Täglich starke Belastungen, hohe Anforderungen und wenig Anerkennung vom Umfeld – das kann uns entmutigen und verbrauchen. Burnout ist eine körperliche und emotionale Erschöpfung, verursacht durch dauernden Stress und Anspannung. Eine solche tiefgehende Erschöpfung entsteht nicht von heute auf morgen, sondern baut sich auf.
Als erste Symptome, oft noch vorübergehend, melden sich meist Konzentrationsmangel, Lustlosigkeit, Traurigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen. Die auslösenden Faktoren sind sehr individuell. Es können Beziehungskonflikte sein, aber auch krank machende Arbeitsverhältnisse, wie zum Beispiel ständig steigender Arbeitsumfang, Kooperations- oder Führungsprobleme und mangelnde Rückmeldung. Dauerstress führt dann zu einer zunehmenden Entgleisung körperlicher Regulationsmechanismen, mit dem Ergebnis einer schweren Erschöpfung.
Eine sehr wichtige Rolle spielt aber auch die eigene seelische Konstitution: Jeder Mensch geht mit den Belastungen des Lebens anders um. Menschen, die zu einem Burnout neigen, achten oft schon seit ihrer Kindheit wenig auf sich selbst und vernachlässigen ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse.
Autorinnen: Petra Wiechel, Maja Hofstetter, 06.10
Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen über und die Beurteilungen der Dinge – so sah es der griechische Philosoph Epiktet.
Das heisst, wir erleben eine Situation und deuten sie gemäss unserer Prägung. Wir nehmen nur wahr, wie wir selbst sind, und dementsprechend ordnen wir alles Erlebte positiv oder negativ ein.
Ein kleines Beispiel: Weil ein Kind eine besondere Arbeit gut erledigt hat, bekommt es vom Vater Schokolade geschenkt. Sein Geschwisterchen, mit dem es die Süssigkeit teilt, kann folgern: «Das ist gemein – mir hat der Vater nichts gegeben.» Oder aber: «Genial, ich brauche das nächste Mal nicht viel zu tun, ausser das Geschwister lieb oder mit Tränen in den Augen anzuschauen, um auch zur Belohnung zu kommen!» Dieselbe Situation wird unterschiedlich angegangen.
Das Problem liegt also nicht unbedingt in dem, was um uns herum geschieht, sondern darin, wie wir dies interpretieren und darauf reagieren. Der sich grundsätzlich geliebt fühlende Mensch antwortet eher mit Gelassenheit und Annahme, der an Ablehnung leidende Mensch neigt zu Gefühlen wie Angst, Versagen und Stress. Unsere persönliche Denkweise und Interpretation von Geschehnissen wenden wir unbewusst als Massstab in allen Lebensbereichen an.
Auf sehr unterschiedliche Art und Weise beeinflusst das Gehirn Lebenserfahrung und Verhalten. Unser kognitives Gehirn, das bewusst und rational arbeitet, ist ausschliesslich der Aussenwelt zugewandt. Es steuert unter anderem Aufmerksamkeit, Erinnerungsvermögen, Kreativität, Orientierung und Lernprozesse.
Unser emotionales Gehirn, das limbische System, steht in unmittelbarem Kontakt zu unserem Körper, ist unbewusst und auf das Überleben gerichtet. Der Herzrhythmus, die Atmung, der Hormonstoffwechsel, der Schlaf, die Libido und das Immunsystem unterliegen der Kontrolle des limbischen Systems. Emotionen sind aus diesem Blickwinkel also auch das bewusste Erleben eines grossen Zusammenspiels physiologischer Abläufe, die die Aktivität des Körpers überwachen und ständig den Notwendigkeiten der inneren und äusseren Umgebung anpassen.
Chronische Überforderung und Stress führen zu einer Informationsflut im Organismus. Das Gleichgewicht ist in Gefahr: Die Regulationssysteme, die unseren Körper in einer ausgewogenen Balance halten, werden zunehmend überfordert. Das führt u.a. zu Schlafstörungen, Herzklopfen, Bluthochdruck, Verdauungsproblemen und Infektionsanfälligkeit.
Langfristig entsteht ein Mangel an Energie, der mit nachlassender Konzentration, Rückzug, Reizbarkeit, innerer Leere, Angst und Depression einhergeht. Der Druck, den wir erleben, entlädt sich körperlich und seelisch.
Cortisol ist unser wichtigstes Stresshormon. Es wird aus Cholesterin in den Nebennieren hergestellt. In Stresssituationen steigt die Produktion von Cortisol auf die drei- bis vierfache Menge an, damit schnell Energie bereitgestellt werden kann.
Das Hormon hat ein breites Wirkungsspektrum: Energie wird geliefert durch Erhöhung des Blutzuckerspiegels und durch die Aktivierung des Proteinabbaus aus Muskulatur, Knochen und Bindegewebe. Ausserdem wirkt Cortisol antientzündlich, vermindert aber gleichzeitig die Funktion des Immunsystems.
Dauerstress führt zu einer enormen Überlastung dieses hormonellen Systems. Bei Menschen, die in einer Dauerstress-Situation leben, kann in dieser Anpassungsphase über lange Zeit ein überhöhter Cortisolspiegel gemessen werden. Kurzfristig führt das zu einer effektiven Bewältigung der Stress-Situationen, langfristig jedoch kann sich das System erschöpfen. Der zunächst nachweisbaren Cortisolerhöhung folgt ein Mangel an Cortisolbereitstellung mit all seinen Folgen. Das sind chronische Müdigkeit und chronische Schmerzen durch erhöhte Freisetzung entzündungsfördernder Prostaglandine und Mangel an antientzündlicher Gegenregulation.
Die anhaltende Unterdrückung des Immunsystems führt langfristig zu Stressintoleranz und Körperreaktionen wie Ekzemen und Asthma bronchiale.
Für Burnout-Gefährdete gibt es typische Merkmale. Oft sind dies Menschen, die sehr hohe Anforderungen an sich selbst stellen, der Beste, die Wichtigste, der Liebste sein wollen. Sie erlauben sich keine Fehler, haben ein niedriges Selbstwertgefühl oder lehnen sich selbst sogar ab. Sie vernachlässigen auf subtile Weise ihre eigenen Bedürfnisse, können sich selbst wenig schützen, weisen aber eine sensible Wahrnehmung für andere und deren Nöte auf. Durch Leistung müssen sie es sich selbst und anderen beweisen und streben dabei Fehlerlosigkeit und Perfektion an. Konflikte werden verdrängt, Probleme oft geleugnet.
Die Arbeitssituation kann ein Erschöpfungssyndrom unterstützen: Grosse Verantwortung tragen zu müssen, eventuell ohne ausreichende Kompetenz, ist ein möglicher Auslöser, insbesondere, wenn eine solche Situation auf hohe Leistungs- und Präsenzbereitschaft trifft.
Unsicherheiten können durch Veränderungen des Umfeldes und der Arbeitsstruktur entstehen, auch gleichförmige, langweilige Abläufe sowie fehlende Ruhezonen und Rückzugsmöglichkeiten spielen mit. Weitere wichtige Faktoren sind der Mangel von ermutigenden Rückmeldungen, unklare Erfolgskriterien oder das Gefühl, ständig kontrolliert zu werden.
Das Erschöpfungssyndrom ist also als körperliche und psychische Reaktion auf meist länger anhaltende oder schwerwiegende Belastungen zu verstehen. Die Beschwerden bilden sich meist schleichend über längere Zeit aus und werden deshalb oft spät bemerkt.
Die Behandlung des Burnout-Syndroms in der Paracelsus-Klinik Al Ronc betrachtet den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit und erfolgt daher auf verschiedenen Ebenen. Erfahrungsheilkundliche Methoden, die auch moderne Erkenntnisse der Physiologie, Biochemie und Physik integrieren, werden mit Verfahren ganzheitlicher Psychotherapie gekoppelt. Individual-psychologische Beratung hilft den Burnout-Patienten, die ihnen nicht bewussten Verhaltensweisen selbst zu entdecken und aus dem wiederkehrenden Kreislauf herauszufinden.