Ängstlich, verkrampft, unsicher, unkonzentriert? Wenn Kinder über längere Zeit mit solchem Verhalten auffallen, kann eine Psychomotoriktherapie helfen.
Autorin: Petra Horat Gutmann
Entwickelt wurde die Psychomotorik von dem deutschen Sportpädagogen Ernst Kiphard. Die Psychomotoriktherapie, so wie sie heute in der Schweiz praktiziert wird, entstand in den 50er-Jahren aus der Genfer Kindergartenpsychiatrie.
Die Psychomotorik befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist, genauer gesagt zwischen Psyche und körperlicher Bewegung (Motorik). Die Methode eignet sich ideal für Kinder mit einem auffälligen Bewegungsverhalten besonders unruhige, gehemmte oder ungeschickte Kinder.
Dies sind einige typische Indikationen der Psychomotoriktherapie: Bewegungsunruhe, rasche Ablenkbarkeit, zu impulsives Verhalten, geringe Frustrationstoleranz, wenig Ausdauer, Bewegungsarmut, mangelnde Bewegungsspontanität, Ängstlichkeit und übertriebene Vorsicht, unkoordinierte Bewegungen, Verkrampfungen beim Schreiben und unbeholfenes Umgehen mit Materialien und Werkzeugen.
«In der Psychomotoriktherapie finden die Kinder einen Ort, an dem sie ihren Körper konzentriert und spielerisch wahrnehmen können», sagt Barbara Müller. Das Spielerische an der Therapie ist denn auch der Grund dafür, warum Kleine bis 10 Jahre besonders gut auf die Therapie ansprechen.
Die Kinder, die zu Barbara Müller kommen, zeigen eine Vielfalt von Beschwerden, darunter ADHS und grafomotorische Störungen (Mal- oder Schreibauffälligkeit). «Seit einiger Zeit kommen auch immer mehr Kinder mit einem Asperger-Syndrom», berichtet die Berner Therapeutin. Den autistisch Veranlagten helfe es, wenn sie im geschützten Rahmen neue Situationen einüben und soziale Interaktionen ausprobieren könnten. In grossen Schulklassen sei es dafür zu hektisch, so Barbara Müller, doch in der Psychomotorik-Stunde seien die Kinder anfangs alleine und würden mit der Zeit in eine Kleingruppe wechseln.
Um gezielt an einer Störung zu arbeiten, braucht es eine Therapiestunde pro Woche, im Schnitt während achtzehn Monaten. Allerdings können sich die Beschwerden auch wesentlich rascher bessern, wie das Beispiel von Nina zeigt. Das ist natürlich besonders erfreulich, wie ihre Mutter bestätigt: «Nina konnte sich schlecht konzentrieren und war etwas unbeholfen. Sie ist durch die Therapie viel lockerer und selbstbewusster geworden. Auch ihre Konzentrationsschwierigkeiten haben sich gelegt.»
In der Schweiz bieten zahlreiche Schulen und Therapiestellen Psychomotoriktherapie-Stunden an. Ab dem Kindergartenalter werden die Therapiekosten in vielen Kantonen von den Schulgemeinden übernommen. Der Behandlung voraus gehen ein Anamnesegespräch mit Eltern und Lehrer/KindergärtnerIn und eine motorische Abklärung des Kindes.
Im Weiteren sind in der Schweiz über 100 selbständige Psychomotoriktherapeutinnen tätig, die Kinder teilweise ab dem 1. Lebensjahr aufnehmen. Die Bezahlung erfolgt in diesem Fall privat. Psychomotoriktherapeuten sind präventiv und therapeutisch aktiv. Parallel zur Therapie laufen Beratungsgespräche mit Eltern und Lehrkräften.
Adressen von Therapeutinnen und Therapiestellen finden auf www.astp.ch
Weitere Informationen:
Berufsverband astp
Haus der Kantone
Speichergasse 6, Postfach
3000 Bern 7
Tel. +41(0)31 320 16 50
E-Mail: info@astp.ch
In Deutschland wird Psychomotorik in Kindergärten und innerhalb des Schulsports, in Sportvereinen und in psychomotorischen Praxen privater Träger angeboten. In einigen Bundesländern wird Psychomotorik von den Krankenkassen bezahlt.
Ansprechpartner für Informationen zur Deutschen Psychomotorik und zu Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung ist:
Aktionskreis Psychomotorik e.V.
Kleiner Schratweg 32
DE-32657 Lemgo
Tel. +49 (0)5261 97 09 71
Einrichtungen und Adressen von Fachkräften findet man bei den Berufsverbänden der Motologen mit Universitätsabschluss (Diplom/Master) www.motologie.net und der Motopädinnen/Mototherapeuten www.motopaedie-verband.de
Lesetipp: «Psychomotoriktherapie» von Silvia Siegenthaler, Stiftung Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik Bern 2010, 89 Seiten, ISBN 978-3-905890-04-4.