Die meisten Frauen beklagen in den Wechseljahren, dass sie zunehmen. Doch es gibt auch den umgekehrten Effekt. Einige Frauen werden in dieser Lebensphase immer schlanker. Das ist nicht automatisch problematisch, aber in vielen Fällen steckt eine Essstörung dahinter und die darf man nicht ignorieren.
Text: Anette Willaredt
Beim Thema Essstörungen haben die meisten schnell ein klares Bild vor Augen. Sie sehen einen unglücklichen, viel zu mageren Teenager. Aber eine Studie der Universität Zürich zeigt, dass dieses Problem auch in anderen Lebensphasen auftauchen kann. Einige Frauen in den Wechseljahren hungern ebenfalls, um ihre Figur zu halten, und schlittern so in eine Essstörung. Die Psychologinnen werteten 586 Fragebögen aus, die von Frauen ausgefüllt worden waren. Dabei zeigte sich, dass einige Frauen sogar eine Magersucht entwickelt hatten.
Hintergrund für Gewichtsveränderungen in den Wechseljahren ist der veränderte Hormonspiegel. Östrogen ist ein natürlicher Appetithemmer. Da der Spiegel dieses Hormons in den Wechseljahren immer weiter sinkt, haben viele Frauen mehr Appetit – und sie nehmen zu. Im Durchschnitt sind es vier bis fünf Kilogramm. Meist sammeln sie sich rund um die Taille an, das gefürchtete Bäuchlein entsteht und ist kaum wieder wegzubekommen. Dazu kommt, dass die Fettzellen im Körper eine kleine Menge Östrogen bilden. Ein paar Pfunde mehr sorgen deshalb auch für einen etwas höheren Östrogenspiegel und das erhöht das Wohlbefinden.
Viele Frauen nehmen diese Gewichtszunahme als eine ganz normale Entwicklung hin. Für andere Frauen ist sie aber ein echtes Problem. Sie haben in dieser Zeit ohnehin eine Menge zu verkraften. Dazu zählt zum Beispiel der Abschied von der Jugend und der Fruchtbarkeit, bei vielen verlassen die Kinder jetzt das Haus, andere müssen sich um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern. Im Beruf geht es auf der Karriereleiter auch nicht mehr weiter nach oben. Und dann auch noch zunehmen und plötzlich nicht mehr in die Lieblingsklamotten passen? Besonders Frauen, denen ihre Figur, ihr Äusseres immer wichtig war, kommen damit schlecht zurecht. Möglichst kontrolliert zu essen scheint ihnen dann unumgänglich, um hier gegenzusteuern.
Doch sehr kontrolliertes Essen birgt eine grosse Gefahr. Es kann sich eine Essstörung daraus entwickeln. Das fällt betroffenen Frauen oft gar nicht auf. Sie sind eben jetzt wieder schlank oder haben gar nicht erst zugenommen. Dafür werden sie oft noch von Gleichaltrigen bewundert. Auch das moderne Leben macht es leicht, eine Essstörung zu entwickeln. Drei gemeinsame Mahlzeiten am Tag mit der ganzen Familie ist nicht mehr die Regel in vielen Haushalten. Die verschiedenen Familienmitglieder essen zu verschiedenen Zeiten, viele auch ausser Haus. Da fällt es kaum auf, dass die Mutter/Partnerin so gut wie nichts isst.
Dazu kommt: Ob vegane Ernährung, Intervallfasten, irgendwelche Diäten oder vermeintliche Lebensmittelunverträglichkeiten – es liegt im Trend, sich mit seiner Ernährung zu beschäftigen. Wenn eine Frau dann seltsame Essgewohnheiten entwickelt, macht sich ihr Umfeld unter Umständen gar keine Gedanken darüber. Oft ist das Problem schon sehr ausgeprägt, wenn andere darauf aufmerksam werden. Und spricht man dann die betroffene Frau darauf an, will sie davon meist nichts wissen. Sie wiegelt in der Regel ab. „Ich bin halt schlank“ heisst es dann.
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Wer auf Dauer zu wenig isst oder das Gegessene nach der Mahlzeit wieder erbricht (Bulimie), um schlank zu bleiben, tut seinem Körper nichts Gutes. Es kommt zu Mangelerscheinungen, die sich in einer schlechten Haut, brüchigen Fingernägeln und dünner werdenden Haaren äussern. Fehlen dem Körper ständig Nährstoffe, baut sich auch die Muskulatur ab, man wird immer kraftloser. Und weil die Muskeln viele Kalorien verbrennen, heisst weniger Muskulatur auch, dass der Körper noch weniger Nahrung braucht. Auch die Knochen können schnell brüchig werden.
Spätestens, wenn zu einem ungewöhnlichen Essverhalten erste Mangelerscheinungen kommen, sollten sich Betroffene Hilfe holen. Ganz konkret ist es ratsam, sich in Sachen Ernährung kompetent beraten zu lassen. Was kann ich essen, das mich nicht zunehmen lässt und mir trotzdem die nötigen Vitalstoffe für einen gesunden Körper liefert? Zusätzlich kann es auch nötig sein, auf psychologische Unterstützung zu setzen. Das gilt besonders für Frauen, die bereits in der Pubertät eine Essstörung hatten, welche jetzt in den Wechseljahren wieder aktuell wird. Auch das Umfeld einer Frau, die eine Essstörung entwickelt hat, kann etwas tun. Man kann sie damit konfrontieren, dass es deutlich sichtbar sei, dass mit dem Essverhalten etwas nicht stimme. Der betroffenen Frau muss klar werden, dass sie ihre Probleme nicht länger verheimlichen kann. Und nicht mehr verheimlichen heisst auch, nicht mehr verdrängen, sondern das Problem angehen.