Alles dreht sich, alles schwankt, man verliert das Gleichgewicht und den Boden unter den Füssen. Die Symptome und Ursachen von Schwindelgefühlen sind sehr unterschiedlich.
Autorin: Ingrid Zehnder
Schwindel gilt nicht als eigentliche Krankheit, sondern als ein Symptom, das sich bei verschiedenen Störungen und Erkrankungen manifestiert. Schwindel hat viele Gesichter. Einige Betroffene haben das Gefühl, im Kreis herum Karussell zu fahren (Drehschwindel), andere haben den Eindruck, dass es wie in einer rasenden Achterbahn auf- und abwärts geht (Liftschwindel) und wieder andere glauben, der Boden unter ihren Füssen gerate ins Wanken (Schwankschwindel). Mit zunehmendem Alter tritt Schwindel häufiger auf. Statistiken sagen, rund 30 Prozent der über 65-Jährigen und 39 Prozent der über 80-Jährigen haben regelmässig Schwindelgefühle.
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Definiert wird Vertigo, medizinisch für Schwindel, als Wahrnehmung einer Scheinbewegung zwischen sich und der Umwelt. Trümlig, wie man in der Schweiz sagt, wird einem, wenn die Informationen, die an den Nervenkernen im Hirnstamm ankommen, nicht zueinander passen. Befindet man sich an Bord eines schwankenden Bootes oder auf einer kurvigen Autofahrt und liest ein Buch, dann melden die Gleichgewichtsorgane, dass der Körper im Takt der Wellen oder Kurven schwankt. Die Augen sind aber auf die Seiten des Buches fixiert und melden dem Gehirn: alles ruhig. So treffen dort widersprüchliche Informationen aufeinander, die nicht korrekt zugeordnet werden können. Das Ergebnis ist Schwindel, oft verbunden mit den Symptomen Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Derartige vorübergehende Schwindelattacken hat wohl jeder schon mal erlebt. Schwindelanfälle können aber auch auf Störungen im Gleichgewichtssystem beruhen, mit einer Kopfverletzung oder Krankheit verbunden sein und psychische Ursachen wie Panikattacken oder Höhenangst haben.
Fachleute unterscheiden zwischen vestibulärem Schwindel, der durch Störungen der Gleichgewichtsorgane im Kopf bedingt ist, und nicht-vestibulärem, bei dem das Gleichgewichtssystem völlig intakt ist. Beim nicht-vestibulären Schwindel liegen die Auslöser in anderen Körperbereichen. Betroffene berichten von Schwarzwerden vor den Augen, Doppelt- oder Verschwommensehen, von Unsicherheit auf den Beinen, Schwächegefühl und akuten Schweissausbrüchen bis zum Kollaps. Ursachen können u.a. sein:
Ebenso können Medikamente (Schmerz- und Beruhigungsmittel, Betarezeptorenblocker, Blutdrucksenker, Muskelrelaxanzien, Entwässerungsmittel u.a.m.) sowie Drogen und Alkoholmissbrauch zu den genannten Symptomen führen.
Die Ursache für diese häufigste Form des Schwindels liegt darin, dass sich aus dem Vorhofsäckchen Utriculus kleine «Steinchen» (Otolithen oder Fragmente davon) lösen und im hinteren Bogengang anlagern; dies verursacht eine Funktionsstörung, welche typischerweise beim Hinlegen, Umdrehen oder Aufstehen im Bett oder schnellem Bücken auftritt. Die Betroffenen empfinden dabei Drehschwindel wie bei einer schnellen Karussellfahrt. Das kann so heftig sein, dass man sich an Wänden und Türen abstützen oder gar auf allen vieren krabbeln muss. Die Attacken dauern zwischen wenigen Sekunden und einer Minute und sind nicht selten mit Herzklopfen, Schwitzen und einem Gefühl der Übelkeit verbunden.
Der – wie gesagt gutartige – Lagerungsschwindel lässt sich meist erfolgreich behandeln. Nach einer vom Arzt durchgeführten Abfolge von Bewegungen gelingt es, die «Störenfriede» in einen Bereich des Gleichgewichtsorgans zu manövrieren, welcher keinen Schwindel mehr auslösen kann. Ein hoher Prozentsatz der Betroffenen ist nach dieser Therapie sofort schwindelfrei.
Neben der Behandlung durch die Ärztin besteht auch die Möglichkeit der Selbstbehandlung. Diese sollte jedoch erst nach gesicherter ärztlicher Diagnose erfolgen.
Ein einseitiger Funktionsverlust des Gleichgewichtsorgans im Innenohr ist meist auf eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs, des Nervus vestibularis, zurückzuführen. Die Erkrankung (Neuritis vestibularis) tritt meistens bei Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf. Ursachen sind Toxine, auto-immune Prozesse sowie durch Bakterien und Viren verursachte Infektionen wie beispielsweise Mittelohrentzündung, Hirnhautentzündung, Mumps oder Masern. Typische Auslöser sind auch Herpesviren. Selten ist der Grund für den einseitigen Labyrinth-ausfall, wie die Krankheit auch genannt wird, die Folge einer Operation am Kopf. Fällt ein Gleichgewichtsorgan aus, kommt es schlagartig zu einem heftigen Drehschwindel mit Übelkeit und oft auch Erbrechen. Die Betroffenen können nach einer Seite umkippen und zeigen Augenzittern, so dass es ihnen unmöglich ist, Gegenstände zu fixieren. Die Erkrankten haben starke Beschwerden, die in den ersten Stunden rasch zunehmen und einige Zeit anhalten können. Wichtig ist, so schnell wie möglich einen Arzt zur Diagnose und Behandlung aufzusuchen. In der akuten Situation ist Bettruhe die beste Therapie, da das Symptom Schwindel bei Kopfbewegungen zunimmt und die Sturzgefahr recht gross ist.
Wie bei anderen Formen des Schwindels nimmt ein Ausfall beider Gleichgewichtsorgane im Alter zu – ist aber insgesamt sehr selten. Zu den bekannten Auslösern gehören Behandlungen mit ohrschädigenden Medikamenten, die beidseitige Menière-Erkrankung und Hirnhautentzündungen; oft bleibt die Ursache jedoch unklar.
Im Ruhezustand geht es den Menschen gut, doch bei Kopfdrehungen und Bewegungen leiden sie unter Schwindelattacken und Bilderwackeln. Die Unsicherheit beim Gehen verstärkt sich bei Dunkelheit, weil dann die Augen den Ausfall der Gleichgewichtsorgane nicht mehr kompensieren können.
Eine Heilung ist in der Regel nicht möglich. Doch können die Betroffenen oft relativ gut damit leben. Sie haben deutlich geringere Beschwerden als bei einem einseitigen Labyrinthausfall. Wichtigste Therapie: Ein gezieltes Training unter Anleitung spezialisierter Physiotherapeutinnen. Es geht um Übungen zur Stabilisierung des Gleichgewichts und des Blicks bei gleichzeitiger Bewegung der Augen, des Kopfs und des Körpers. Hier, wie beim einseitigen Ausfall des Gleichgewichtsorgans gilt: Training bessert Schwindel, Ruhe und schonendes Verhalten verschlimmern ihn eher.
Benannt ist die Erkrankung nach dem Pariser Arzt Prosper Menière, der sie 1861 als Erster beschrieb. Es handelt sich um eine Erkrankung des Innenohrs, die anfallsartig mit drei Symptomen (Menièresche Trias) einhergeht: Schwindelanfälle zwischen zehn Minuten und mehreren Stunden, verbunden mit Erbrechen, Ohrgeräuschen (Tinnitus) / Hörsturz und Druckgefühl in oder hinter dem Ohr. Hervorgerufen wird ein Anfall vielfach dann, wenn zu diesen Ursachen ein Auslöser hinzukommt, wie z.B. Stress, psychische Belastung, Stoffwechselstörungen, Veränderungen im Immunsystem. Meist ist zunächst nur ein Ohr betroffen; allerdings kann, manchmal erst nach Jahren, auch das zweite Ohr erfasst werden. Morbus Menière soll besonders häufig im Alter zwischen 40 und 60 auftreten.
Die Betroffenen sind infolge der überfallartig einsetzenden Schwindelanfälle verständlicherweise stark verunsichert. Dennoch wird geraten, sich nicht übermässig zu schonen, sondern sich vielmehr zu bewegen und Gleichgewichtsübungen zu praktizieren. Wichtig ist, mit einer positiven Grundhaltung und einer realistischen Einschätzung der vorhandenen Möglichkeiten zu arbeiten. Eine psychologische / psychotherapeutische Behandlung und Ermutigung kann von Vorteil sein.
Starke Schwindelattacken können auch auf Migräne hinweisen. Der Schwindel könne, so schreibt das Informationsportal "Neurologen und Psychiater im Netz", im Vorfeld des Kopfschmerzes bei Migräne auftreten – parallel zum Schmerz oder auch danach. Den ganzen Artikel dazu finden Sie auf der Webseite Neurologen und Psychiater im Netz.
Schwindel, Übelkeit und Erbrechen gepaart mit unsicherem, taumeligem Gang, Gedächtnisstörungen und Verwirrtheit können auch Folge eines «Natriummangels» (Hyponatriämie) sein. Bis zu 30 Prozent der Besuche in der Notaufnahme lassen sich auf einen zu niedrigen Natriumspiegel im Blut zurückführen.
Die Symptome können zu schwerwiegenden Stürzen kommen – und zu Fehldiagnosen. Denn häufig werden diese Symptome anderen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Demenz zugeschrieben. Ursachen für eine Hyponatriämie können eine Hormonstörung (SIADH, Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion), Herz- und Nierenschwäche, Leberzirrhose sowie Tumore sein. Zusätzlich können Medikamente wie entwässernde Tabletten, Blutdrucksenker, Antidepressiva, Antiepileptika sowie manche Schmerz- und Rheumamittel dazu beitragen.
Wichtig zu wissen: Die Erkrankung beruht nicht auf einem Mangel an Natrium, sondern auf einem Überschuss an Wasser im Blut. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass der Natriumgehalt für die elektrische Spannung in den Zellen und die Weiterleitung von Nervenimpulsen, Herzrhythmus und Muskelfunktion nicht mehr ausreichend ist. Da der Körper das Verhältnis von Natrium und Wasser normalerweise selbst reguliert, helfen weder eine salzreiche Ernährung noch Salztabletten oder weniger trinken gegen eine Hyponatriämie.
Besonders gefährdet sind ältere Menschen über 70, denn sie reagieren empfindlicher auf Schwankungen im Natriumspiegel als jüngere. Der Natriumspiegel sollte ab dem 70. Lebensalter einmal im Quartal kontrolliert werden, schreibt der «NDR».