«Ich habe keine Hitzewallungen. Ich mache nur Kurzferien in den Tropen.» Manche Frauen versuchen, es mit Humor zu nehmen. Meist aber sind die mit den Wechseljahren einhergehenden Hitzewellen und Schweissausbrüche weniger lustig.
Autorin: Claudia Rawer
«Das erste Anzeichen der Wechseljahre ist ein kaputter Thermostat», kommentiert die amerikanische Schriftstellerin Dorothea Benton Frank ironisch. «Ich habe das Gefühl, in einem Brutkasten zu sitzen», sagt Silvia. «Nachts werde ich fast verrückt, weil ich mindestens sechsmal pro Nacht in Schweiss gebadet bin, mich umziehen muss und nicht mehr einschlafen kann. Wie soll ich da noch konzentriert meinen Job machen!», klagt Sabine. «Schwitzen und dann frieren und dann wieder glühend heiss und nass vor Schweiss das ist ja zum Haare ausraufen!», konstatiert Andrea.
Hitzewallungen und Schweissausbrüche sind die häufigsten Beschwerden in den Wechseljahren. Auch wenn viele Frauen in der Menopause keine oder nur leichte Unpässlichkeiten erleben den «kaputten Thermostaten» kennen die meisten. Sicherlich sind sie weniger auffällig als seltenere Erscheinungen des Klimakteriums wie Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Erschöpfung oder gar Depressionen, und vor allem auch für die Umgebung der Betroffenen weniger dramatisch. Doch die Lebensqualität und das körperliche Wohlbefinden können sie erheblich beeinträchtigen.
«Ich weiss mir manchmal nicht mehr zu helfen,» seufzt Sabine, «soll ich denn einen Ventilator und einen dicken Winterpulli mit mir herumschleppen? Brauchen würde ich beides.» «Bei mir ist es nicht soo schlimm», ergänzt Petra, «aber es ist doch ziemlich peinlich und ärgerlich, wenn man sofort nach dem Duschen wieder schwitzt wie verrückt.»
Ganz normal, kein Krankheitssymptom, aber nichtsdestotrotz unangenehm, lästig und manchmal kaum auszuhalten: Einige Frauen erleben nur vereinzelte Episoden, bei anderen treten die Wärmewellen praktisch stündlich auf. Manche verspüren nur leichte Wärmegefühle, die schnell wieder abebben, andere erleben dramatische Wallungen mit heftigen Schweissausbrüchen und anschliessendem Frieren, wie in den geschilderten Fällen.
Nachts führen Hitzewallungen häufig zu Ein- und Durchschlafstörungen und damit oft zu Müdigkeit, Leistungseinbussen und Stress. Gelegentlich können auch Herzrasen, vorübergehender Blutdruckanstieg, Schwindel und ein Beklemmungsgefühl auftreten. Die einzelnen Ereignisse dauern meist wenige Minuten, manchmal aber auch bis zu einer Stunde. Betroffen sind Frauen in den Wechseljahren übrigens weltweit, von Italien bis zum Iran. Auch Asiatinnen leiden unter den hitzigen Attacken, allerdings deutlich weniger als Europäerinnen oder Amerikanerinnen. Sie frieren dafür häufiger.
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Als Ursache sehen Mediziner Störungen der Wärmeregulation des Körpers. Das Wärmezentrum im Gehirn, das die Körpertemperatur konstant hält, ist von Östrogen abhängig. Während der Wechseljahre werden immer weniger Geschlechtshormone produziert, der Hormonspiegel im Körper schwankt häufig. Ein Östrogenabfall führt möglicherweise auch zu Unregelmässigkeiten bei bestimmten Gehirnbotenstoffen. Das System kommt durcheinander, das Wärmezentrum stellt die Gefässe weit, um Wärme abzugeben, und die Haut erlebt einen Hitzeschub.
Am stärksten betroffen sind Frauen in den jeweils etwa zwei Jahren vor und nach der letztem Menstruation, der Perimenopause. In dieser Zeit erlebt ein Grossteil aller Frauen die unerwünschten Wärmewellen. Aber auch vor der letzten Blutung und noch lange danach können Hitzewallungen auftreten.
Bei vielen Frauen bilden sich die Beschwerden innerhalb einiger Jahre zurück. Doch laut einer der umfangreichsten und längsten Studien zum Thema mit 430 000 schwedischen Frauen erlebten im Alter von 60, 66 bzw. 72 Jahren noch 30, 15 bzw. neun Prozent der Frauen dieses Symptom. In einer aktuellen britischen Untersuchung litt sogar mehr als die Hälfte der Frauen noch durchschnittlich zehn Jahre nach ihrer letzten Periode unter Hitzewallungen.
Und die schlechte Nachricht: Die Hormonersatztherapie, die viele Frauenärzte bis vor einigen Jahren für die Patent- und Sofortlösung hielten, verschiebt die Symptomatik nur.
In der 2002 abgebrochenen Studie «Womans Health Initiative» (WHI) wurde ein Teil der Teilnehmerinnen mit einer Kombination aus Östrogen und Progesteron behandelt. Nach dem plötzlichen Absetzen der Hormone traten bei mehr als 50 Prozent jener Frauen, die unter Hitzewallungen, Nachtschweiss, Steifheit der Gelenke oder Schmerzen gelitten hatten, die Beschwerden erneut auf. Von den Frauen, die während der WHI ein Placebo eingenommen hatten, klagten nur 4,8 Prozent über Unpässlichkeiten.
Vor allem aufgrund der Risiken des Hormonersatzes mit im Labor hergestellten Östrogenen und Gestagenen hat die Medizin eine radikale Richtungsänderung vorgenommen: Heute wird, wenn überhaupt, nur noch eine möglichst kurzzeitige und niedrig dosierte Interventionstherapie mit Hormonen empfohlen. Dagegen verschreibt inzwischen ein Grossteil der Frauenärztinnen und Gynäkologen regelmässig Arzneimittel der Phytotherapie.
Gegen das Phänomen Hitzewallung ist ein Kraut gewachsen: Salbei. Das duftende Kraut mit den grün-silbrigen Blättern und den wunderschönen, tiefblauen Blüten kennt jeder. Aus dem Mittelmeerraum stammend, gedeiht er auch bei uns sehr gut. Natürlich kennen und lieben wir den aromatischen, fein-herben Salbei als Küchengewürz. Sein botanischer Name Salvia officinalis verweist jedoch gleich dreifach auf seine andere Seite, seine Heilkraft: Salvia leitet sich vom lateinischen salvare, was «heilen» und salvere, was «gesund sein» bedeutet, ab; «officinalis» heisst in der Apotheke, der Offizin, gebräuchlich.
Vielen ist er vor allem als patentes Mittel gegen Halsschmerzen und Husten bekannt. Seine zahlreichen Heilwirkungen reichen von der antibakteriellen Wirkung bis zum Einsatz bei Zahnfleischentzündungen. Was in der Pflanzenheilkunde wohl ein bisschen in Vergessenheit geriet: Salbei muss laut dem Wissenschaftsjournalisten Dr. Jörg Zittlau «zu den erfolgreichsten Schweisshemmern überhaupt gezählt werden.».
Bei Wechseljahresbeschwerden greift Salbei direkt am «verwirrten» Wärmezentrum an und mindert die Anzahl und Intensität der Hitzewallungen und Schweissausbrüche.
Zuletzt aktualisiert: 20-09-2023