Die Dinge ändern sich. Frauen in den „besten Jahren" lassen sich immer weniger von überkommenen Vorstellungen leiten, was das Älterwerden bedeutet. Das gesellschaftliche Bild der Frau in den Wechseljahren ist im Wandel – und jede Frau hat es heute in der Hand, für sich selbst zu definieren, was ihr jetzt guttut und wie sie sich am wohlsten fühlt.
Autorin: Annette Willaredt, 10/21
Früher gehörte eine Frau mit 50 zum alten Eisen. Schaut man sich Fotos aus den 30er- und 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts an, ist es auch tatsächlich erstaunlich. Wenn es nicht gerade sehr begüterte Familien sind, sieht die Grossmutter oder Urgrossmutter mit gerade mal 45 Jahren deutlich älter und verhärmter aus als heute eine 60-Jährige. Man hat ihr damals – wenn überhaupt – nur Lebensweisheit zugebilligt. Gearbeitet hat sie ausschliesslich innerhalb der Familie. Ein selbständiges Leben als ältere Frau – damals undenkbar. Und ein erfülltes Liebesleben mit 50 Jahren war ein echtes Tabuthema. Zum Glück hat sich einiges geändert im gesellschaftlichen Bild der Frau in den „besten Jahren". Heute stehen sehr viele Frauen in den Wechseljahren mitten im Beruf, steigen oft die Karriereleiter noch einen oder zwei Schritte nach oben. Sie gestalten ihr Leben selbst, haben Freundschaften, beginnen in dieser Lebensphase nicht selten sogar eine neue Partnerschaft. Das alles gilt heute als normal, die Gesellschaft akzeptiert es, wenn eine Frau ihr Leben nach ihrem Geschmack lebt.
Manchmal hakt es aber noch in den Köpfen der Frauen selbst. Einerseits sind sie modern, wissen in Beruf und Partnerschaft im Alter von 40, 50 Jahren genau, was sie wollen. Doch irgendwo haben sie auch noch das überkommene Frauenbild verankert, das ihnen von der Mutter und der Grossmutter vorgelebt wurde. Viele Frauen sind in dieser Zeit einfach verunsichert. Da sind natürlich die körperlichen Veränderungen, mit denen man klarkommen muss. In einer Gesellschaft, in der attraktiv = jugendlich ist, ist es nicht gerade leicht, kleine Fältchen, die ersten grauen Strähnen oder eine leichte Gewichtszunahme zu verkraften. Gut gelingen kann das aber, wenn man sich mal ernsthaft damit auseinandersetzt, was das eigene Gefühl und der eigene Bauch zum Älterwerden sagen und was von aussen kommt, von den Konventionen diktiert wird. Untersuchungen zeigen, dass Frauen in Kulturen wie China deutlich weniger Probleme in den Wechseljahren haben. Das mag auch mit an der Ernährung liegen. Aber mindestens genauso wichtig ist die Tatsache, dass die Frauen in diesen Ländern nach den Wechseljahren gesellschaftlich einen höheren Rang haben als davor. Dieser Gedanke kann Frauen in unserer Kultur eine gute Anregung sein. Denn er zeigt: Eine positive Einstellung zum Älterwerden macht das Älterwerden sehr viel leichter.
Eine gute Möglichkeit, den Blick auf die Wechseljahre positiv zu gestalten, sind Gespräche mit Frauen, die in der gleichen Lebensphase stehen. Hier kann man gemeinsam wunderbar darüber schimpfen, welche gesellschaftlichen Bilder und auch aus der eigenen Familie übernommen Vorstellungen uns beeinflussen. Und vor allem, welche dieser „alten Zöpfe" uns im Alltag immer wieder behindern und ausbremsen. Macht man sich bewusst, wie sehr man sich davon in seinem eigenen Denken leiten lässt, ist es viel leichter, sich dagegen zu wehren und auch für sich einen anderen Umgang damit zu entwickelt. Es lohnt sich ausserdem, wenn Frauen zu zweit oder in einer Runde ganz offen ihre Ängste formulieren, die sie mit dem Älterwerden verbinden. Es ist etwas anderes, Dinge auszusprechen als sie nur für sich zu denken. Ängste verlieren dabei ihren Schrecken und mit anderen Frauen kann man manchmal sogar darüber lachen.
Nach der Bestandsaufnahme auf der negativen Seite, muss aber unbedingt auch der zweite Schritt erfolgen. Frauen in den Wechseljahren sollten mit Freundinnen oder ganz für sich alleine genau hinschauen, was ihnen jetzt richtig guttut. Das ist im Einzelfall natürlich ganz verschieden. Eine Frau stellt fest, dass sie viel Kraft daraus schöpft, wenn sie alleine in der Natur unterwegs ist. Für eine andere ist Gartenarbeit das richtige. Wieder andere fühlen sich wohl und lebendig, wenn sie mit Freunden zusammen sind, gemeinsam etwas unternehmen und sich amüsieren. Auch sich in aller Ruhe aus dem Alltag herauszuziehen und ein Buch zu lesen, kann eine Kraftquelle sein. Ausdrücklich ratsam ist es, jetzt zu experimentieren. Die Bedürfnisse ändern sich in den Wechseljahren, der Körper verändert sich. Warum sollen dann die Hobbys oder die Sportart noch passen, mit denen man vor 20 Jahren mal begonnen hat. Besonders, was die körperlichen Aktivitäten betrifft, kann man jeder Frau nur wärmstens empfehlen, mutig Neues auszuprobieren. Es muss nicht immer das Nordic Walking oder Joggen sein. Man kann auch Bogenschiessen lernen, sich einer Wandergruppe anschliessen oder Geocaching machen, eine Art moderne Schnitzeljagd, bei der man in der Natur nach kleinen Schätzchen sucht. Angebote gibt es heute selbst auf dem Land in Hülle und Fülle. Wichtig dabei: Frauen sollten sich nicht unter Druck setzen, sondern genau das tun, was ihnen Spass macht, Kraft gibt und gute Laune schenkt.