Ernährungsmythen, unausrottbare Weisheiten oder überholte Vorstellungen haben sich in unseren Köpfen festgesetzt. Was ist an den Gerüchten rund um Küche und Nahrung dran?
Autorin: Ingrid Zehnder
Diese (falsche) Aussage hält sich hartnäckig. Für das Gewicht ist nicht entscheidend, wann man isst, sondern wie viel. Im Mittelmeerraum wird gerne spät getafelt – und der Anteil an Übergewichtigen ist nicht grösser als im Norden. Der Verdauungstrakt arbeitet auch nachts auf Hochtouren – vielleicht sogar noch effektiver als tagsüber, denn in Ruhe ist der Teil des die inneren Organe versorgenden Nervensystems, der so genannte Parasympathikus, aktiver. Er reguliert die Entspannung und die Verdauung.
Body-Mass-Index? Zu dick oder zu dünn? Hier geht es zum BMI-Rechner
Ein Vorurteil, das noch in vielen Köpfen herumspukt, wissenschaftlich aber längst widerlegt ist. Tatsächlich braucht Zucker, wie alle anderen Kohlenhydrate – und auch Fett und Eiweiss – als Helfer bei der Verstoffwechselung Vitamin B1, aber ein gesunder Mensch kann dies problemlos kompensieren. Ein Vitamin B1-Mangel ist sehr selten und in den meisten Fällen auf einen sehr hohen Alkoholkonsum zurückzuführen.
Die süsse Südfrucht gilt als Helfer, der die Pfunde purzeln lässt. Das Enzym Bromelain aus der Ananas (das es auch in Tablettenform gibt), soll das Fett verbrennen. Schön wäre es. Leider gibt es nach wie vor kein Nahrungsmittel, das die Pfunde zum Schmelzen bringt. Wer sein Fett loswerden will, sollte weniger essen und vor allem für mehr Bewegung sorgen – an dieser simplen Tatsache lässt sich nichts ändern.
Ob Margarine gesünder ist als Butter, ist seit drei Jahrzehnten eines der meist diskutierten Food-Themen – und die Diskussion nimmt kein Ende. Butter-Gegner bezeichnen das Naturprodukt von der Kuh als (Mit-)Verursacher von Herzinfarkten, Margarine-Verächter nennen das pflanzliche Fett «chemische Pampe». Tatsächlich ist Margarine ein Kunstprodukt aus pflanzlichen Ölen, das mehrere industrielle Prozesse durchlaufen muss, bevor es gehärtet und fertig gestellt ist. Seit fünf, sechs Jahren wurden die sehr schädlichen Transfettsäuren in Reform- und Diätmargarinen zum grössten Teil ausgemerzt. Billige Margarinen enthalten jedoch immer noch zu viel davon.
Kritik verdienen auch die häufig künstlich zugesetzten Vitamine, die im schlimmsten Fall – vor allem wenn es um die Vitamine B6, B12 und E geht – sogar gesundheitlich bedenklich werden können. Zudem reicherten die Hersteller die Margarine auch mit Omega-3-Fettsäuren an, die als herz- und gefässschützend gelten. Inzwischen geriet der Glaube an die gesundheitlich vorteilhafte Wirkung dieser Fette jedoch arg ins Wanken.
Auch dieses Ergebnis kratzt am Image des Streichfetts: Das Verbrauchermagazin Öko-Test hat im Oktober 2010 in 16 von 19 untersuchten Margarinen den umstrittenen Fettschadstoff Glycidyl-Ester aufgespürt, dem nur dank neuer Messmethoden auf die Spur zu kommen war. Der Fettschadstoff ist eine Vorstufe von Glycidol, das im Tierversuch Krebs erregt hat.
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Als Könige der «guten», weil ungesättigten Fette gelten die Omega-3-Fettsäuren. Die Nahrungsergänzungs- und Lebensmittelindustrie preist die trendigen Fettsäuren als Gesundmacher schlechthin und vermarktet sie, ob als Fischöl-Kapsel oder als Zusatz in Lebensmitteln wie Brot, Milchprodukten, Fischstäbchen, Babynahrung, Eiern und Margarine, ja sogar Erfrischungsgetränken.
Omega-3-Fettsäuren sollen die Cholesterinwerte senken, das Herzinfarkt-Risiko mindern, die Intelligenz steigern, Asthma und Gelenkschmerzen vermindern, vor Darmerkrankungen, Schuppenflechte und Depressionen schützen.
Der menschliche Körper stellt diese Fette nicht her – und in kleinen Mengen sind sie für den Menschen tatsächlich lebenswichtig.
Nachgewiesenermassen können Omega-3-Fette in hohen Dosen aber «nur» die Überlebenschancen von Herzpatienten verbessern, vor allem bei jenen, die einen Herzinfarkt hinter sich haben. Dann wird Omega-3 in hohen Dosen verordnet und muss unter ärztlicher Aufsicht genommen werden, denn eine unkontrolliert hohe Einnahme kann das Risiko eines weiteren Herzinfarkts oder eines plötzlichen Herztodes erhöhen.
Alle anderen behaupteten Gesundheits-Effekte konnten nicht bewiesen werden. Im Gegenteil: Heute weiss man, dass ein Zuviel schädlich ist. Deshalb sollte man die Finger von künstlich angereicherten Lebensmitteln lassen. Die Natur offeriert Omega-3 besonders reich in Seefischen, Tofu, Walnüssen, Mandeln, Brokkoli, Raps-, Weizenkeim- und Sojaöl.
Lange galt Kork als einzig denkbarer Verschluss für Wein, als unverzichtbarer Bestandteil der Weinkultur. Er sollte das Eindringen von Luft ermöglichen, damit der Wein «atmen» kann. Das ist Aberglaube. Im Gegenteil: Wein darf keine Luft (von ausserhalb der Flasche) bekommen! Vor Jahrzehnten wurden deshalb die hochwertigsten Weine absolut luftdicht mit Siegellack überzogen. Heute experimentiert man mit Glas- und Schraubverschlüssen sowie verschiedenen Kunststoffvarianten.
Lange wurde propagiert, grüner Tee unterdrücke die Bildung von Krebszellen. In Labor- und Tierversuchen schützen Wirkstoffe der grünen Tees vor Tumoren der Haut, der Lunge, der Brust, des Dünndarms, der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse, des Darms, der Leber und Prostata. Oft genug wurden daraus voreilige Schlussfolgerungen gezogen, denn inwieweit sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist keineswegs gesichert. Seriöse Wissenschaftler betonen, dass grüner Tee wirksame, krankheitsvorbeugende Stoffe enthalte. Man könne von einer Verminderung bzw. späterem Eintreten von Krebs- und Herz-?Kreislauferkrankungen ?ausgehen, ?wenn, ja ?wenn, bei dem allgemein empfohlenen Konsum von sieben Tassen grünem Tee pro Tag, also etwa einem Liter, gleichzeitig auf eine gesunde Lebensweise geachtet werde.
Eine neue japanische Studie mit knapp 54 000 Frauen, deren Lebensgewohnheiten über 13,6 Jahre erfasst wurden, ergab, dass das Trinken von grünem Tee auf das Brustkrebsrisiko keinen Einfluss hat.
Ein Vorurteil. Mehrere Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass Kaffee keine entwässernde Wirkung hat. Wer Kaffee trinkt, scheidet bis zu 84 Prozent der aufgenommenen Flüssigkeit innerhalb eines Tages wieder über den Urin aus. Wer reines Wasser trinkt, scheidet bis zu 81 Prozent aus – ein Unterschied, der kaum ins Gewicht fällt.
Nein, zumindest nicht, wenn man zu Vollkornbrot greift. Weil es noch fast sämtliche Bestandteile des Getreidekorns enthält, ist es nähr- und ballaststoffreich und sättigt länger als helles Brot. Auch was die Kalorien betrifft, ist Vollkornbrot deutlich günstiger: 100 Gramm Baguette bringen es auf ca. 250 Kilokalorien, die gleiche Menge Vollkornbrot auf 50 weniger. Die vielen Ballaststoffe fördern eine gesunde Darmflora und tragen zum flotten Transport des Speisebreis bei – was auch zu einem schlankeren Bauch verhilft.
Viele kennen noch Omas Rat, nach dem Genuss von Kirschen kein Wasser zu trinken, weil das Bauchschmerzen verursache. Auf der Suche nach Erklärungen für Grossmutters Weisheit wurden mehrere Theorien aufgestellt. Eine davon: Das Leitungswasser war früher stärker mit Keimen belastet. Diese hätten dann in Verbindung mit Steinobst im Magen zu Beschwerden geführt.
Eine schlüssige Erklärung wurde jedoch bis heute nicht gefunden. Zahllose Kinder haben im heroischen Selbstversuch Kirschen gegessen und anschliessend Wasser getrunken – ohne dass der Bauch revoltierte. Ein Körnchen Wahrheit liegt dennoch in Omas Warnung: Bei so ziemlich jedem Verdauungsprozess von rohem Obst und Gemüse entstehen Gase, die für Schmerzen und Blähungen sorgen könnten. Mit Wasser hat das nichts zu tun.
Die Volksweisheit stammt aus einer Zeit ohne modernen Kühlmethoden. Heute sind die Schalentiere, sofern ordnungsgemäss gekühlt und gelagert, auch zwischen Mai und August geniessbar.
Manche Obst- und Gemüsesorten haben im Kühlschrank nichts zu suchen: Auberginen, Gurken, Paprika, Tomaten, Zwiebel, Äpfel, Avocados, Bananen, Mangos, Melonen, Nektarinen und Zitrusfrüchte verlieren ihr Aroma.
Tomaten wie Äpfel setzen im Kühlschrank das Reifungsgas Ethylen frei, das manche andere Gemüse und Früchte schneller faulen lässt.
… ein so absurdes wie beliebtes Argument für ein unangenehmes Plus auf der Waage. Doch die Schuld auf die Knochen zu schieben – das funktioniert nicht. Das Gewicht des menschlichen Knochenbaus weist nur geringe individuelle Unterschiede auf. Sein Anteil am Gesamtgewicht liegt ziemlich konstant bei 12 Prozent.
Minimal schwerere Knochen haben lediglich Menschen, die über Jahre hinweg harte körperliche Arbeit verrichteten. Eine grosse amerikanischen Untersuchung ergab, dass das Durchschnittsgewicht bei schwerem Knochenbau um etwa 3 Kilogramm höher lag, bei bei leichtem um 3 Kilogramm niedriger. So ist Übergewicht keine Frage des Skeletts.