Im Fernen Osten hat die Traditionelle Chinesische Medizin eine jahrtausendealte Geschichte. Begriffe wie die Lebensenergie Qi oder die Balance zwischen den beiden Polen Yin und Yang haben mittlerweile auch Eingang in unseren westlichen Sprachgebrauch gefunden. Weniger bekannt ist, wie diese Gesundheitslehre Beschwerden in den Wechseljahren betrachtet.
Autorin: Annette Willaredt 01/21
Die Traditionelle Chinesische Medizin, kurz TCM, ist eine ganzheitliche Gesundheitslehre. Als wichtig wird die Einheit von Körper, Geist und Seele angesehen. Nur wenn die in Einklang sind, kann die Lebensenergie Qi frei fliessen. Und nur dann ist ein Mensch gesund und fühlt sich rundum wohl. Diese Lebensenergie bewegt sich TCM zufolge in einem Netz aus Leitbahnen, den Meridianen. Auf diesen befinden sich spezielle Punkte, die Akupunkturpunkte.
Ebenfalls entscheidend für das Verständnis der TCM sind die beiden gegensätzlichen Pole Yin und Yang, die überall auf der Welt ihre Wirkung entfalten, auch im menschlichen Körper. Yin steht beispielsweise für die Nacht, die Ruhe, die Entspannung, die Kälte, den Winter, den Herbst, den Mond, das Alter und das Weibliche. Den Gegensatz verkörpert Yang. Schlagworte sind hier der Tag, die Sonne, der Sommer, das Feuer, die Jugend, die Aktivität, die Bewegung und das Männliche. Viele Frauen werden jetzt denken, das Weibliche kommt nicht gut weg. Aber diese Gegensätze enthalten keine Wertung. Sie bedingen sich gegenseitig, das Eine ist nicht denkbar ohne das Andere. Ohne Hell gibt es kein Dunkel.
Auch der menschliche Körper wird nach dem Prinzip Yin und Yang klassifiziert. Die Vorderseite, die rechte Seite des Körpers und das Körperinnere sind Yin. Das gilt auch für die Organe Lunge, Leber, Herz, Nieren und Milz. Yang sind die Rückseite und die linke Seite des Körpers, das Äussere sowie die Harn- und Verdauungsorgane. Beschwerden aller Art sowie die Entstehung von Erkrankungen hängen nach Ansicht der TCM immer damit zusammen, dass der Fluss des Qi gestört ist und die Balance von Yin und Yang nicht stimmt. Ein Übermass an Yang zeigt sich beispielsweise in krampfartigen Schmerzen oder Rötung, zu viel Yin sorgt für kalte Füsse oder Verstopfung. Auch die Emotionen spielen eine grosse Rolle. Wut oder unterdrückter Zorn belasten zum Beispiel die Leber und sorgen so dafür, dass Yin nicht mehr optimal in seiner Balance ist.
Die Zeit nach den Wechseljahren wird in der TCM als „zweiter Frühling" bezeichnet. In der ersten Lebenshälfte sind Frauen einem zyklischen Auf und Ab unterworfen, das mit der Menstruation durch ein An- und wieder Absteigen von Kraft und Fülle gekennzeichnet ist. Nach den Wechseljahren behält eine Frau nach Ansicht der TCM ihre Energie ganz für sich. Mit Ausbleiben der Blutung haben Frauen ihre Kraft nur noch für sich und damit für ein gesundes, erfülltes Alter zur Verfügung. Die Wechseljahre gelten als eine Übergangsphase, in der es zu Beschwerden kommen kann. Die verschwinden wieder, wenn eine neue Balance gefunden ist. Ein typisches Problem in dieser Phase sind Hitzewallungen. Nach Ansicht der TCM kühlt und entgiftet die Menstruation den weiblichen Körper. Wird sie unregelmässiger und fällt sie dann ganz aus, kann überschüssige Hitze (Yang) aus dem Körper nicht mehr richtig ausgeleitet werden – bis dafür neue Wege gefunden wurden.
Weitere häufige Symptome für diesen Yang-Überschuss sind Herzrasen, depressive Verstimmungen, Nervosität und trockene Schleimhäute, vor allem im Intimbereich. Eine grosse Rolle spielt in der TCM auch die Niere, wenn es um die Wechseljahre geht. Mit zunehmendem Alter nimmt dort die Lebensenergie Qi ab. Das kann zu Beschwerden führen. Typisch sind hier ebenfalls Hitzewallungen mit Nachtschweiss, trockene Schleimhäute, innere Unruhe und dazu Haarausfall, Schlafstörungen, Schwindel, Verstopfung, Rückenprobleme und Schwindel. Arbeitet die Niere nicht mehr optimal, hat das TCM zufolge auch Auswirkungen auf die Milz. Das Organ wird in diesem Gesundheitssystem der Blutbildung zugeordnet. Abnehmende Milz-Energie bedeutet weniger Blut im Kreislauf und gleichzeitig weniger Feuchtigkeit im Körper. Auch das führt zu Trockenheitssymptomen, z.B. an den Schleimhäuten, im Mund oder im Verdauungstrakt. Für die emotionale Unausgeglichenheit in den Wechseljahren ist zusätzlich das Leber-Qi zuständig.
Bei Beschwerden in den Wechseljahren hat die Traditionelle Chinesische Medizin eine ganze Reihe von Heilmassnahmen zu bieten. Sie alle zielen darauf, die Lebensenergie Qi wieder in einen stabilen Fluss zu bekommen und die Yin- und Yang-Energien auszubalancieren. Bei der Akupunktur werden bestimmte Punkte mit sehr feinen Nadeln so stimuliert, dass sich das Qi harmonisiert.
Die Moxibustion ist eine Wärmebehandlung. Dabei wird glimmendes Beifuss-Kraut in Kegelform abgebrannt, das auf Akupunkturnadeln befestigt wird. Die Wärme regt die Organfunktionen an und beseitigt Blockaden. Auch das Schröpfen ist eine alte Methode der TCM. Dabei werden spezielle Gläser oder Glocken auf der Haut platziert und damit ein Unterdruck hergestellt. Das soll ebenfalls Stagnationen beseitigen. Ausserdem hat die TCM einen reichen Schatz an Kräuterheilmitteln. Alle diese Anwendungen gehören in die Hände von Fachleuten.
Daneben kennt die TCM auch Massagetechniken. Dazu zählen die Tuina-Massage und die Akupressur, also das Stimulieren der Akupunkturpunkte mit den Fingern. Beide kann man nach entsprechender Anleitung auch selbst anwenden.
Gezielte Entspannung hat in der TCM schon immer einen hohen Stellenwert bei der Behandlung von Beschwerden. Die Vertreter dieses alten Gesundheitssystems haben schon lange vor der westlichen Schulmedizin erkannt, wie belastend Stress für Körper und Seele sein kann. Als gute Gegenmassnahme gilt die Meditation. Sie schenkt Gelassenheit, hält dazu den Geist fit und stärkt den ganzen Organismus. Für die Meditation gibt es die verschiedensten Techniken, die in entsprechenden Schulen gelehrt werden. Ähnlich positive Effekte hat auch das Autogene Training.
Bewegung ist in der TCM ebenfalls zentral. Der Aktivierung der Lebensenergie Qi dient vor allem Qi Gong, eine Art Heilgymnastik. Regelmässig durchgeführt, ist Qi Gong ein wertvolles Instrument gegen alle typischen Wechseljahrbeschwerden.
TCM-Ärzte empfehlen ihren Patienten fast immer auch eine Umstellung der Ernährung. Sie wird individuell auf den Typ zugeschnitten. Allgemein wird geraten, regelmässig, ausgewogen und nährstoffreich zu essen. Bevorzugt wird ein warmes Frühstück. Grundsätzlich gilt, dass warme, gekochte Speisen deutlich bekömmlicher sind als kalte, rohe. Ideal sind gedünstetes Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Fisch, Eier und Sojaprodukte. Auf Fettiges, Frittiertes, Milchprodukte, Zucker- und Weissmehlprodukte sowie stark Gewürztes sollte man weitgehend verzichten. Das gilt auch für Kaffee, Alkohol und Kohlensäurehaltiges.