Wenn Frauen in den Wechseljahren mit verschiedenen Beschwerden zu kämpfen haben, überlegen sich viele, Hormone einzunehmen. In diesem Zusammenhang fällt oft auch der Begriff „bioidentische Hormone". Doch was ist das genau und welche Vorteile haben sie?
Text: Annette Willaredt
In den Wechseljahren ändert sich der Hormonhaushalt von Frauen grundlegend. Weil die Eierstöcke nach und nach ihre Arbeit einstellen, werden immer weniger weibliche Geschlechtshormone (Östrogen, Progesteron) gebildet. Das führt zuerst zu einem Auf und Ab der weiblichen Hormone und später zu einem deutlich niedrigeren Hormonspiegel als vor den Wechseljahren. Manche Frauen merken davon nicht viel. Andere jedoch leiden in dieser Lebensphase unter den verschiedensten Beschwerden. Die Liste ist lang. Am bekanntesten sind wohl Hitzewallungen und plötzliche Schweissausbrüche. Aber es gehören auch Schlafstörungen, Reizbarkeit, trockene Haut, depressive Verstimmungen, trockene Augen, Konzentrationsstörungen und eine ungewollte Gewichtszunehme dazu.
Zu Beginn der Wechseljahre kommt es auch oft zu Zyklusschwankungen, die Menstruation wird unregelmässig, die einzelnen Blutungen sind nun oft länger und auch schmerzhafter. Um all das zu beenden, wurde eine einfache und sehr einleuchtende Idee entwickelt: Die fehlenden Hormone ersetzen und damit alle Symptome gleichzeitig bekämpfen.
Die ersten sogenannten Hormonersatztherapien (HRT) waren für Frauen bereits Ende der 1960er-Jahre verfügbar. Doch die Behandlung mit künstlichen Hormonen geriet in Verruf, da mit ihr zahlreiche gravierende Nebenwirkungen verbunden sind. Also suchte man nach einer Alternative. Eine Möglichkeit sind die bioidentischen Hormone, auch körperidentische oder naturidentische Hormone genannt. Gemeint sind damit Hormone, die in ihrer Molekülstruktur exakt gleich sind wie diejenigen, die unser Körper selbst bildet.
Hormone für eine Ersatztherapie (HRT) indes werden im Labor so zusammengesetzt, dass ihre Struktur den körpereigenen Hormonen ähnelt; sie sind aber nicht gleich.
Hergestellt werden die derzeit gebräuchlichen bioidentischen Hormone aus Pflanzen, u.a. aus der mexikanischen Yamswurzel und aus Soja. Die Grundstoffe aus diesen Pflanzen werden im Labor aufbereitet und zu Medikamenten verarbeitet.
In der Yamswurzel ist es das Diosgenin und in der Sojabohne das Stigmasterin, welche zur Herstellung von 17-beta-Östradiol und Progesteron verwendet werden. Der weibliche Körper kann die entsprechenden Medikamente nicht von seinen selbstproduzierten Hormonen unterscheiden. Dadurch können alle durch die Wechseljahre entstandenen Symptome behoben werden. Verschiedene Studien belegen die Wirksamkeit der bioidentischen Hormone. Man geht davon aus, dass diese Medikamente auch den möglichen Folgeerkrankungen eines Hormonmangels vorbeugen können. Dazu gehören z.B. Osteoporose (Knochenschwund), Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Hautprobleme (infolge schlechterer Durchblutung und geringerer Befeuchtung von Haut und Schleimhäuten). Allerdings fehlen Langzeitstudien, da diese Medikamente noch nicht lange genug auf dem Markt sind.
Bioidentische Hormone stehen in mehreren Darreichungsformen zur Verfügung. Als am günstigsten hat sich die transdermale Verabreichung, also die Verabreichung über die Haut als Pflaster, Gel oder Scheidenzäpfchen erwiesen. Gele können die Frauen am besten nach ihrem individuellen Bedarf dosieren. Der Vorteil bei der Applikation über die Haut ist, dass die Wirkstoffe direkt in den Blutkreislauf und damit an die Wirkorte in den Zellen gelangen.
Tabletten müssen hingegen zuerst die aggressive Magensäure überwinden und werden dann in der Leber verstoffwechselt. Das hat zwei Nachteile. Man braucht mehr Wirkstoff, um den gleichen Effekt zu erreichen. Und die Leber stellt verschiedene Zwischenprodukte daraus her, die nicht gewollt sind und die dem Körper eventuell sogar schaden können. Das ist noch nicht abschliessend geklärt.
Auch Präparate mit bioidentischen Hormonen sind verschreibungspflichtig und sollten immer nur nach Absprache mit der Frauenärztin eingesetzt werden. Bislang sieht es so aus, dass bei der Verwendung bioidentischer Hormone das Risiko für gravierende Nebenwirkungen wie Brustkrebs oder Herz-Kreislauf-Probleme geringer ist als bei den herkömmlichen Hormonersatztherapien. Allerdings kann man das noch nicht abschliessend beurteilen, weil diese Medikamente nicht lange genug bei einer grossen Gruppe von Frauen eingesetzt werden; Langzeiterfahrungen fehlen. Ausserdem greifen auch naturidentischen Hormone direkt in das sehr fein justierte Räderwerk des Organismus ein.
Ganz genau so, wie es der Körper machen würde, kann man auch das beste Hormonprodukt nicht dosieren.
Hormone einfach bis ans Lebensende zu nehmen – wie manche Ärzte empfehlen – ist deshalb vermutlich nicht ratsam. Bei Beschwerden in den Wechseljahren lohnt ein Versuch mit diesen Präparaten jedoch für einen gewissen Zeitraum.