Ein hoher Blutdruck (mehr als 140/90 Millimeter Quecksilber (mmHg)) gilt allgemein als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Die richtigen Empfehlungen für die anzustrebenden Blutdruckwerte werden kontrovers diskutiert. Vor allem Ältere und Gebrechliche profitieren laut Studien nicht von einer Senkung auf die Normwerte.
Im November 2017 hatten die USA mit der Senkung der Bluthochdruck-Grenzwerte etwa vier Millionen Gesunde zu behandlungsbedürftigen Personen gemacht. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC), an der sich auch die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie orientiert, hat auf ihrem Kongress im Juni 2018 beschlossen, ihre Zielwerte nicht zu senken. Als Behandlungsziel gilt wie bisher eine Senkung auf einen Wert unter 140/90 mmHg, bei gut ansprechender Therapie sind 130 mmHg als systolischer Wert anzustreben. Für Patienten unter 65 Jahren gilt ein Zielwert von 120 bis 129 mmHg, bei älteren Patienten werden bis zu 160 mmHg akzeptiert, um unerwünschte Nebenwirkungen durch zu intensive Medikation zu vermeiden.
Laut den Autoren der ESC/ESH-Leitlinie zur Behandlung der Hypertonie bei Senioren sollten folgende Punkte beachtet werden:
Die arterielle Hypertonie sollte ausschliesslich auf der Basis von wiederholten Praxismessungen oder einer 24-h-Blutdruckmessung und/oder häuslichen Selbstmessungen diagnostiziert werden.
Mit steigendem Lebensalter nimmt dieses Risiko aufgrund der Abnahme der Elastizität der Gefässe zu. In den Leitlinien wird daher empfohlen, bei Personen über 65 Jahren den systolischen Blutdruck medikamentös auf unter 140 mmHg zu senken.
Mehrere Studien kommen jedoch zu dem Schluss, dass dies nicht für alle gleichermassen gilt. Bei Personen, die aufgrund ihres hohen Alters kaum in klinischen Studien vorkommen oder an einer Demenz leiden, im Pflegeheim wohnen oder sonst gebrechlich sind, ist der Nutzen der Blutdrucksenkung zumindest fraglich. Eine niederländische Studie mit 600 Teilnehmern ab 85 Jahren kam zu dem Schluss, dass die Gesamtsterblichkeit und die kognitive Verschlechterung höher waren, je tiefer der Blutdruck medikamentös gesenkt wurde.
Auch eine Blutdrucksenkung unter die vorgegebenen Normwerte von 120 mmHg (systolisch) wirkt sich nachteilig auf die Gesundheit aus. Wissenschaftler der Universität des Saarlandes konnten nach der Auswertung von fast 31 000 Patientendaten im Alter ab 55 Jahren zeigen, dass sich eine medikamentöse Behandlung nur positiv bei Patienten mit stabilen systolischen Blutdruckwerten zwischen 120 und 140 mmHg und einem diastolischen Blutdruck um die 75 mmHg auswirkte. Betroffene mit systolischen Blutdruckwerten unter 120 mmHg hatten ein um 14 Prozent höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse. Gleichzeitig stieg auch die Sterblichkeit um 28 Prozent an. Ähnliches zeigte sich, wenn der untere Blutdruckwert unter 70 mmHg fiel – auch dann erhöhten sich die Herz-Kreislauf-Probleme der Patienten wieder.
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Die Schwierigkeit besteht darin, die Blutdruckmessung regelmässig durchzuführen, damit eine zu starke Senkung der Blutdruckwerte nicht übersehen wird. Denn ein weiterer Faktor spielt für die Zielwerte eine wichtige Rolle. Deutsche Wissenschaftler konnten zeigen, dass das Sterberisiko bei erhöhtem systolischen Blutdruck mit der individuellen Fitness der Probanden zusammenhängt. Sportlich aktive Personen hatten das geringste Sterberisiko, wenn der systolische Blutdruck bei 130 mmHg lag. Bei stark gebrechlichen Älteren indessen sank das Sterberisiko, wenn der Blutdruck zunahm. Das geringste Risiko bestand mit einem Blutdruck von 160 mmHg oder höher. Die Forscher erklären sich diesen Zusammenhang damit, dass ein starkes Absenken des Blutdrucks im Alter mit negativen Ereignissen wie Stürzen zusammenhängt. Ein lang anhaltender Blutdruckabfall kann beispielsweise nach dem Aufstehen zu einem erhöhten Sturzrisiko führen.
Der Nutzen einer intensiven Hypertonie-Behandlung wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Betroffene sollten daher die medikamentöse Therapie im Zusammenhang mit anderen Faktoren wie Alter, körperlicher Fitness, Bewegungshäufigkeit sowie Ernährungsverhalten besprechen.
Zielwerte für fitte Senioren über 65 sind: 130-139/70-80 mmHg.