Zieht es plötzlich in der Schulter oder tut es in den Knien weh? In den Wechseljahren leiden zahlreiche Frauen unter Beschwerden in den Gelenken. Das ist nicht allein einer altersbedingten Abnutzung geschuldet. Es gibt klare Hinweise, dass dabei auch der sinkende Hormonspiegel eine bedeutende Rolle spielt.
In den Wechseljahren stellen die Eierstöcke langsam ihre Arbeit ein. Es wird immer weniger Östrogen produziert. Bekannte und häufige „Nebenwirkungen" dieser hormonellen Umstellung sind Hitzewallungen oder Schlafstörungen. Aber was sollen die Gelenke damit zu tun haben? Zunehmend mehr Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass der abnehmende Blutspiegel an weiblichen Hormonen sich gleich in mehrfacher Hinsicht negativ auf die Gelenke auswirken kann. Typische Anzeichen sind die Morgensteifigkeit oder Schmerzen in den Gelenken nach grösseren Belastungen. Besonders oft betroffen sind die Knie, die Schultern und die Hände.
Um den Zusammenhang zu verstehen, muss man die vielen Aufgaben kennen, die Östrogene im Körper haben. Diese Hormone fördern ganz allgemein die Durchblutung. In den Gelenken hat das weitreichende Folgen. An unseren Gelenken stossen – vereinfacht gesagt – immer zwei Knochen aufeinander. Damit reibungslose Bewegungen möglich sind, haben die Knochenenden einen Überzug mit Knorpel. Das ist eine elastische Schicht, die für den nötigen Gelenkspalt zwischen den Knochen sorgt. In diesem Spalt befindet sich eine Flüssigkeit, die Gelenkschmiere, die ebenfalls das störungsfreie Gleiten der Knochenenden erleichtert. Ausserdem ernährt diese Flüssigkeit den Knorpel, versorgt ihn also mit Nährstoffen. Abgegeben wird diese Gelenkflüssigkeit von der sogenannten Gelenkkapsel, die das ganze Gelenk nach aussen umschliesst. Sie besteht aus einer äusseren Schicht und einer inneren, der Gelenkinnenhaut.
Was das mit den Östrogenen zu tun hat? Weil sie die Durchblutung anregen, fördern sie auch die Aufnahme von Flüssigkeit ins Gewebe, zum Beispiel in die Gelenkhäute. Das unterstützt in der Folge die Bildung von Gelenkflüssigkeit und die Ernährung der Knorpel. Sinkt nun der Östrogenspiegel, werden die Strukturen im Gelenk schlechter versorgt.
Es gibt noch einen zweiten Effekt. Östrogene regen den Aufbau von Kollagen an. Diese Fasern sind ein wichtiger Teil des elastischen Gerüsts, aus dem Knorpel besteht. Weniger Östrogene heisst also: schlechtere Durchblutung und weniger Kollagenaufbau. Die Strukturen in den Gelenken werden schlechter versorgt und sie büssen an Elastizität ein. Das macht sie empfindlicher und anfälliger für entzündliche Prozesse und damit für Schmerzen.
Die Hormone sind an der Freisetzung bestimmter Botenstoffe beteiligt. Diese Endorphine können Schmerzen lindern oder sogar unterdrücken. Durch den sinkenden Östrogenspielgel werden Schmerzen stärker empfunden. Dazu kommt, dass die weiblichen Hormone eine leicht entzündungshemmende Wirkung haben. Das gilt auch für Reizungen in den Gelenken.
Bei Frauen, die noch nie Probleme mit ihren Gelenken hatten und in den Wechseljahren erstmals Beschwerden bekommen, liegt es deshalb nahe, dass es am Östrogenmangel liegt. Gleichwohl ist eine genaue ärztliche Untersuchung ratsam. Es könnte auch die Verschleisserkrankung Arthrose oder eine rheumatische Erkrankung dahinterstecken, die dann entsprechend behandelt werden müssen.
Wesentlicher Ansatzpunkt zur Linderung von Gelenkschmerzen ist Sport. Bei jeder Bewegung wirken Zug- und Druckkräfte auf die Gelenke. Dadurch wird die Durchblutung erhöht und der Austausch von Gelenkflüssigkeit angeregt. Das verbessert die Nährstoffversorgung der Knorpel, sie werden wieder elastischer. Empfehlenswert sind alle Sportarten, die die Gelenke nicht belasten. Dazu zählen Schwimmen, Walken, Radfahren, Aquagymnastik oder Entspannungsübungen. Bewegung trägt auch dazu bei, Übergewicht abzubauen, denn jedes Kilo zu viel belastet die Gelenke.
Mit der Ernährung lässt sich ebenfalls gegensteuern. Grünes Gemüse wie Spinat oder Feldsalat enthält schmerzlindernde Substanzen. In Sojaprodukten, Leinsamen oder Hülsenfrüchten sind natürliche Östrogene enthalten, die dem Mangel entgegenwirken. Omega-3-Fettsäuren in Fisch oder Walnüssen haben einen entzündungshemmenden Effekt. Ratsam ist zudem, regelmässig eiweissreiche Lebensmittel wie Milchprodukte oder Fisch auf den Speiseplan zu setzen. Eiweisse sind wichtig für starke Muskeln. Kräftige Muskeln sind besser in der Lage, die Gelenke zu stabilisieren.
Ein letzter Punkt ist die Stressreduktion. Stress begünstigt Gelenkschmerzen. Um ihn abzubauen, ist das Erlernen einer Entspannungstechnik wie Autogenes Training oder Meditation ratsam.
Bei sehr ausgeprägten Gelenkbeschwerden in den Wechseljahren kann für Frauen auch eine Hormonersatztherapie in Frage kommen. Werden die fehlenden Östrogene ersetzt, lindert das die Gelenkprobleme. Doch die Therapie hat Nachteile. Sie erhöht das Risiko für Thrombosen und Schlaganfälle. Auch das Brustkrebsrisiko erhöht sich bei längerer Einnahme. Allerdings sind moderne Gelpräparate oder Pflaster niedriger dosiert als die Tabletten in früheren Zeiten. Das macht sie auch verträglicher. Ratsam ist eine genaue Abwägung der Vor- und Nachteile gemeinsam mit der Frauenärztin.