Mit steigendem Alter bekommen die meisten Männer Probleme mit ihrer Prostata. Am häufigsten kommt es zu einer gutartigen Vergrösserung, der sogenannten benignen Prostatahyperplasie (BHP). Eine der unangenehmsten Folgen ist der häufige und meist starke Harndrang – auch nachts. Hier kann ein gezieltes Blasentraining Hilfe bringen.
Autorin: Annette Willaredt, 09.19
Die Prostata ist eine Drüse, die beim jungen Mann etwa kastaniengross ist. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der Prostatazellen zu, die Vorsteherdrüse wächst. Weil die Prostata die Harnröhre an deren oberem Ende umschliesst, engt sie diese dadurch oft ein. Das geschieht in aller Regel ab einem Alter von etwa 50 Jahren. Diese gutartige Vergrösserung (benigne Prostatahyperplasie) führt zu einer Reihe von Problemen mit dem Wasserlassen. Dazu gehören häufiger, starker Harndrang, eine schwacher Harnstrahl und ein Nachtröpfeln. Viele Männer haben auch das Gefühl, ihre Blase nie vollständig entleeren zu können. Nach einigen Jahren kann es zusätzlich zu einem unkontrollierbaren Harnverlust (Inkontinenz) kommen.
Der häufige Harndrang, oft auch in der Nacht, macht den Betroffenen dabei oft am meisten zu schaffen. Das Blasentraining, auch Urotherapie genannt, kann dabei helfen, die Kontrolle über die Blase zumindest zum grossen Teil wieder zurückzuerlangen. Ziel ist es, der Blase beizubringen, sich wieder stärker zu dehnen, also mehr Urin zu speichern, bis sie das Signal «jetzt zur Toilette» gibt. Der erste Schritt ist es, ein Tagebuch zu führen. Man notiert sich also einige Tage, wie häufig man zur Toilette geht, wie viel Urin dabei ungefähr abgeht und wie viel man über den Tag verteilt getrunken hat. Es lohnt auch aufzuschreiben, in welchem zeitlichen Abstand nach welchem Getränk Harndrang auftritt.
Aus den Aufzeichnungen lässt sich nun ersehen, wie gross die Abstände zwischen den einzelnen Toilettengängen sind. Ziel ist es, diese zu vergrössern. Dabei sollte man sich aber nicht unter Stress setzen, das bringt den Organismus nur durcheinander. Ab besten nimmt man sich vor, am ersten Trainingstag vor einem Toilettengang 5 Minuten länger als gewohnt auszuhalten. Nach drei bis vier Tagen erhöht man dann auf 10 Minuten, nach acht Tagen auf 15 Minuten und so weiter. Nach und nach führt man diese Übung bei allen Toilettenbesuchen des Tages durch.
Das Training auch auf die Nacht auszuweiten, ist wesentlich anstrengender. Das sollte man erst angehen, wenn es am Tage schon einige Zeit gut geklappt hat.
Wichtig zu wissen: Zu Beginn ist es nicht leicht, starken Harndrang auszuhalten. Doch tatsächlich beruhigt sich die Blase meist nach drei bis vier Minuten von alleine wieder, wenn man dem Drang nicht nachgibt. In der Zwischenzeit gilt es, sich abzulenken. Hier gibt es verschiedene Techniken. Wer Erfahrung mit Entspannungsübungen hat, kann versuchen, ruhig und tief zu atmen und sich ganz darauf zu konzentrieren. Eine andere Möglichkeit ist es, seinen Körper zu beruhigen, indem man ihm immer wieder – laut oder in Gedanken – vorsagt: „Jetzt sind es nur noch fünf Minuten, nur noch vier...". Auch in Sachen Körperhaltung gibt es einen Trick. Man setzt sich auf einen Stuhl und beugt den Oberkörper so nach vorn, als wolle man seine Schnürsenkel binden. Dadurch ändern sich die Druckverhältnisse im Bauchraum, der Harndrang lässt nach. Hat ein Mann Sorge, den Urin nicht bei sich behalten zu können, wenn er zu lange wartet, kann er sich natürlich auch auf die Toilette setzen und dort versuchen, den Zeitpunkt des Wasserlassens etwas hinauszuzögern. Allerdings: Das ist deutlich schwieriger, als z.B. auf dem Stuhl in der Küche abzuwarten. Der Grund ist einfach: Wir sind in unserem Leben einfach darauf geprägt, dass auf der Toilette sitzen auch Wasserlassen bedeutet. Das ist wie ein Reflex. Deshalb sind diese Versuche oft zum Scheitern verurteilt.
Ein guter Tipp ist es ausserdem, vorbeugende Toilettengänge möglichst zu meiden. Natürlich kann ein Mann das mal machen, wenn er danach aus dem Haus will. Aber es sollte die Ausnahme sein. Der Grund: Wer vorbeugend in sehr kurzen Abständen Wasser lässt, verschlimmert seine Beschwerden damit. Die Blase gewöhnt sich so an eine nur sehr geringe Füllmenge. Und sie meldet dann bereits Harndrang, wenn es eigentlich noch nicht nötig ist.
Ebenfalls einen genauen Blick sollten betroffene Männer auf ihre Trinkgewohnheiten werfen. Wer an häufigem Harndrang leidet, trinkt oft möglichst wenig, um seinen Problemen so entgegenzuwirken. Das ist aber ein ganz falscher Weg. Wenig trinken bedeutet sehr konzentrierten Harn in der Blase. Seine Bestandteile reizen dann die Blasenschleimhaut. Auf Dauer verstärkt das den lästigen Harndrang zusätzlich.
Ein Erwachsener sollte pro Tag rund 1,5 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen – an heissen Tagen oder nach schweisstreibendem Sport auch deutlich mehr. Die Trinkmenge wird gleichmässig über den ganzen Tag verteilt. Am Abend sollte es dann nur noch eine kleine Menge sein.
Empfehlenswert ist stilles Wasser. Kohlensäure reizt bei manchen Menschen auch die Blase. Kaffee, schwarzer und grüner Tee sowie Alkohol wirken harntreibend. Der Genuss sollte deshalb eingeschränkt werden. Auch an sich gesunde Nieren- und Blasentees verstärken die Urinbildung.
Um die nächtlichen Wanderungen zur Toilette zu verhindern, sollte man auf die genannten Getränke ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen ganz verzichten. Auch vor Aktivitäten wie einer Wanderung, einer Autofahrt oder einem Stadtbummel ist es ratsam, nichts Harntreibendes zu trinken.
Zusätzlich ist es für betroffene Männern ratsam, ihren Beckenboden gezielt zu trainieren. Konsequent durchgeführt, bewahren diese Übungen fast immer davor, dass sich mit den Jahren eine Inkontinenz entwickelt. Das ist besonders ab einem Alter von etwa 70 Jahren eine nicht seltene Folge der gutartigen Prostatavergrösserung. Physiotherapeuten bieten entsprechende Kurse für Männer an.