Wenn es um Beschwerden in den Wechseljahren geht, ist meist von der zurückgehenden Östrogenproduktion die Rede. Ein anderes Hormon spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: das Progesteron. Welche Aufgaben es hat, warum es für das Wohlbefinden wichtig ist und was bei einem Mangel helfen kann.
Autorin: Annette Willaredt
Das Hormon Progesteron wird auch Gelbkörperhormon genannt, weil es vom Gelbkörper in den Eierstöcken produziert wird. Seine Funktion im Körper lässt sich nur verstehen, wenn man es zusammen mit der Wirkung des Hormons Östrogen betrachtet. Das Hormon Östrogen sorgt in der ersten Zyklushälfte dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut aufgebaut wird. Gleichzeitig reift ein Ei heran, das sich etwa in der Zyklusmitte auf den Weg Richtung Gebärmutter macht – der Eisprung. Aus der Eihülle, die nach dem Eisprung übrigbleibt, entsteht ein Gelbkörper. Das in ihm gebildete Progesteron stoppt dann das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut und bewirkt, dass diese so umgebaut wird, dass sich ein befruchtetes Ei darin einnisten kann. Klappt das, sorgt Progesteron ausserdem dafür, dass sich die beginnende Schwangerschaft stabilisiert. Später, etwa nach der zwölften Schwangerschaftswoche, übernimmt die Plazenta diese Aufgabe. Findet keine Befruchtung statt, geht der Gelbkörper nach etwa zwölf bis 14 Tagen zugrunde, die Gebärmutterschleimhaut wird aufgrund der fehlenden Hormone abgestossen, die Menstruation beginnt. Und die Ausschüttung von Östrogen verstärkt sich wieder, der Zyklus beginnt von vorne. Ein sehr fein austariertes Zusammenspiel dieser beiden Hormone also.
Aber das ist nicht alles, was das Progesteron macht und kann. Es sorgt auch dafür, dass die Körpertemperatur der Frau nach dem Eisprung um 0,5 bis 1 Grad Celsius ansteigt. Aus diesem Grund benutzen einige Frauen das morgendliche Temperaturmessen zur natürlichen Verhütung oder dazu, um bei einem Kinderwunsch die fruchtbaren Tage genauer zu bestimmen. Der Temperaturanstieg kurbelt aber auch den Stoffwechsel an, der Körper verbrennt bei gleicher Belastung mehr Kalorien. Auch für die Ausscheidung überflüssigen Gewebewassers sorgt Progesteron. Diese „Entwässerung“ wirkt zum Beispiel dicken, schweren Beinen entgegen. Und das ist nicht alles. Kreist mehr Progesteron im Blut, wirkt das beruhigend, der Schlaf verbessert sich. Das Immunsystem wird ebenfalls stimuliert. Zudem hat Progesteron eine leicht entzündungshemmende Wirkung. Auch den Knochenaufbau unterstützt es. Und nicht zuletzt ist es ein Wohlfühlhormon, denn es stimuliert bestimmte Rezeptoren im Gehirn, die dafür sorgen, dass wir uns gut entspannen können. So kann uns auch Stress viel weniger anhaben.
Schon ganz zu Beginn der Wechseljahre, wenn die meisten Frauen noch gar nicht viel davon spüren, kann das Zusammenspiel der Hormone Östrogen und Progesteron durcheinandergeraten. In dieser Zeit kommt es nicht mehr in jedem Zyklus zu einem Eisprung. Fällt dieser aus, gibt es eben auch keinen Gelbkörper, der Progesteron bildet. Darum kommt es in dieser Zeit zu einem Überschuss an Östrogen (Östrogendominanz). Typisch dafür ist eine stärkere und längere Monatsblutung. Oft ist die Regel dann auch schmerzhafter. Die sogenannten prämenstruellen Beschwerden (PMS) wie Wassereinlagerungen, Schlafstörungen, schmerzende Brüste und Reizbarkeit sprechen ebenfalls für einen Progesteronmangel. Sie treten bei vielen Frauen schon in jungen Jahren auf. Es gibt aber auch zahlreiche Frauen, die erst ab ca. 35 bis 40 Jahren erstmals damit zu kämpfen haben. Im weiteren Verlauf der Wechseljahre kommen bei einem Progesteronmangel oft Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und Kopfschmerzen dazu. Viele Frauen fühlen sich dann nicht wohl in ihrer Haut und können auch mit Stress schlecht umgehen.
Ganz wehrlos sind Frauen diesen Prozessen aber nicht ausgeliefert. Untersuchungen zeigen, dass eine sehr gute Versorgung mit Vitamin C den Progesteronspiegel stabilisieren kann. Im Durchschnitt brauchen wir täglich rund 100 Milligramm Vitamin C. Raucherinnen oder Frauen, die stark unter Stress stehen, benötigen deutlich mehr – rund 150 Milligramm sollten es dann schon sein.
Gute Quellen sind zum Beispiel Brokkoli, rote Paprika, schwarze Johannisbeeren, Fenchel, Hagebutten oder Sanddorn. Die meisten Ernährungsexperten empfehlen übrigens mittlerweile, Vitalstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe möglichst über Lebensmittel zu sich zu nehmen. Der Grund: In ihnen stecken noch viele weitere gesunde Substanzen, von denen man annimmt, dass sie die positive Wirkung verstärken. Grundsätzlich gilt, dass eine Ernährung, die reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und guten pflanzlichen Ölen ist, sehr viel für das Wohlbefinden tun kann.
Sind die Beschwerden durch einen Progesteronmangel in den Wechseljahren ausgeprägt, reicht eine gute Ernährung allerdings oft nicht aus. Helfen kann Frauen dann die Heilpflanze Mönchspfeffer, die schon seit Jahrhunderten bei Wechseljahresbeschwerden eingesetzt wird. Heute weiss man, dass der Mönchspfeffer regulierend auf den Progesteronspiegel wirkt. Möglich ist hier die Einnahme von homöopathischen Präparaten oder von Pflanzenextrakten. Am besten lässt man sich bei der Dosierung von einer Ärztin oder Naturheilexpertin beraten.
Auch die Anwendung sogenannter bioidentischer Hormone kann angezeigt sein. Diese Präparate gibt es heute nicht nur als Tabletten sondern auch als Cremes, bei denen der Wirkstoff dann über die Haut aufgenommen wird. Das hat den Vorteil, dass es keinen Umweg über Magen und Leber gibt; die Dosierung kann so geringer gehalten werden.
Viele nehmen an, dass der Progesteronspiegel nach den Wechseljahren auf Null fällt, weil keine Gelbkörper mehr entstehen. Das stimmt aber nicht. Das Hormon wird weiterhin in den Nebennieren
gebildet (übrigens auch bei Männern). Der Spiegel im Blut ist allerdings dann geringer als in der fruchtbaren Zeit. Es ist deshalb in und nach den Wechseljahren wichtig, Faktoren zu kennen, die den Progesteronspiegel noch weiter reduzieren. So braucht der Körper zum Beispiel bei Stress mehr Progesteron. Frauen sollten deshalb den Stress in ihrem Leben möglichst reduzieren – etwa durch Erlernen einer Entspannungstechnik wie Meditation oder Yoga.
Gut zu wissen: Auch Koffein bewirkt, dass der Körper vermehrt Stresshormone ausschüttet, vor allem Cortisol. Um Cortisol herzustellen, benötigt der Organismus Progesteron. Vereinfacht gesagt bedeutet das: Weniger Koffein, mehr Progesteron. Frauen sollten sich deshalb eine Alternative zu Kaffee oder Schwarztee suchen.