. Sie äussert sich in hohem Fieber, starken Kopfschmerzen, Schwindel, Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Rücken- und Nackenschmerzen. Die meisten Patienten fühlen sich sehr krank. Ein Teil der Patienten erleidet eine Hirnhaut- und Hirnentzündung (Meningoenzephalitis), bei der neben den Beschwerden der Hirnhautentzündung auch noch Lähmungen, Sprachstörungen, Wesensveränderungen, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auftreten können. Bei einigen Erkrankten kommt es zu einer Entzündung des Gehirn- und Rückenmarkgewebes (Meningoenzephalomyelitis, Meningoradikulitis).
Die Symptome können in diesem Fall zusätzlich die willkürlich gesteuerte Muskulatur betreffen: Lähmungen der Arme, Beine und des Schulterbereiches (ähnlich einer Kinderlähmung), aber auch Schluck- und Sprechstörungen sowie schlimmstenfalls eine Atemlähmung, können auftreten. Die Beschwerden bestehen manchmal über Monate. Diese Verlaufsform hat die insgesamt schlechteste Prognose. Vor allem bei (älteren) Erwachsenen bleiben in bis zu einem Drittel der Fälle Schäden zurück. Eine Spontanheilung ist aber selbst nach Monaten noch möglich.
Kinder erkranken meistens nicht so schwer wie ältere Menschen. Je höher das Lebensalter der Betroffenen, desto häufiger sind komplizierte Verläufe und anhaltende Probleme. Doch auch nach einer vermeintlich leichten Erkrankung kann es dauern, bis sich die Patienten wieder belastbar und gesund fühlen.
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Die Krankheit ist nicht immer leicht zu erkennen. Aus dem Arztgespräch können sich erste Hinweise auf FSME ergeben.
Im Gespräch erkundigt sich der Arzt vor allem nach den genauen Beschwerden, nach Zeckenstichen in der jüngeren Vergangenheit und Aufenthalten in FSME-Risikogebieten. Oft ergibt sich daraus bereits der Verdacht auf eine FSME. Es folgt die genaue körperliche Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf neurologische Auffälligkeiten. Die Blutuntersuchung liefert meistens allgemeine Hinweise auf eine Entzündung. Ausserdem kann das Blut auf FSME-spezifische Antikörper oder typische Mengenverschiebungen bei den einzelnen Antikörpergruppen überprüft werden.
Am Beginn der Krankheit lässt sich das Virus im Blut auch direkt nachweisen – was aber aufwändiger ist und in der Regel nur in Ausnahmefällen erfolgt. Die genannten Untersuchungen sind auch am Gehirnwasser möglich, das – falls nötig – durch einen kleinen Einstich in den Rückenmarkskanal (eine Lumbalpunktion) gewonnen wird. Im Gehirnwasser finden sich ausserdem allgemeine Hinweise auf eine Entzündung. Bei einem schweren Verlauf oder unklarer Diagnose ist eventuell eine Kernspintomographie sinnvoll. Das bildgebende Verfahren arbeitet mit starken Magnetfeldern statt mit Röntgenstrahlen und liefert zum Beispiel Hinweise auf Veränderungen im Gehirn.
Der Nachweis einer FSME-Erkrankung ist seit 2001 meldepflichtig. Das bedeutet, der Arzt informiert das zuständige Gesundheitsamt über den Krankheitsfall. Manche Firmen bieten an, eingesandte tote Zecken auf FSME-Erbsubstanz zu überprüfen. Experten raten von solchen Angeboten jedoch eher ab. Dass in einer Zecke Erreger enthalten sind, heisst noch nicht, dass eine Infektion stattgefunden haben muss.
Insofern hilft die Information bei der Diagnose nicht unbedingt weiter. Die Untersuchung wird nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Es gibt keine spezifische Behandlung gegen FSME. Die Therapie ist darauf beschränkt die Symptome zu lindern.
Patienten sollten das Bett hüten. Bei Bedarf können sie – in Absprache mit dem Arzt – Schmerzmedikamente nehmen. In schweren Fällen und wenn die Atemmuskulatur betroffen ist, wird eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig. Bei Lähmungserscheinungen kann eine frühzeitige Physiotherapie mit gezielten krankengymnastischen Übungen hilfreich sein. Eventuell ist auch ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik angebracht. Die Prognose ist insgesamt günstig, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Die meisten Infektionen heilen folgenlos aus.
In höherem Lebensalter verläuft die Krankheit allerdings oft schwerer. Bei Erwachsenen können häufiger neurologische Schäden zurückbleiben. Dazu gehören Lähmungen, Krampfanfälle, Gleichgewichts-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Wer eine Infektion durchgemacht hat, ist immun gegenüber allen FSME-Typen. Er kann die Krankheit also kein zweites Mal bekommen. Die beste vorbeugende Massnahme ist, einen Zeckenstich möglichst zu vermeiden. Ausserdem gibt es eine Impfung gegen FSME. Ein sicherer Schutz vor Zecken existiert nicht. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, Stichen vorzubeugen. Und das lohnt sich nicht nur im Hinblick auf FSME. Denn die "Minivampire" übertragen – sogar wesentlich häufiger als FSME - die bakterielle Lyme-Borreliose. Hier besteht eine Infektionsgefahr in ganz Deutschland, nicht nur in bestimmten Risikogebieten.