Das Netz aus Muskeln, Sehnen und Bindegewebe in unserem Unterkörper ist viel wichtiger als die meisten denken. Es stützt die inneren Organe, spielt eine Rolle bei der Sexualität und ist wichtig für eine gute Körperhaltung. Nahen die Wechseljahre, sollten Frauen ihrem Beckenboden verstärkt Aufmerksamkeit schenken – auch, um Beschwerden vorzubeugen.
Autorin: Anette Willaredt
Der Beckenboden des Menschen ist wie ein Trampolin zwischen Schambein vorne, Steissbein hinten und den Sitzhöckern seitlich aufgespannt. Aufgebaut ist er aus drei Schichten, die gitterartig übereinanderliegen. Die innerste Schicht ist die breiteste. Sie führt vom Scham- zum Steissbein, schliesst den Bauchraum nach unten ab und hat die Aufgabe, die Bauchorgane zu stützen. Die nächste Schicht verläuft quer zwischen den Sitzhöckern und die dritte wieder von vorne nach hinten. Dieses Netz ist allerdings nicht durchgängig angelegt, sondern hat Öffnungen. Bei Frauen und Männern für die Harnröhre und den After. Bei Frauen gibt es eine zusätzliche Öffnung für die Scheide.
Der Beckenboden stützt nicht nur die Organe im Bauchraum, sondern ist auch entscheidend für eine gute, aufrechte Körperhaltung. Letztere beugt Verspannungen und Rückenschmerzen vor. Ist diese Muskel-Bindegewebe-Struktur gut ausgebildet, hält sie das knöcherne Becken elastisch und beweglich. Dazu massiert sie bei jeder Bewegung die Bauchorgane, das wirkt z.B. Darmträgheit entgegen.
Auch wichtig: Ist der Beckenboden fit, haben Probleme wie Inkontinenz, Erschlaffung oder Senkung der inneren Organe und auch Orgasmusschwierigkeiten bei Frauen schlechte Chancen.
«Bei einem schwachen Beckenboden haben Frauen oft Schwierigkeiten, einen Orgasmus zu erleben», erklärt Claudia Amherd, Gründerin und des Basler Beckenbodenzentrums. Sie bietet eine Trainingsmethode an, mit der Männer wie Frauen ihre Sexualität beeinflussen und ihr Lustempfinden steigern können. Seien die Muskeln hingegen geschmeidig und kraftvoll, intensiviere sich das sexuelle Empfinden. Der Grund: Zwei schlanke Muskeln des Beckenbodens verlaufen über die Klitorisschenkel – jenen Teil des weiblichen Lustzentrums, der im Inneren des Körpers liegt. Und nicht zuletzt wirkt ein starker Beckenboden der Erschlaffung der Bauch- und Gesässmuskulatur entgegen.
Wie bei allen anderen Geweben im Körper, lässt auch die Stabilität des Beckenbodens mit dem Alter ganz natürlich etwas nach. Es gibt allerdings viele Faktoren, die diesen Prozess beschleunigen. Bei beiden Geschlechtern sind das Übergewicht, Verstopfung, häufiges, langes Stehen, schweres Heben und Sportarten mit starken Körpererschütterungen wie z.B. Tennis. Auch Operationen im Bauchraum können sich negativ auswirken.
Bei Frauen kommen aber noch weitere Komponenten hinzu. Eine ist die bereits genannte zusätzliche, vergleichsweise grosse Öffnung in der Muskelschicht für die Scheide. Ausserdem enthält der weibliche Beckenboden mehr Bindegewebe, um bei einer Geburt eine grosse Dehnung zu ermöglichen. Selbstverständlich sind dann eine Schwangerschaft und eine natürliche Geburt eine enorme Belastung für dieses Gewebe.
Ist der Beckenboden nicht mehr so straff wie in jungen Jahren, kann das verschiedene Folgen haben. Typisch und für jede Frau spürbar ist eine Blasenschwäche mit unfreiwilligem Harnabgang, etwa beim Husten oder bei körperlicher Anstrengung. Nicht ganz so offensichtlich sind Probleme wie eine Senkung von Blase oder Gebärmutter. Auch Hämorrhoiden, Rückenschmerzen und Venenproblem gehören auf diese Liste. Sie werden aber selbst von Ärzten selten mit einem schwachen Beckenboden in Verbindung gebracht. Mit einem gezielten Beckenbodentraining ist es möglich, viele dieser Beschwerden zu lindern oder sogar ganz loszuwerden. Wie lange das dauert, ist individuell sehr unterschiedlich. Viele Fitness-Studios, Physiotherapeuten und Hebammen bieten Beckenbodenkurse an. Nach einer professionellen Anleitung sollte man auf jeden Fall selbst weitertrainieren, am besten täglich.
Trainieren ist aber auch ratsam für Frauen, die auf die Wechseljahre zugehen, auch wenn sie noch keine Beschwerden haben. Denn dieses Training ist eine wirksame Vorbeugemassnahme.
Viele Frauen fragen sich jetzt bestimmt: Wie finde ich meinen Beckenboden? Dazu gibt es eine kleine Übung: Einfach die Schliessmuskeln kurz zusammenkneifen, als wollte man den Harnstrahl stoppen. Betätigt man diese Muskeln, spürt man, wie sie sich leicht nach oben und innen heben. Die Muskeln von Bauch und Po bewegen sich dabei nicht. Es ist eine feine Bewegung, vor allem, wenn der Beckenboden schon etwas geschwächt ist. Frauen, die das nicht deutlich spüren, können die Übung anfangs auch direkt auf der Toilette durchführen, dann spürt man das besser. Beherrscht man diese Übung, kann man sie überall ganz unauffällig ausführen. Und das sollte man auch so oft wie möglich tun, idealerweise täglich.
Auf einen Stuhl setzen. Die Füsse stehen hüftbreit auseinander, der Oberkörper ist gerade. Nun einatmen, dann ausatmen und dabei die beiden Sitzbeinhöcker zusammenziehen, dabei spannt sich der Beckenboden an. Und der Oberkörper hebt sich ganz leicht an. Diese Übung mindestens fünfmal wiederholen.
Auf den Rücken legen, die Beine aufstellen, die Füsse sind wieder hüftbreit auseinander. Einatmen. Beim Ausatmen die Hüfte anheben, dabei den Bauch kurz einziehen und die Schultern in den Boden drücken. Wieder entspannen, einatmen und die Hüfte absenken. Mehrmals wiederholen.
Zuletzt aktualisiert: 08-11-2022