Gepflegte Hände sind heute für viele Frauen gleichbedeutend mit künstlichen Fingernägeln. Dermatologen warnen vor dem Trend.
Autor: Andrea Pauli, 7/19
Künstliche Nägel gehören heutzutage wie selbstverständlich zur weiblichen Schönheitspflege, und der regelmässige Besuch eines Nagelstudios ist schon lange nichts Besonderes mehr. Davon zeugt die Dichte an Studios in den Städten und selbst im kleinsten Dorf findet sich noch irgendwo ein «Nail-Art»-Salon. So beliebt die Verschönerung der Fingernägel auch sein mag, so beharrlich warnen Ärzte vor dauerhafter Anwendung. Zudem können Infektionen, Hautveränderungen oder auch eventuelle Tumore unter Kunstnägeln leicht übersehen werden.
Jede der zurzeit gängigen Arten von Kunstnägeln hat aus medizinischer Sicht gesehen ihre Nachteile.
Weder Behörden noch der nationale Verband Swissnaildesign führen ein verlässliches Register der Nagelstudios. Wer den Beruf ausüben möchte, braucht keinen eidgenössischen Leistungsnachweis, und es gibt keine verbindlichen Hygienevorschriften.
Die Staubbelastung durch Feilen und Polieren ist beträchtlich. Eine Atemmaske allein nutzt wenig, vielmehr sollte eine Absauganlage direkt am Arbeitsplatz installiert sein.
Besonders beliebt sind Gelnägel, da die Modellage relativ einfach ist. Sie bestehen in der Regel aus drei Schichten, die auf den zuvor angerauten Naturnagel gelegt werden. Die Füllmasse für Gelnägel muss mit UV- oder LED-Licht ausgehärtet werden.
Zur Gel-Methode zählt auch Schellack, eine Art Hybrid aus klassischem Nagellack und Gel, dem zudem sogenannte Photoinitiatoren beigefügt sind, die unter UV-Licht aushärten und die Farbe mit den Naturnägeln fest verbinden. Auch hier werden drei Schichten auf den zuvor angerauten Nagel gelegt. Bei den Gel-Methoden sehen Mediziner zwei Risiken. Zum einen die Materialien selbst – Schellackfarben etwa können Kontaktallergien oder -ekzeme auslösen. Bedeutsamer ist jedoch das Hautkrebsrisiko.
Bereits 2017 warnten Forscher des Medical College Georgia und des Georgia Regents Health System, dass UV-Lampen im Verdacht stehen, Hautkrebs zu verursachen. Grund sind die ultravioletten Strahlen, denen die Nägel beim Anbringen über Minuten hinweg ausgesetzt sind. Im Fachblatt «Journal of the American Medical Association (JAMA) of Dermatology» werden verschiedene Fallbeispiele angeführt, die die Erkenntnisse belegen. Bereits acht Behandlungen mit einer UV-Lampe reichten aus, um die DNA der Haut zu beschädigen. Generell ist die Krebsgefahr durch UV-Strahlung nicht neu, im Zusammenhang mit Kosmetikbehandlungen jedoch nicht so geläufig. Mediziner raten deshalb dazu, die Nägel zumindest mit UV-Schutz auf die Prozedur vorzubereiten.
Acrylnägel werden mit einem Pulver-Flüssigkeitsverfahren angefertigt. Die Paste härtet auf dem Nagel aus. Dabei vernetzen sich kleine Moleküle zu einem hochmolekularen Kunststoff. Kommt dabei Methacrylat zum Einsatz, kann das Allergien, Hautreizungen und Hautveränderungen rund um den Fingernagel auslösen. Da Acrylnägel recht hart sind, kann sich der Nagel bei einem Stoss leicht abheben oder verletzen. In Extremfällen wird der Naturnagel mit abgerissen. Bei Fiberglasnägeln wird die Nageloberfläche mit einer feinen Feile aufgeraut. Das Fiberglasgewebe ist ein selbstklebendes Plättchen, das mittels einer speziellen Schere auf die jeweilige Nagelgrösse zugeschnitten und aufgeklebt wird.
Bei der Dip-Puder-Methode werden nach Auftragen des Unterlacks die Fingerspitzen mehrfach in einen Topf mit fein gemahlenem Puder getaucht. Die Partikel bleiben an der feuchten Basis haften und werden mit Lack fixiert. Dip-Puder-Nägel werden als «gesund» gepriesen, da das Pulver nagelverstärkendes Calcium und weitere Mineralien enthalte. Doch wie bei den anderen Methoden liegt die Crux auch hier im Ablösen der Kunstnägel.
Der neueste Clou sind Nagelfolien aus recycelbarem Trägermaterial, die man individuell zuschneiden und aufkleben kann. Vor Benutzung muss man die Nägel mit Aceton reinigen.
Eine Strapaze für jeden Naturnagel ist das Entfernen der Kunstnägel. Besonders, wenn es mit Aceton erfolgt (ein Muss bei Acryl-, Dip-und Foliennägeln), das bis zu zehn Minuten auf den Nägeln einwirken muss. Der Vorgang entfettet den Naturnagel massiv und macht ihn porös. Eine andere Methode ist das Abfeilen oder Fräsen, was Verletzungen an der Nagelplatte und dem Nagelbett zur Folge haben kann.
Künstliche Fingernägel sind der perfekte Nährboden für Keime. Schon bei der Modellage können kleine Hohlräume zwischen Kunst- und echtem Nagel entstehen. Dort nisten sich leicht Bakterien und Pilze ein, wenn nicht einwandfrei gearbeitet wird.
Da der künstliche Nagel direkt auf dem Naturnagel aufliegt, leidet letzterer häufig an Sauerstoffmangel, bemängeln Dermatologen. So verschlechtert sich zusätzlich die Struktur des Nagels. Er wird weich, dünn und noch anfälliger für Infektionen.
Lässt man sich aus modischen Gründen auch noch die Nagelhaut entfernen, können Schwellungen und Entzündungen auftreten.